VorstellungVW ID.Buzz – Charme-Offensive mit dem E-Bulli

Arne Olerth

 · 18.03.2022

Vorstellung: VW ID.Buzz – Charme-Offensive mit dem E-BulliFoto: VW Nutzfahrzeuge

Mit dem neuen ID.Buzz präsentieren Volkswagen und Volkswagen Nutzfahrzeuge das emotionalste Elektro-Auto der Neuzeit. Kein Wunder, nimmt sein Design doch direkt Anleihen am kultigen Ur-Bulli T1. Mit seinem kräftigen Motor, passender Reichweite und Platz im Überfluss läutet der ID.Buzz eine neue Ära ein

Geht es um Superlative in der Welt des Automobilbaus, so führt kein Weg am VW Bulli vorbei: Mit aktuell 72 Jahren Bauzeit hält er den Titel des bis heute am längsten produzierten Automobils. Diesen teilt er sich mit einem britischen Roadster, dessen Marktstart ebenso auf das Jahr 1950 zurückdatiert. Geht es aber um Auto-Emotionen, so ist die Sachlage eindeutig: Kein anderes Auto bewegt die Herzen der Menschen so sehr wie der Ur-Bulli. Und für uns Auto-Journalisten und sicher auch für viele Auto-Fans markiert der Bulli die wichtigste Neu-Erscheinung des Jahres – in Form des vollelektrischen ID.Buzz. Unlängst erst wurde dem universellen T6.1 der Van-Spezialist T7 Multivan zur Seite gestellt, jetzt fächert der ID.Buzz die Faszination „Bulli“ zu einem veritablen Dreiklang auf. Den E-Bulli gibt es dabei nicht nur als lokal emissionsfrei fahrenden Familien-Freund, als ID.Buzz Cargo bietet er für all jene eine Alternative, die bisher mit dem T-Transporter glücklich wurden.

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Foto: VW Nutzfahrzeuge

Die Historie des Bulli war durch die Generationswechsel geprägt von Umbrüchen unterschiedlicher Couleur – von sehr kleinen im Falle des Sprungs vom T5 zum T6, bei dem der Karosserie-Rohbau unverändert blieb – bis hin zu radikalen, wie beim Wechsel vom kantigen T3 der Achtziger Jahre mit Heckmotor und Hinterradantrieb zum T4. Mit quer eingebautem Frontmotor und Vorderradantrieb beerdigte dieser die Ära der Frontlenker-Bulli. In Sachen Drama legt der jetzige Sprung zum ID.Buzz hier noch eine gehörige Schippe drauf. Der Motor und der Achsantrieb wandern nun wieder nach hinten, mit seiner E-Maschine und der flach zwischen den Achsen platzierten Batterie hält ein gänzlich neues, zeitgemäßes Antriebskonzept Einzug in den Bulli.

Schon beim ersten Blick auf den ID.Buzz fällt die Prognose nicht schwer, ihm eine glanzvolle Karriere vorherzusagen: Kein anderes E-Auto kann aktuell mit so viel Charisma punkten wie der E-Bulli – zusätzlich zu all seinen praktischen Talenten. Die Designer haben es meisterhaft verstanden, die ikonenhaften Züge der ersten Bulli-Generation auf die Gegenwart zu übertragen. „Ein besonde­res Design-Merkmal des ID.Buzz ist diese Sympathie, die er wieder zurück auf die Straße bringt“, erklärt auch Albert Kirzinger, Design­chef von VW Nutzfahrzeuge. Und sein Kollege Jozef Kaban, Leiter des Volkswagen-Designs, ergänzt: „Der T1 – eine Ikone der 1950er Jahre – hat den Menschen Mobili­tät und Freiheit ermöglicht. Mit dem ID.Buzz übertragen wir diese T1-DNA in die heutige Zeit und damit in die Ära der Elektromobi­lität.“

