Heiko P. Wacker
· 04.10.2022
Karmann hatte schon früh enge Bande zu VW geknüpft, tragfähige zumal. Die ideale Basis also, um Mitte der 1970er-Jahre mit dem Karmann-Mobil ein völlig neues Reisefahrzeug auf dem Fundament des VW Bulli zu realisieren. Das eröffnete den Weg zu ungeahntem Camping-Luxus.
Mit ihren Reisemobilen auf Basis des VW T2 & T3 erschuf die Traditionsmarke Karmann echte Klassiker, was eine liebenswerte Tradition fortsetzte. Immerhin wusste man in Osnabrück seit Jahrzehnten, was sich aus einem Volkswagen so alles gestalten lässt. Das Käfer- wie das Golf-Cabrio fallen einem da sein, und nicht zuletzt der legendäre Karmann Ghia – ganz gleich, ob nun im zierlichen Trimm der 1950er-Jahre oder im mondänen Format eines Typ 34, wie wir ihn in dieser Ausgabe ab Seite 26 vorstellen dürfen. Doch so opulent der Große Karmann ist, die beiden Protagonisten dieser Geschichte stellen ihn in den Schatten. Denn zwar ist man mit jedem dieser Fahrzeuge gern gesehener Gast auf einem Oldie-Treffen. Doch nur in den Reisemobilen kann man auch selbst Gäste willkommen heißen. Platz gibt es genug rund um die U-förmige Sitzgruppe im Heck, in Sachen Nutzwert und Raumgefühl spielt das charmante Fernweh-Duo in einer eigenen Liga.
Alles begann vor rund fünfzig Jahren – und in Südafrika, genauer im Transvaal. Dort baute die Firma Jurgens auf Basis des noch sehr rundlich gezeichneten VW T2 die »Auto Villa« mit Hocherker. Diese Villa fand 1974 im Karmann-Mobil ein europäisches Pendant, das mit seinem gut gedämmten Aufbau, einem Mitteldurchgang, dem Bad mit Dusche und Toilette, der Küche und vor allem der Sitzgruppe im Heck bestach.
Auf genau solch ein Fahrzeug hatte es auch André Casper abgesehen, »auf meinen 64er Typ 3 Variant hatte ich irgendwie keine Lust mehr«, gibt er unumwunden zu, 2019 kam ihm in Spa die Idee, dass ein Karmann-Mobil genau das Richtige für ihn wäre. Auch das Original aus Südafrika sowie ein Umbau auf Linkslenker wurde durchgespielt, »schließlich habe ich mich aber doch für das Karmann-Modell entschieden«, vor zwei Jahren wurde er in den Niederlanden fündig. »Das Auto war die ideale Basis für eine rollende Restauration«, erinnert sich der stolze Besitzer, im Sommer 2020 konnte der fahrwerkstechnisch bereits durch ihn modifizierte Wagen zugelassen werden. »Auch die Gasanlage und eine bessere Motorkühlung waren wichtig, das fehlende Iso-Fenster am Heck konnte ich dank des Teilelagers eines guten Freundes ersetzen.«
Freudig blättert André durch die umfassende Dokumentation des einst für happige 42.000 DM verkauften Campers, »die inzwischen 80 Jahre alte Vorbesitzerin hat jeden Tankstopp notiert. Das Auto war in Norwegen, Polen, Frankreich oder Portugal«, Aufkleber auf der ausstellbaren Heckscheibe künden von den besuchten Städten oder Campingplätzen. »Einen bei Barcelona gibt es noch, da will ich mal hin.« Technisch dürfte dies dank des überraschend guten Zustands kein Problem sein, und optisch erst recht nicht. »Vor allem, wenn ich den Wagen von schräg vorne anschaue und die Schriftzüge sehe, gefällt er mir am allerbesten.«
Der Innenraum wurde inzwischen komplett aufgearbeitet, neue Bezüge und neue Auslegeware geben dem Camper einen sehr stimmigen Stil. »Nur so richtig im Campingurlaub waren wir noch nie«, schmunzelt André, dem Ausfahrten auf Treffen zunächst wichtiger waren. Im Sommer 2023 soll es immerhin ins Aosta-Tal gehen, und dieses Jahr nach Hessisch Oldendorf und aufs European Bug-In. Die Chancen
stehen also gut, das extrem rare Auto mal in der freien Wildbahn zu erblicken, »von den rund 200 Stück, die gebaut wurden, sind im Moment so 14 bekannt«, erklärt André diesen spannenden Part der Reisemobilgeschichte.
