Heiko P. Wacker
· 18.03.2022
Camping boomt! Selbst im Baumarkt ist die Reiselust ein Thema, wie die Module von Hornbach zeigen. Die bieten eine Menge Raum für eigene Ideen im Bulli, Crafter & Caddy. Man muss sich nur darauf einlassen
Ein Baumarkt als Aufbauhersteller – passt das etwa? Nun, die Frage ist berechtigt, wie auch Jörg Vetter einräumt, der hinter dem Projekt steht: „Autos sind nicht unsere Kernkompetenz. Wir sind nicht Pössl, wir sind nicht Reimo – wir bieten keine fertigen Lösungen, wir liefern Inspirationen“, betont der Einkäufer von Hornbach. Und so war es ganz sicher auch das eigene Hobby, welches ihn im Jahr 2019 zur Idee führte, Campingmodule zu entwickeln, die als Bausätze an die Endkunden geliefert werden. Damit die sich ihren Wunschcamper ausbauen können.
Natürlich gab es und gibt es Vorlagen und Muster für Kastenwagen & Co. schon seit Jahrzehnten, wobei es beim Selbermachen durchaus ein wenig Geschick im Umgang mit Säge und Bohrmaschine braucht. Die Hornbach-Module hingegen werden im perfekten CNC-Zuschnitt geliefert,und müssen nur noch zusammengesteckt werden. „Sinnigerweise mit einem weißen Gummihammer, der hinterlässt auf dem rohen Holz keine schwarzen Schlieren“, meint Jörg Vetter, stolzer Besitzer eines VW California. Natürlich gibt es diesen Hammer für etwa 7 Euro ebenfalls bei Hornbach.
Die Module selbst liegen preislich etwas höher, aber dennoch in interessanten Bereichen. Der Bestseller – das Heckbettsystem für den VW Bulli – wird für 679 Euro frei Haus geliefert. Gefertigt sind die Module aus Birke-Multiplex, 15 Millimeter in der Stärke messend. Entsprechend sollte man für das Hinein-Hieven besser zu zweit sein, um keinen Flurschaden an Blech oder Lack zu verursachen – so ein Heckbettsystem wiegt bereits ohne Schubladen lässig einen Zentner. Möglicherweise wird hier in Zukunft noch an der Gewichtsschraube gedreht, die Module sind noch nicht lange auf dem Markt.
Wobei das sicher kein Selbstläufer war, „im Marketing gab es nicht so wirklich Begeisterungsstürme“, meint Jörg Vetter schmunzelnd, während er in seinem T5 California netterweise Kaffee für Fotograf und Autor bereitet – Danke nochmals! Allerdings sorgte die allgegenwärtige Pandemie auch in der pfälzischen Hornbach-Zentrale für eine Neubewertung der Module. Im Sommer 2020 wurde das Projekt mit sehr viel mehr Wohlwollen betrachtet und auch von höchster Ebene mit einem Segen versehen, so dass zum Oktober die ersten zehn Produkte in den Verkauf gehen konnten. Der Erfolg überraschte auch Jörg Vetter: Ein wenig Werbung in den sozialen Medien wurde geschaltet – und der Absatz startete direkt durch.
Campermodule als Ladung
Und das trotz – oder gerade wegen – des sehr grundlegenden, ja fast rudimentären Charakters der Module. Die sind alles, nur keine Komplettlösungen, wie sie die klassischen Hersteller wie Vanessa oder Ququq bieten. „Autozubehör ist nicht unser Ding, wir sind ein Projekt-Baumarkt für Heim und Garten“, betont der Ideengeber. Deshalb wäre es auch niemals in Frage gekommen, die Module aus einem anderen Material als Holz zu fertigen, aus Alu beispielsweise wie im aktuellen VW California. Und auch das technische Innenleben, elektrische Anlagen, Standheizungen oder Schlafdächer gar wird man nicht erwarten dürfen. Statt dessen geht es um die Grundlage, um den Anschub sozusagen, um sich selbst einen Camper zu realisieren. Wie das am Ende ausschaut? Das bleibt der Phantasie überlassen, „wir liefern die Inspirationen“.