Die Fans einer Neuinterpretation des seligen T1-Busses freilich warten schon lange auf eine Umsetzung, gab es einen ersten Appetithappen doch schon vor mehr als zwei Jahrzehnten: Auf der NAIAS-Motorshow 2001 in Detroit zeigte Volkswagen die „Microbus“-Studie, die in Länge, Höhe und Radstand erstaunliche Parallelen zum heutigen ID.Buzz aufwies. Als Antrieb diente damals ein VR6-Benzinmotor mit 231 PS. Entworfen im VW-Designcenter in Kalifornien, sollte der Microbus den Erfolg des Ende der Neunziger Jahre gelaunchten Retro-Volkswagens „New Beetle“ auf der Bulli-Ebene wiederholen. Doch daraus wurde nichts, der Microbus verschwand genauso in der Versenkung wie der zehn Jahre später in Genf präsentierte „Bulli-Concept“. Der Traum vom Neo-Bulli wurde endlich greifbarer, als Volkswagen 2017 die Studie „ID.Buzz“ erneut auf der Messe in De­troit vorstellte, das Vorjahres- Showcar der CES „BUDD-e“ zeigte optisch zu wenig Anleihen an den Ur- Bulli. Mit dem flammneuen MEB wurde das Konzept umsetzbar – die heutige Serienversion weicht nur marginal von dem Showcar ab.

Bei allem Bezug zum Ur-Bulli aber wahren die Schöpfer des ID.Buzz die feine Balance, sein Design nicht in den Retro-Kitsch abrutschen zu lassen.

Zentrales gestalterisches Element ist die V-för­mige Front zwischen den Scheinwerfern. Waren letztere beim Urahn als ovale Bilux-Einheiten ausgebil­det, jawohl: Halogen-Licht war erst ab Mitte der Siebziger Jahre für den Bulli verfügbar, so zieren heute LED-Units in Wannenform die Bulli-Front, schlagen optisch eine Brücke zu den Technik-Brüdern ID.3 und ID.4. Und wie bei ihnen gibt es auch für den E-Bulli optional das prima Matrix-Licht IQ.Light, das mit der menschlichen Pupille nachempfundenen LED-Quellen den Charme der Front spürbar erhöht. Für noch mehr Emotionen begrüßen sie den Fahrer beim Nähertreten mit einem Lichtspiel. Natürlich prangt in diesem Falle auch die von anderen VW-Modellen bekannte LED-Querspange an der Front, die vom Markenlogo durchbrochen wird. Dieses fällt besonders groß aus – der T1 lässt grüßen. Auch die LED-­Rück­leuchten mit optionalen Wischblinkern sind durch eine Licht­spange verbunden. Genauso stilprägend wirkt sich die Dimensionierung aus: Mit 2,99 Metern Radstand liegt der ID.Buzz bis auf wenige Millimeter auf dem Niveau des T6.1, doch zeigt er sich mit 4,71 Metern Länge fast 20 Zentimeter kürzer. Daraus resultieren extrem kurze Überhänge – eine weitere Brücke zum T1, wie Kirzinger erklärt: „Beim T1 sitze ich quasi auf der Vor­derachse – es gibt fast keinen vorderen Überhang. Jetzt, mit allem, was heute an Sicherheitsrelevanz und Technik notwendig ist, hat der ID.Buzz dennoch einen super kurzen Überhang. Sogar hinten. Diese Art von One-Box-Design bietet kein anderes Auto.“ Neben den optischen Vorzügen punktet das Konzept mit einer überlegenen Ausnutzung der Verkehrsfläche. Bei 1,99 Metern Breite übertrifft der ID.Buzz den T6.1 um satte acht Zentimeter, bleibt mit 1,94 Metern Höhe einen Fingerbreit unter der des Bruders. Durch seine Kürze findet sich der E-Bulli noch besser im City-Verkehr zu­recht als gewohnt. Dazu trägt auch der enorm kleine Wendekreis bei, der mit gerade einmal 11,1 Metern fast einen Meter kleiner ausfällt als beim T6.1. Große Räder mit Felgendimensionen von 18 bis 21 Zoll prägen die Seitenansicht, und selbstverständlich bietet Volkswagen für den Stromer wieder die kultige Zweifarb-Lackierung an – eine Reminiszenz an die Wirtschafts­wunderzeit. Vier Farb-Kombinationen sind möglich, dazu gibt es Uni-, Perleffekt- und Metallic-Lackierungen. Nicht weniger als elf Varianten werden zum Marktstart angeboten.