Diese wurde 1979 direkt fortgeschrieben. Mit der Einführung des T3 passte Karmann den Innenraum einfach den neuen Abmessungen an: Im Grunde blieb man dem Grundriss treu, wie er sich auch schon im traditionellen Wohnwagen bewährt hatte. Allerdings kam nun wieder der Alkoven ins Spiel, wie ihn schon teilweise die südafrikanischen T2-Modelle über dem Führerhaus hatten. Hier entstand zusätzlicher Schlafraum, wie er bald in vielen Wohnmobilen zu finden war. Auch der Sven Hedin von Westfalia auf Basis des VW LT hatte das charmante Feature.
Ein nicht minder charmanter Name wurde nun auch dem Karmann-Camper spendiert: »Gipsy«. Marco Ullrich wurde durch einen guten Freund auf die Idee zu solch einem Fahrzeug gebracht, »alleine der Platz im Innern, das ist schon irre«, freut er sich über das Raumwunder auf Basis des VW T3. Sein 1987er-Modell fand er im Ruhrgebiet,
wobei der originale Turbodiesel schon bei der Rückfahrt in die südthüringische Heimat infrage gestellt wurde. Speziell lange Autobahnsteigungen nervten. „Ich dachte zunächst an einen großen Wasserboxer mit 112 PS, ein Kumpel hatte jedoch noch einen 2,2 Liter großen Subaru-Boxer in Reserve. Der klingt fast noch besser als das Volkswagen-Aggregat.“
Der aus einem 1989er-Legacy stammende Motor gönnt sich rund 12,5 Liter auf 100 Kilometer. Auf die H-Zulassung verzichtet Marco bewusst, finanziell macht sich dank Saisonkennzeichen von April bis September kein großer Unterschied bemerkbar, »und in der schmuddeligen Jahreszeit steht das Auto ohnehin in einer trockenen Halle, bewegt wird es nur bei schönem Wetter.« Eine saftige Behandlung des Unterbodens mit Karosseriefett war dennoch aus seiner Sicht alternativlos, und auch die originale Luft-Standheizung von Truma ist am Start.
Um die 136 Subaru-Pferde im Zaum zu halten, wurde an der Vorderachse die Bremsanlage des Audi A6 montiert, während der komplett originale Innenraum lediglich mit einem gemütlicheren Bodenbelag versehen wurde – man merkt, dass Marco sehr gerne in seinem Camper sitzt, den Charme der 1980er-Jahre ebenso genießend wie das opulente Raumangebot. Wenn er, und das gilt für Herrn Caspers T2-Karmann ganz genau so, Gäste zuerst zum Rundgang und dann am Ende der Schlossführung zum Kaffee in die Hecksitzgruppe bittet, ist das Staunen ob dieser Zeitreisekapsel garantiert. Plüschig, gemütlich, ganz im gedeckten Stil der Achtziger fühlt man sich eher in einem Wohnzimmer denn in einem VW.
Zudem handelt es sich um ein recht seltenes Wohnzimmer, wurden doch die meisten der ohnedies raren Karmann-Camper im harten Camper-Leben verschlissen. Zum Teil lag dies sicherlich am auf Winterfestigkeit getrimmten Konzept: Eine Profilstahlbodengruppe trägt den Aufbau, bestehend aus einem Holzgerippe, auf dieses kamen dann innen vier Millimeter starke Sperrholzplatten, und außen Alublech. »Isoliert wurde mit Styropor, 25 Millimeter dick«, erklären die beiden Besitzer im Duett, denn hier gab es bei Karmann keine Änderungen zwischen T2 und T3.
Und auch im Design blieb man sich treu, die farblich abgesetzten Streifen geben den beiden Campern einen ganz besonderen Chic auch wenn der T2 im Laufe der Jahre einen Farbstreifen verlor. Frühe Werbefotos aus Osnabrück zeigen das Modell noch mit einem einzelnen, recht breiten Balken in Rotorange auf Höhe der Türgriffe des Fahrerhauses. Der Optik schadet dies freilich nicht, wobei sich der ältere der beiden Karmann-Bullis seinen Spitznamen »Schnecke«, durchaus verdient hat, von der Seite betrachtet hat der Aufbau wahrlich den Stil eines Schneckenhauses. Und auch in anderer Hinsicht passt der Vergleich, und zwar für beide Fahrzeuge: Denn sowohl Marco als auch André haben ihr mondänes Zuhause auf Rädern stets gesattelt. So schaut Osnabrücker Camping-Luxus aus.
VW T2b Karmann Mobil
VW T3 Karmann Gipsy