Martin Santoro
· 05.10.2022
Zwei Männer, eine Leidenschaft: Gölfe-Schrauben. In ihren Sammlungen befinden sich erlesene Exemplare wie etwa die Sondermodelle des Golf 2 GTI »Edition One«, beide in der G60-Topversion. Einer original und wie aus dem Ei gepellt, der andere ein Unikat mit zornigem 2,1-Liter 16V G75.
Gebrauchte Golf 2 GTI waren lange Zeit sehr günstig, weshalb sie häufig verbastelt und verheizt wurden. Ein Schicksal, das auch Sondermodelle ereilte. Bedeutender Vertreter dieser Gattung ist der »Edition One«, von dem zwischen 1989 und 1991 rund 12.000 Exemplare entstanden. Begehrt wegen seiner üppigen Serienausstattung, einschließlich exklusiver Besonderheiten, legte ihn Volkswagen gleich in mehreren Antriebsstufen auf. Die Basis bildet generell ein 1,8-Liter-Vierzylinder, der beim GTI mit Achtventilmotor 107 PS leistet. Die stärkere Sauger-Version mit 16-Ventiltechnik kommt erst auf 139 PS Leistung, später mit G-Kat galt es, auf zehn PS zu verzichten. Wer ab 1990 zum Topmodell griff, verfügte mittels Zwangsbeatmung über satte 160 PS und 225 Newtonmeter Drehmoment. Seinerzeit katapultierte dieser Golf 2 GTI G60 Edition One seinen Piloten zum Gipfel der sportlichen Fortbewegung in der Kompaktklasse. Kein Großserien-Golf war stärker oder schneller, keiner war aber mit 37.500 D-Mark als Zweitürer im Grundpreis kostspieliger. Auszunehmen hiervon sind Kleinserien, wie der von Hand bei Volkswagen Motorsport gefertigte Golf G60 »Limited« mit 210 PS starkem 16V-Motor und Synchro-Allradantrieb. Den hat VW nur 1989 für 68.000 D-Mark angeboten und lediglich 71 Stück in den Verkauf gegeben. Auch der Rallye-Golf G60 ist eine auf 5.000 Exemplare limitierte Synchro-Sonderserie mit Rechteckscheinwerfern und innenverbreiter- ten Kotflügeln. Für Ottonormalverbraucher waren 44.500 D-Mark schon ein großer Batzen Geld. 13.000 D-Mark mehr kostete die Ausbaustufe als Golf Rallye 16V G60 mit 210 PS. Aber gleich welchen Sondertyp man bevorzugt, mittlerweile erzielen unverbastelte Originale Höchstpreise. Ein »Limited« soll für schmerzhafte 110.000 Euro den Besitzer gewechselt haben, G60-Rallye-Versionen liegen bald bei der Hälfte dieser Summe. »Auch die Preise für unrestaurierte Edition One ziehen allmählich an«, bemerkt Patrick Fink-Colucci, der vor fünf Jahren den Zuschlag für eine originale G60-Version in gutem Zustand erhielt – für damals bereits stolze 12.000 Euro. Einen Preisverfall muss Patrick nicht befürchten. Mit 80-prozentiger Wertsteigerung pflegt er die gefragte Kapitalanlage wie ein Kleinod. »Der Optik wegen habe ich ein KW-Gewindefahrwerk montiert sowie originale BBS-Dreiteiler vom Typ RS 334 in 17 Zoll. Serie waren 15-Zöller. Das fährt sich jetzt noch knackiger. Eine Wertminderung ist bei derzeitiger Nachfrage nicht zu erkennen«, versichert der gelernte Schlosser.
