VW-Tochter PowerCo startet Batteriezellenproduktion in Salzgitter

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 · 18.12.2025

VW-Werk Salzgitter
Foto: Volkswagen AG
Nach drei Jahren Bauzeit produziert PowerCo erstmals Batteriezellen in Salzgitter. Die Einheitszelle soll Elektromobilität bezahlbarer machen.

Produktionsstart nach dreijähriger Bauphase

Die VW-Tochter PowerCo hat am 17. Dezember die Serienproduktion von Batteriezellen in ihrer ersten europäischen Fabrik aufgenommen. Nach rund drei Jahren Bauzeit auf dem Werksgelände in Salzgitter entstehen nun täglich die ersten Hundert Zellen der sogenannten Einheitszelle. Das Werk markiert einen historischen Wandel: Wo jahrzehntelang Verbrennungsmotoren für Dutzende Millionen Fahrzeuge produziert wurden, fertigt PowerCo künftig das Herzstück der Elektromobilität.

Die Produktion findet extremen Reinraumbedingungen statt. Beschäftigte tragen weiße Schutzanzüge, Masken, Hauben und Handschuhe. Einige nutzen sogar Helme mit externer Sauerstoffzufuhr über Rückenschläuche. Jedes Staubkorn, Haar oder Krümel könnte die empfindliche Zellfertigung stören. Die Schutzausrüstung dient sowohl dem Umgang mit Chemikalien als auch dem Produktschutz.

Der Hochlauf erfolgt schrittweise: Von einigen Hundert Zellen täglich soll die Kapazität auf 60.000 Einheiten pro Tag steigen. Dies entspricht einer Jahresproduktion von 20 Gigawattstunden - ausreichend für 250.000 bis 500.000 elektrische Fahrzeuge. Perspektivisch können sogar 600.000 bis 700.000 Zellen täglich entstehen. Bisher ist erst eine von zwei Produktionshallen bestückt. Die Inbetriebnahme der zweiten Halle hängt von der Marktentwicklung der Elektromobilität in Europa ab.

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Technologie und Aufbau der Einheitszelle

Die in Salzgitter gefertigte Einheitszelle basiert auf bewährter Lithium-Ionen-Technologie. Ihr Aufbau gleicht einer komplexen Lasagne mit 47 Kathodenblättern, 48 Anodenblättern sowie dazwischenliegenden Graphitschichten und Separatorfolien. Diese standardisierte Bauweise soll in 80 Prozent aller künftigen Elektrofahrzeuge der Konzernmarken zum Einsatz kommen und dadurch erhebliche Kosteneinsparungen ermöglichen.

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VW-Technikvorstand Thomas Schmall bestätigt, dass der Produktionshochlauf parallel zu zwei neuen Modellen erfolgt. Die Einheitszellen feiern ihre Marktpremiere in den Kleinwagen VW ID. Polo und Cupra Raval, die beide in Spanien gefertigt werden. Dort durchlaufen die Batterien finale Tests, bevor sie in die Serienfahrzeuge eingebaut werden.

Das Produktionsverfahren wurde bereits in China erprobt. Eine baugleiche Testanlage namens "Line zero" diente als Versuchsküche für die Abläufe. Nun unterstützen chinesische Fachkräfte den Anlagenhochlauf in Salzgitter und schulen deutsche Mitarbeiter - eine Umkehrung der traditionellen Rollen aus der Verbrennerwelt.

In den Salzgitteraner Laboren forschen Beschäftigte aus Dutzenden Ländern bereits an Zukunftstechnologien. Besonders Festkörperzellen als Batterien der nächsten Generation stehen im Fokus, um langfristig bei Innovationen wieder an die Weltspitze zu gelangen.

Strategische Positionierung im globalen Wettbewerb

Mit dem Produktionsstart positioniert sich der Wolfsburger Konzern als erster europäischer Automobilhersteller mit eigener Batteriezellenentwicklung und -fertigung. CEO Oliver Blume bezeichnet dies als starkes Signal und zentralen Baustein der Konzernstrategie. Die Eigenproduktion soll Position und Unabhängigkeit im globalen Wettbewerb stärken.

