Heiko P. Wacker
· 01.09.2021
Ein Raumwunder, das perfekte Auto für die junge Familie! Alex war begeistert, als er den T3 besichtigte, und begeistert ist er bis heute. Nur weiß er inzwischen, was für ein seltenes Schätzchen er da hat. Trotzdem nutzt die musikalische Familie den »LLE« ganz normal im Alltag.
Alex Brechter erinnert sich gut an den Erwerb des Wagens, und wie unbefangen er an die Sache im Jahr 2001 heranging. »Ehrlich, ich wusste nix vom Kult oder von einer limitierten Serie. Ich war einfach nur begeistert von diesem grandiosen Innenraum, von diesem Platzangebot, das war ja fast wie ein Konzertsaal«, staunt Alex noch immer, während er die Schiebetür aufzieht, die ob der Laufleistung erstaunlich gut flutscht, »das hab ich neulich mal auf Vordermann gebracht.« Auch der Innenraum wirkt gepflegt, und auch das ist nach über 360.000 Kilometern keine Selbstverständlichkeit. Doch was ist schon selbstverständlich, wenn man es mit einem LLE zu tun hat?
Die Geschichte der auf 2.500 Exemplare festgelegten Finalversion des letzten Heckmotor-Bullis aus der Alten Welt ist sattsam bekannt, die bei Steyr in Graz gefertigten Fahrzeuge sind ein zuverlässiger Blickfang auf jedem Bullitreffen. Selbst Aufkleber mit dem Slogan »Keiner von 2.500« finden sich, und spielen gekonnt mit dem Sonderstatus der LLE, den man dennoch neidlos anerkennen muss. Um so drolliger, dass Alex erst durch Olli Merbt, einem guten Freund und Arbeitskollegen von Gattin Andrea, auf die Kette bekam, was da jeden Tag genutzt wird.
»Natürlich sah ich den Aufkleber auf den Türen, als wir zur Besichtigung antraten. Das spielte aber keine Rolle. Auch nicht dafür, dass wir uns gegen den ebenfalls angebotenen T4 und für den T3 entschieden, es waren beides erst einmal Gebrauchsgegenstände«, versichert Alex, der dafür seinen Einser-GTI verkaufte.
Wichtiger als die Ziffer an der Tür war die bekannte Herkunft: »Die Erst- und die Zweitbesitzer fuhren auch mal gemeinsam in Urlaub, so wurde der Verkauf eingefädelt. Der Sohn der Erstbesitzer wiederum war der Realschullehrer meiner Kinder, wir machen heute noch zusammen Musik, und auch die Erstbesitzer im Nachbardorf kenne ich seit Jahren persönlich«, zudem sind die musikalischen Bande zur Zweitbesitzerfamilie eng. Es mag für Außenstehende ein wenig verwirrend erscheinen, doch durch reinen Zufall und die gemeinsame Liebe zur Musik ist der Wagen noch immer in all seinen bisherigen Haushalten beheimatet.
Alle wohnen im Umkreis von fünf Kilometern bei Offenau am Neckar nahe Heilbronn, das lohnt kaum das Vorglühen. Die Verbindungen wirken wie ein wildes Orchester, und am Ende entsteht eine wunderbare Melodie, die von den wahren Tugenden echter Nutzfahrzeuge kündet. Denn wenn es gilt, mit dem Nachwuchs zu musikalischen Events zu reisen, dann ist der Bulli immer am Start. Alex ist Jugenddirigent, in einem unbewachten Moment saßen schon mal 14 Kids zugleich im Auto, das oft als Massentransporter herhalten muss.
Nur Hänger mag der VW T3 keine mehr ziehen: »Anfangs hingen auch noch das Gepäck oder Mengen an Instrumenten am Haken, das macht nicht wirklich Spaß«, schmunzelt Alex, der dennoch nie über eine Leistungserweiterung nachdachte. Nicht beim zweiten und nicht beim dritten Motor, stets wurde wieder ein JX-Aggregat verbaut. Dass Motor Nummer 2 wegen eines in einer Fachwerkstatt (!) falsch verbauten Zahn-riemens übern Jordan ging, schmerzt ihn noch heute.
Noch schmerzhafter war ein heftiger Unfall im Dezember 2020, der Besitzer eines sportlich gefahrenen Wagens bayrischer Provenienz dachte, er könne mal noch eben diesem ollen Bus die Vorfahrt nehmen, der Crash bescherte Andrea heftigste Blessuren bis hin zum Schleudertrauma. Und auch dem LLE ging es nicht wirklich gut, die Front war zerstört, die Scheibe aus dem verzogenen Rahmen geflogen, der Boden im Führerhaus massiv kaltverformt – ein finanzieller Totalschaden. »Zum Glück war nicht mehr passiert, doch die Scherereien begannen noch vor dem Eintreffen der Polizei, die Herrschaften wurden sparrig«, erinnert sich Alex ungern an den Beginn langwieriger Streitereien, die ohne einen guten Anwalt und seine eigenen Mühen wohl nicht zur Rettung des LLE geführt hätten. Am Ende reiste er selbst durch die Republik, suchend nach den raren Teilen, die für den Limited charakteristisch sind, »die Stoßstange holte ich für 700 Euro in Chemnitz.«
Längst nämlich wissen Andrea, Alex, die vier Kinder Melanie, Sophia, Desiree,
Vanessa und Rottweilerhündin Narla, was sie am Bulli haben, der im gesamten Umfeld schlicht »Brechter’s Bus« genannt wird. Der in Orlyblaumetallic lackierte Wagen ist ohne Frage eine Persönlichkeit, die ganze Jahrgänge an Nachwuchsmusikerinnen und -musikern ebenso durch die Republik kutschiert hat wie die Kumpels vom Freundeskreis der Fallschirmjäger aus Nagold. »Da war ich selbst dabei. Heute sind wir ein Verein und treffen uns einmal im Jahr.« Und natürlich übernimmt der Achtsitzer den Personentransport aus der Region Heilbronn. »2018 war unser Treffen in Dresden«, erinnert sich Alex, um direkt mit Anekdoten zur bierseligen Männerrunde im T3 zu erheitern. »Aber auf dem Rückweg waren die alle nach einer halben Stunde am Schnarchen, das sah richtig goldig aus im Rückspiegel, richtig heimelig.« Ein Konzert der besonderen Art eben. Aber so ist das nun mal mit echten Nutzfahrzeugen: Man kann sich immer auf sie verlassen. Ganz egal, was kommt.
VW T3 Multivan Limited Last Edition