Fahraktiv dank aufwendiger Hinterachse

Möglich werden diese Proportionen erst durch Volkswagens Modularen E-Antriebs-Baukasten MEB, auf dem auch die ID.-Brüder und weitere E-Autos des VW-Konzerns aufbauen. So kommt der ID.Buzz mit McPherson-Federbeinen an der Front sowie einer aufwendigen Vierlenkerachse mit zentral integrierter E-Maschine an der Hinterhand, die Längs- und Querkräfte optimal aufnehmen kann. Zentral dazwischen platziert ist die Batterie, die für ein tiefen Schwerpunkt sorgt – gute Voraussetzungen für ein sicheres wie dynamisches Handling. Zum Marktstart wird die große 77-­kWh-Bat­- terie (brutto: 82 kWh) mit 400-Volt-Technik angeboten, die E-Maschine leistet 150 kW (204 PS). Volkswagen setzt hier auf einen permanent erregten Synchronmo­tor (PSM), der mit einem besonders hohen Wirkungsgrad von über 90 Prozent glänzen kann. Der Rotor des Motors ist bei dieser Bauart mit Dauermagne­ten bestückt. Satte 310 Newtonmeter sorgen für einen freudvollen Vorwärtsdrang, der bei 145 km/h elektronisch begrenzt wird. Angaben zu Verbrauch, Reichweite und Gesamtgewicht standen zum Zeitpunkt des Redaktions­schlusses noch aus. Bereits bekannt aber war die An­hängelast, die mit 1.000 Kilogramm eher auf kleinere Hänger zielt. Und der cW-Wert: Mit klasse 0,285 bringt der ID.Buzz gute Voraussetzungen für eine wirklich große Reichweite mit.

Geladen wird der E-Bulli an der Wallbox mit 11 kW (AC). Richtig flott klappt das Nachfassen gleichwohl an der Gleichstrom-Säule: Hier fasst der VW mit bis zu 170 kW nach – ein neuer Bestwert für den MEB-Baukasten. Das Laden von 5 auf 80 Prozent gelingt damit in etwa einer halben Stunde. Und auch bei der Authentifizierung weiß der E-Bulli zu verwöhnen: Via „Plug&Charge“ kommuniziert sein Stecker nach ISO-15118-Standard direkt mit einer entsprechend ausgerüsteten Säule – RFID-Ladekarten waren gestern. Einstöpseln und direkt Strom fassen – einfacher geht es kaum. Und noch ein spannendes Ladefeature gibt es für den ID.Buzz: bidirektionales Laden. Damit kann der VW beispielsweise überschüssige Energie der heimischen Photovoltaikanlage zwischenspeichern, um sie am Abend wieder in das Hausnetz zurückzuspeisen. So mutiert der E-Bulli zum zentralen Baustein des heimischen Stromnetzwerks.

Bekannte Bedienelemente der ID.-Familie

Der Fahrer sitzt hoch platziert, ähnlich wie beim T6.1 auf einem „Captain- Chair“ mit Armlehnen – ganz so, wie Generationen von Bulli-Fahrern es lieben. Optional gibt es auch einen besonders vielfältig einstellbaren Ergonomie-Sessel. Auf der Lenksäule platziert: das Zentral-Instrument in 5,3-Zoll-Größe zur Anzeige von Geschwindigkeit, Ladezustand, Navi-Anweisungen und ähnlichem – so, wie man es von ID.3 und Co. kennt. Im Gegensatz zu ihnen aber ist der Fahrmodus-Schalter nicht daran angeflanscht, er sitzt auf dem rechten Bedienhebel der Lenksäule. Damit wählt man die reguläre Fahrstufe „D“, die besonders für den City-Verkehr
gedachte Fahrstufe „B“ mit ausgeprägter Rekuperation und den Rückwärtsgang. Auch das Knöpfchen für die Parkbremse sitzt hier. Der zentrale Touchscreen misst je nach Ausstattung bis zu 12 Zoll, die Bedienung klappt wahlweise auch via Sprache. Das gelingt richtig gut, erfolgt die Auswertung doch auch über die zentralen Volkswagen-Server – der ID.Buzz ist selbstverständlich stets online. Direkt darunter: ein Slider zur Steuerung von Lautstär­ke, Sitzheizung und Temperatur, sowie Schnellwahltasten für Fahrmodus, Klima, Parken und Assistenten. Auch der Warnblinkschalter ist hier platziert. Eine Ambiente-Beleuchtung mit 10 Farben ist Serie, wahlweise sind sogar 30 Farben lieferbar. Ebenfalls an Bord ist das ID.Light, ein schmales Lichtband, das unterhalb der Windschutzscheibe beispielsweise Abbiege-Anweisungen des Navi mittels Lichtführung untermauert.