Automobilexperte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management sieht grundsätzlich Erfolgschancen, warnt aber vor der Herausforderung, große Kapazitäten zu wettbewerbsfähigen Kosten aufzubauen. Die Hauptkonkurrenten CATL, BYD und LG beherrschen den Markt und sind europäischen Herstellern um 10 bis 15 Jahre voraus. Bratzel bewertet den Einstieg in die Batteriezellenproduktion als richtige, aber verspätete Entscheidung.

Die Verspätung hat konzernpolitische Gründe: Während der Betriebsrat bereits 2010 für eine eigene Batteriefabrik plädierte, lehnte Ex-CEO Matthias Müller den Vorschlag 2016 als "Blödsinn" ab. Erst Herbert Diess stellte die Weichen für die heutige Fabrik. Diese Verzögerung erschwert nun das Aufholen gegenüber der etablierten Konkurrenz.

PowerCo plant, mittelfristig etwa die Hälfte des konzernweiten Batteriezellbedarfs selbst zu decken. Der Rest wird weiterhin von externen Lieferanten bezogen. Nach Salzgitter folgen 2026 und 2027 die Standorte Valencia und St. Thomas in Kanada mit ähnlichen Produktionskapazitäten.

Finanzierung und Zukunftsperspektiven

PowerCo wurde 2022 als hundertprozentige VW-Tochter gegründet und bündelt alle Batterieaktivitäten des Konzerns. Angesichts des Sparkurses im Mutterkonzern wurde das ursprüngliche Budget jedoch von 15 Milliarden Euro auf 10 Milliarden Euro reduziert. Statt ursprünglich geplanter sechs Batteriefabriken sind neben den drei aktuellen Standorten keine weiteren Werke vorgesehen.

CEO Frank Blome erklärt, PowerCo sei grundsätzlich ausreichend finanziert, prüfe aber externe Finanzierungsmöglichkeiten "intensiver als zuvor". Der Konzern meldete im dritten Quartal einen Verlust von 1,3 Milliarden Euro und kündigte ein knapperes Investitionsbudget an. Grund sind starker Wettbewerb in China, US-Zölle und der kostspielige Übergang zur Elektromobilität.

Das Batterieunternehmen sondiert bereits bei potenziellen Investoren und prüft verschiedene Optionen: externe Beteiligungen, strategische Partnerschaften oder einen Börsengang. Ein IPO wird jedoch erst nach dem erfolgreichen Hochlauf der Produktion erwartet. Blome betont, dass trotz der Diskussion um das Verbrenner-Aus der Glaube an den Elektrokurs unverändert bleibt.

Die Gesamtkapazität der drei geplanten Standorte soll bis zu 200 Gigawattstunden erreichen. Ursprünglich waren bis 2030 sechs europäische Batteriefabriken mit 240 Gigawattstunden geplant, doch die langsamer als erwartete Verbreitung von Elektroautos führte zur Anpassung der Ambitionen. Thomas Schmall beschreibt den aktuellen Stand als erste fünf Kilometer einer Marathonstrecke.


​Im Überblick

  • Standort: Salzgitter, Deutschland
  • Investitionssumme: Über 1 Milliarde Euro
  • Produktionskapazität: 60.000 Zellen pro Tag
  • Jahreskapazität: 20 Gigawattstunden
  • Fahrzeugäquivalent: 250.000 bis 500.000 E-Autos
  • Batterietyp: Lithium-Ionen-Einheitszelle
  • Kathodenblätter: 47 Stück
  • Anodenblätter: 48 Stück
  • Einsatzbereich: 80% aller VW-Elektrofahrzeuge
  • Kostenanteil Batterie: 30-40% der E-Auto-Kosten
  • Bauzeit: 3 Jahre (seit 2022)
  • Weitere Standorte: Valencia (Spanien), St. Thomas (Kanada)