Fahrbericht VW Caddy California 2.0 TDI 4MotionKleine Fluchten

Arne Olerth

 · 17.08.2021

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Foto: VW Nutzfahrzeuge

Campen in deutschen Landen liegt voll im Trend, kleine Freizeitmobile ebenso. Mit dem neuen Caddy California von VW Nutzfahrzeuge spüren wir der angesagten Urlaubsform in den Hochebenen der Rhön nach

Der Sommer weckt das Fernweh –daran konnte auch die Pandemie nichts ändern. Doch sorgte das Virus für veränderte Reisegewohnheiten. Anstelle der Pauschalreise mit dem Flieger haben viele Camping als Urlaubsform entdeckt. Noch dazu boomt der Urlaub im eigenen Land. Was ist dran an der Lust auf Camping in deutschen Landen? Wir haben es ausprobiert – mit dem neuen Caddy California von VW Nutzfahrzeuge.

Doch bevor es mit Schlafsack und Sonnenmilch bepackt auf Tour geht, wenden wir uns unserem Mini-Hotel auf Zeit zu: Das Freizeitmobil auf Basis des neuen Caddy komplettiert ab sofort das Trio der California-Familie. Neben dem universellen Camping-König T6.1 California und dem raumgewaltigen Grand California auf Crafter-
Basis präsentiert sich der Caddy California als minimalistische Alternative. Keine schlechte Idee, haben doch besonders junge Menschen in der Pandemie das Camping entdeckt, wie der Branchenverband CIVD und der ADAC bestätigen. Flexibilität und günstiger Einstandspreis zählen hier mehr als Raumopulenz und bestmöglicher Komfort. Der Caddy California kommt also genau richtig. Dabei ist das Konzept nicht neu – gab es das kleine Freizeitmobil doch schon unter den Namen Tramper und Beach.

Mini-Küche und Wohnmobilzulassung

Doch wurde der Caddy California nicht einfach bloß umetikettiert. Vielmehr hat Volkswagen Nutzfahrzeuge die Camping-Kompetenz des Kleinen umfangreich aufgewertet, ehe er den klangvollen Namen California erhalten durfte. So wurden die Liegequalitäten optimiert, optional gibt es gar eine Mini-Küche nebst einer Wohnmobil-Zulassung, die Steuern und Versicherung spart. Die praktischen Packtaschen in den Fenstern blieben erhalten, Tisch und Stühle sind an Bord. Der Preis? Startet unter 30.000 Euro, präzise bei derer 29.887. Mit verlängertem Radstand und 4,85 Meter Aufbaulänge, dem 122-PS-Topdiesel und 4Motion-Allradantrieb steht unser Testwagen mit 38.955 Euro in der Preisliste.

PKW-Fahrverhalten

Derart gerüstet starten wir zu einem Erlebnis-Trip in die Rhön, ein zentral in Deutschland gelegenes Mittelgebirge im Dreiländer-Eck von Hessen, Thüringen und Bayern. UNESCO-Biosphärenreservat, außergewöhnliche Artenvielfalt, menschenleere Hochebenen und -Moore – genau das richtige zur Entspannung vom hektischen Großstadttrubel. Dem entfliehen wir von Frankfurt aus der Autobahn in Richtung Nordosten folgend. Der TDI verhilft dem Caddy zu erstaunlich flotten Fahrleistungen, bei Bedarf schrappt die Nadel im optionalen digitalen Cockpit schon mal an der 200er Marke. Dem Erholungsanspruch entsprechend pendelt sich die Reisegeschwindigkeit aber bei Tempo 140 ein. Dank der neuen Hinterachse erreicht der Federungskomfort PKW-Niveau, auch der Geräuschkomfort passt. Seine Nutzfahrzeug-Wurzeln hat der Caddy in der fünften Generation endgültig abgelegt.

Mit dem Verlassen der Bundesautobahn tauchen wir ein in die grüne Welt der Rhön. Das Asphaltband mäandert durch sanft gehügelte Landschaf­ten vulkanischen Ursprungs, führt uns durch pittoreske Städtchen und malerische Dörfer. Hoppla, Deutschland ist wirklich schön! Und zeigt bisweilen Ungewohntes: wie den digitalen Selbstbedienungsladen im hessischen Rasdorf. Eine Bio-Supermarktkette sichert in einem auffäl­ligen Verkaufscontainer die Nahversorgung auf dem Lande – mit 950 Produkten, rund um die Uhr, an jedem Wochentag. Überwiegend Bio. Wir laden uns eine App aufs Handy, öffnen damit die Eingangstür. Ein Salat, Käse, Brot und ein Getränk sollten fürs Abendmahl reichen. Gezahlt wird am Touchscreen per Karte. Clever, da kann sich manch hippe Großstadt eine Scheibe abschneiden.

Wir reisen weiter zu unserem Übernachtungspunkt, hoch oben auf einem vulkanischen Gipfel gelegen. Der Weg dorthin führt über schlüpfrige Forstwege, die der automatisch zuschaltende 4Motion-Antrieb souverän sichert. Sperren oder abschaltbares ASR gibt es nicht, der Caddy regelt den Momentenfluss automatisiert.