Die Koppelung des Smartphones erfolgt drahtlos, genauso wie sein Laden (optional). Dabei haben die Ingenieure an die Sicherheit gedacht und die Ablage so konzipiert, dass eine Bedienung während der Fahrt ausgeschlossen ist. Bis zu acht USB-C-Schnittstellen versorgen elektrische Gadgets mit Strom, der Beifahrer findet seine Schnittstelle in der Türablage – praktisch. In Sachen Assistenz zeigt sich der ID.Buzz state-of-the-art: Das Nahfeld-Gefahrenwarnsystem Car2X ist dabei genauso Serie wie Front- und Lane Assist. Weitere modernste Assistenten sind verfügbar – bis hin zum Travel Assist, mit dem der ID.Buzz autonom nach Level 2 fahren kann. Der ID.Buzz bietet hier eine smarte Ausbaustufe der Automatik mit Schwarm- intelligenz, bei der Erfahrungsdaten anderer Autofahrer mit in die Berechnung der Spurführung einfließen. Damit ist sogar ein assistierter Spurwechsel auf der Autobahn möglich. Der Park-Lenkassistent kommt mit Memory-Funktion, parkt auf einer zuvor abgespeicherten Strecke automatisch ein. Übrigens: Updates für die Software holt sich der ID.Buzz ganz komfortabel over the air, ein Werkstattbesuch erübrigt sich somit.

Bis zu vier Kubikmeter Laderaum

Zwei Schiebetüren ermöglichen den Zugang zum Fond, wahlweise motorisch betrieben. Dort gibt es eine Zweiersitzbank und einen Einzelsitz, die getrennt voneinander um 150 Millimeter verschoben, in der Lehnen-Neigung variiert oder umgelegt werden können. Dann liegt das Transportvolumen bei 2.205 Litern, 1.121 Liter Gepäck reisen im ID.Buzz bei voller Sitzbelegung mit.

In Sachen Ausstattungslinien lehnt sich der ID.Buzz an seine ID.-Brüder an: Trend-, Comfort- oder Highline sind dabei ebenso out wie die neuere Life-, Style- und R-Line-Nomenklatur. Zur Markteinführung startet der ID.Buzz mit der großen Batterie als „Pro“-Version. Dafür hat VW Nutzfahrzeuge ein sehr umfangreiches Grundausstattungspaket geschnürt: 19-Zoll-Alu-
felgen mit 235/60- und 255/50-Pneus (VA/HA), zwei Schiebetüren, Umfeldbeleuchtung, hinten abgedunkel­te Scheiben, Verkehrszeichenerkennung, 2Z-Clima­tronic mit Standklimatisierung, Multi-Lenkrad, Parkpiep­ser rundum, Qi-Lader fürs Handy, DAB+ und App-Connect, Radio mit Vorbereitung zur Navi-Frei­schaltung – alles ist bereits an Bord. Etwas später wird die Einstiegsver­sion „Pure“ mit kleiner Batterie nachgeschoben.

Weitere Varianten sollen folgen

Volkswagen plant zudem eine weitere Aufbau-Variante mit langem Radstand. Und drei Sitzreihen. Und Captain-Chairs für hinten. Und vieles mehr. Doch das ist noch Zukunftsmusik. Bereits verfügbar aber ist der ID.Buzz Cargo, der zwei oder drei Passagiere in der ersten Reihe, im Fond zwei Europaletten oder bis zu knapp vier Kubikmeter Ladung aufnehmen kann. Carsten Intra, CEO von VW Nutzfahrzeuge, führt weiter aus: „Beide Versionen des ID.Buzz sind wegweisend im Hinblick auf ihre Nachhaltigkeit: Sie werden bilanziell CO2-neutral hergestellt und ausgeliefert. Außerdem kommen recycelte Kunststoffe zum Einsatz und das Interieur ist komplett tierlederfrei.“ Superlative am laufenden Band also. Bestellt werden kann der ID.Buzz ab Mai, die Auslieferung beginnt im September.