Beim Rundgang um sein Prunkstück lässt sich erahnen, warum das Sondermodell schon vor 32 Jahren viele Bewunderer in Entzücken versetzte. Starten wir bei der Serienlackierung in Dark Burgundy Perleffekt, ein Exklusivangebot für Edition One-Käufer. Merkmale sind auch die chrombedampften hinteren Seitenscheiben plus Heckfenster sowie die entfallenen roten GTI-Zierstreifen am Kühlergrill. Extrabreite Radlaufabdeckungen identifizieren ihn als G60. Wer heute ein Set für die vorderen Kotflügel sucht, legt bis zu 1.000 Euro für diese Kunststoffteile an. Anders als beim GL-Stoßfänger fällt bei GTI-Varianten die Frontspoilerlippe breiter aus. Am Edition One sind die vorderen Blinker in Weiß ausgeführt, die Rückleuchten dagegen partiell verdunkelt. 16V-Antenne auf dem Dach sowie G60-Embleme an Front und Heck zieren das edle Golf-Angebot. Auf Feinheiten wie die geklebte Frontscheibe (nur G60) weisen Kenner hin. Generell erhielt die Sonderreihe einen Folienkleber links auf die Motorhaube mit Edition One-Schriftzug sowie WOB-Edition-Embleme anstelle der Seitenblinker. Profis identifizieren einen G60 auch mit Blick durch die Speichen der Antriebsräder: GTI und 16V haben vorn 14-Zoll große Bremsscheiben mit 54er Girling-Sätteln. Nur der G60 hat 15-Zoll große Scheiben bei gleichem Sattelmaß. Zudem ist der G60 ab Werk mit ABS ausgerüstet, was bei schwächeren GTI erst die Aufpreisliste bot.
Auch im Cockpit finden sich mehr Details. Wer seinen Edition One in Serie bestellte, bekam unter anderem Recaro-Sportgestühl mit dem Stoff »Avantage Streifen«, in Mauritiusblau-Blaurotsilber. Beim GTI ist die Rückenlehne mit einem »Edition«-Schriftzug bestickt, bei 16V und G60 prangt »Recaro« in großen Lettern drauf. Allein der 16V trägt seine Typenbezeichnung zusätzlich an den Kopfstützen. Die Liste an Besonderheiten und Abweichungen ließe sich noch endlos fortführen. Wir beschließen die Besichtigung mit einem Blick auf den Tacho. Patricks Instrumententräger ist analog ausgeführt, der Drehzahlmesser reicht bis 7.000/min. Bis 8.000 Umdrehungen geht die Nadel nur beim 16V. »Das hat VW genauso beim Digifiz-Tacho berücksichtigt«, bemerkt Patricks Schrauberkollege Jörg Dangel und führt uns zu seinem ein Jahr jüngeren Edition One. »Digitalinstrumente verkaufte VW als Extra. Bei meinem Auto wollte der Erstbesitzer auf das angesagte Gadget nicht verzichten. Heute muss man für einen gebrauchten Digifiz bis 2.500 Euro mit Kabelbaum berappen.« Darüber hinaus verbaute Jörg zeitgenössische und sehr seltene Stack-Zusatzinstrumente in die Mittelkonsole. Ansonsten verschweigt sein Sondermodell nicht den baustellenähnlichen Zustand. »Mein Edition One war schon vorher verbastelt und wurde neu im Originallack Dark Burgundy lackiert. Ich nutze den Wagen momentan als Versuchsträger, baue ihn aber irgendwann komplett original zurück«, erläutert der bekennende Vollzeit-Tuner. 16V-Biturbo, Oettinger 16S-G65 oder Oettinger 16V Turbo – das hat er alles schon für sich oder seine Kunden zusammengesteckt. Den Editon One rüstete er jüngst mit einem klassisch bearbeiteten 16V-Motor aus, erweiterte den Hubraum auf 2,1 Liter, zwangsbeatmet von einem G75-Spirallader, den Röttele Racing komplett in Eigenregie konzipiert hat. Für das nachrüstbare Komplettkit ruft der Motorsport-Spezialist knapp 4.300 Euro auf. Gut angelegtes Geld, das Jörgs Antriebs-Kombination laut Prüfstand satte 300 PS und 380 Newtonmeter abpresst. Nach reichlich Probekilometern auf der Straße demontiert Jörg derzeit die Maschine erneut, »um ein paar Modifikationen vorzunehmen«, wie er es ausdrückt.
Unter Liebhabern ist der G-Lader also längst nicht abgeschrieben: »Mit moderner Turbotechnik kann ich viel mehr Leistung heraus- holen. Aber mit G-Lader fährt sich der Golf so herrlich wie ein starker Sauger – giftig am Gas über das ganze Drehzahlband.« Jörgs Trauzeuge Patrick kann seinem Edition One-Mitstreiter nur zustimmen. Beide lächeln verschmitzt.
VW Golf 2 GTI G60 Edition One (Patrick)
VW Golf 2 GTI G60 Edition One (Jörg)