Am Ziel wandelt sich der Reisewagen zum Tiny Home. Rückbanklehnen umlegen und das Bett aus dem Heck nach vorne klappen. Dies stützt sich in Aufnahmen in der B-Säule ab. Das war´s eigentlich schon. Für Privatsphäre kann man die Fenster mit Stoffblenden verdunkeln, die mit Magneten an der Blechhaut haften. Unter dem Bett entdecken wir die gleiche Tisch-Garnitur, die sich in unzähligen T-California bewährt hat – klasse. Nach dem Essen krauchen wir in die Koje, versüßen den kühlen Spätfrühlingsabend mit ein wenig warmer Luft aus der Standheizung (Aufpreis). Umziehen auf dem Bett klappt auch, fällt aber naturgemäß nicht ganz so komfortabel aus wie in einem Camper mit Stehhöhe. Als Betthupferl gewährt uns der Caddy mit seinem 1,4 Quadratmeter großen Panorma-Glasdach (Aufpreis) einen Blick in den grandiosen Sternen­himmel der Hochrhön. Gute Nacht!

Tellerfedern für top Schlafkomfort

Sanft massierende Vogelstimmen und erste Sonnenstrahlen holen uns am Morgen zurück. Das Caddy-Bett sorgte mit Tellerfedern und Kaltschaum-Auflage für eine gute Erholung. Der Sonnenaufgang über dem Höhenrücken labt die Seele, ein frischer Tee den Magen. Dazu lässt sich unter dem Bett eine Miniküche mit Einflamm- Kocher ausziehen, die Gasflasche ist hinter der Rückbank fest verbaut. Selbst bei weniger schönem Wetter ist diese nutzbar, hält der Caddy doch schützend seine große Heckklappe über den Nutzer. Auf geht´s.

Erstes Etappenziel ist die Schäferei von Dietmar Weckbach. Er besitzt rund 500 Rhönschafe mit typisch schwarzem Kopf, eine der ältesten Nutztierrassen Deutschlands. Durch ihre schonende Landschaftspflege haben sie eine besondere Bedeutung im Biosphärenreservat erlangt. Sie zerstören beim Grasen die Bachläufe nicht, verteilen mit ihrem Wollpelz die Samen der Pflanzen. Und: Es trägt den Spitznamen „Kaiserliches Schaf“. Warum? Schon Napoleon schätzte den exquisiten Geschmack seines Fleisches und ließ sich daher regelmäßig Schafe aus der Rhön kommen, wie Weckbach erklärt. Er betreibt in seiner Schäferei heute auch eine Wirtschaft.

Nach dem Essen gönnen wir uns eine kleine Auszeit. Dabei lernen wir einen weiteren Vorteil des Caddy California schätzen: Er trägt seinen Pelz nach innen, ist von außen kaum als Camper erkennbar. Das macht Übernachtungen auch an ungewöhnlichen Orten möglich.

Bewegende Momente

Frisch erholt starten wir in den historischen Teil unserer Tour. Die innerdeutsche Grenze verlief mitten durch die Rhön. Heute erinnert die Gedenk-Stätte Point Alpha an diese Zeit. Historiker vermuten, dass ein möglicher Angriff Russlands an dieser Stelle erfolgt wäre, um an den Rhein vorzustoßen. Diese und viele weitere, teils verstö­rende Geschichtsinformationen erfahren wir bei einer sehr kompetenten Führung. Ein absoluter Pflichttermin für jeden Rhönbesucher!

Eine Wanderung durch ein faszinierendes Hochmoor sorgt im Anschluss für Raum und Stille, um das Gehörte zu verarbeiten. Es gäbe noch manch Kapitel von unserer Tour zu erzählen – sei es über die Reichsautobahn-Ruine „Strecke 46“, Begegnungen mit interessanten Leuten oder schöne Naturerlebnisse.

Bewegende Momente und nachhallende Erlebnisse erfordern keine Fernreise, man kann sie oft in direkter Nachbarschaft erleben. Für solch kleine Fluchten eignet sich der Caddy ideal. Seine Kompaktheit und das minimalistische Camping-Konzept ermöglichen größte Spontanität. Dafür bedarf es aber eines offenen und flexiblen Urlaubsstils. Duschen? Kann man im örtlichen Schwimmbad. Toilette? Lässt sich vorzüglich mit dem Besuch in einem Café verbinden, der wiederum die Basis zum Erleben der lokalen Bevölkerung bietet.

Ein Urlaub im Ferien-Resort verspricht vorhersehbare Planbarkeit – reicher an Erlebnissen aber wird sicher der Caddy-California-Urlauber nach Hause zurückkehren. Dort kann er das Bettgestell ausklipsen und im Keller verstauen. Und den kleinen Camper im Alltag als ebensolch praktisches Auto nutzen, wie dessen zivilen Brüder auch. In diesem Sinne: Schönen Urlaub!