Beispiele lassen sich im Netz bestaunen, in den Onlineauftritt der unter dem Label „Buildify“ gelisteten Module wurde eine Menge Arbeit investiert. Und auch die Namensgebung verdient ein dickes Lob: „Alle Module sind nach Menschen benannt, die sich um die Idee des Reisens verdient gemacht haben. Christoph steht für den Entdecker Amerikas, Marco für Herrn Polo, der den Weg nach China erkundete. Nellie wiederum war die erste Frau, die die Welt umrundete, in 72 Tagen übrigens. Und Marinus war jener Herr, der als erster den Käfer in die Niederlande importierte, und zudem mit seiner Skizze dem Bulli auf die Sprünge half, VW-Fans kennen ihn eher unter seinem Spitznamen Ben.“ Ben Pon als Namensgeber? Wie cool ist das denn?
Passenderweise ist „Marinus“ auch die Bezeichnung für das in den VW Bulli passende Heckbettsystem, es misst 180 auf 150 auf 41,5 Zentimeter. Die zugehörigen Schubladen werden unter dem Produktnamen – Achtung, Trommelwirbel – „Ben“ feilgeboten. Über die Maße aller Produkte informieren Datenblätter, die zum Download bereit stehen. Passende Fahrzeuge sind ebenfalls gelistet. Auch Klassiker wie der T4 sind mit dabei, der Crafter natürlich und auch der Caddy. Schwieriger wird es bei den Bullis bis zur dritten Generation, hier lungert der Motor, wo sonst das Heckbett sein könnte. Dafür wiederum passt in den Crafter und wohl auch in den früheren LT das Längsbett „Marco“ zu 599 Euro, das sich zur Seite hin ausziehen lässt. Während inzwischen auch für den Caddy eine etwas kleinere Version des Heckbettsystems erhältlich ist, das dann eben nur Platz für eine Schublade im Parterre hat, wo für den Einsatz im Bulli gleich zwei Schuber vorgesehen sind. Aktuell reichen die Preise von 79 Euro für das Regal „Alfred,“ das in die Schiebetür passt, bis zu 739 Euro für die Campingboxen „Erwin“, „Carolin“ oder „Nellie“, die in den Bulli oder den Crafter einziehen dürfen.
Inspiration statt fertiger Lösung
Generell empfiehlt es sich freilich, vor der Bestellung nachzumessen. Generell gilt auch, dass die Module als Ladung gelten, und für deren Sicherung ist der Kunde zuständig. Wer also eine offizielle Wohnmobilzulassung eines selbst modifizierten Campers anstrebt, der sollte zeitig mit der nächsten Prüforganisation Kontakt aufnehmen, und sich Gedanken über eine sichere Fixierung ganz individuell im eigenen Fahrzeug machen. Mitunter kann es sich empfehlen, entsprechende Halterungen für die Schrank- oder Bettsysteme fest einzubauen. Wie gesagt: Es geht um die Grundlage, um den Anschub. Materialien für die Dämmung oder Matratzen immerhin sind bei Hornbach am Start, Übersichten zu den verschiedenen Modulen liefert die Homepage.
Auf dem Internet-Auftritt des Baumarkts finden sich auch Vorschläge zur Gestaltung der roh angelieferten Holzware, „der Kunde soll ja die Möglichkeit haben, das Holz nach eigenen Wünschen zu gestalten. Zu bemalen, zu ölen, zu lackieren.“ Jörg Vetter selbst hingegen würde nichts davon machen: „Ich? Ich würde das Holz genau so lassen. Und wenn Fettfinger vom Nachwuchs drauf sind, dann sind eben Fettfinger vom Nachwuchs drauf. Kann man ja abschleifen.“ Eine Aussage, so erfrischend und ehrlich wie die ganze Modulfamilie.
Test kompakt:
Camping-Module aus dem Baumarkt?
Die mobile Freizeit boomt allerorten, wobei die unter dem Label „Buildify“ angebotenen Elemente keine fertigen Lösungen bieten, sondern gedacht sind als Basis für den eigenen Ausbau eines Caddy, LT, Crafter oder Transporter ab der vierten Generation. Da die präzise gefertigten, online erhältlichen Konstruktionen als Ladung gelten, genügen Spanngurte. Das geht ratzfatz, die erste Reise kann starten. Und dann dürfen weitere Ideen reifen: So inspirierend kann Birkenholz sein.