Heiko P. Wacker
· 24.10.2022
Sondermodelle? Die Würze in der Geschichte des Volkswagens! Dabei gab es immer mal wieder auch spezielle Auslands-Versionen, wie zum Beispiel den nordamerikanischen »La Grande Bug«. Ein Exemplar kam inzwischen zurück – mit nur 250 Meilen auf der Uhr. Trotz zweifacher Atlantiküberquerung!
Klaus Sonnenberg konnte es selbst nicht so recht glauben, als er die ersten Infos zu diesem Schmuckstück erhielt. Doch die Faktenlage ist eindeutig: Dieser 1975 gebaute Volkswagen Käfer hat in seinem Leben nicht mal eine einzige Tankfüllung konsumiert: »Man könnte also sagen, dass dieser Käfer dazu verdammt ist, nicht zu fahren«, schmunzelt Klaus, für den der Erwerb auch eine gewisse Art der Weiterbildung in Sachen Volkswagen war. »Offen gestanden wusste ich vor ein paar Jahren nicht einmal, dass es dieses Sondermodell überhaupt gab.«
Für die Hintergründe sei ein wenig in den Geschichtsbüchern des Käfers geblättert. Denn bis zu seinem Finale im Jahr 2003 wurden ihm über drei Jahrzehnte hinweg Sondermodelle verehrt. So feierte VW schon im Frühling 1972 mit 6.000 »Weltmeister-Käfern« das erfolgreichste Auto der, na ja, der Welt eben. Es gab aber auch Sonderaktionen, um den Absatz anzukurbeln. Man denke nur an die »Käfer der Käufer«, bestehend aus dem ersten »Jeans-Käfer«, dem »City« und dem „Big“, oder pekuniär besonders reizvolle Pakete wie den „Volkssparwagen“. Manche Sondermodelle wurden gar verschenkt, wie man spätestens seit dem »World Cup `74 Cabrio« von Jupp Heynckes weiß. Eigens für das DFB-Team wurden 25 Exemplare gefertigt, Jupps Exemplar war vor einigen Jahren ein großes Thema in der VW-Szene. Zudem gab es direkt im Ausland für lokale Märkte gefertigt Sondermodelle. Die 1994 lancierte Version »40 Jahre VW in Mexiko« sei hier beispielhaft genannt. Und dann gab es Autos, die in Deutschland für externe Märkte produziert wurden. Womit wir beim Star unserer Geschichte wären.
Den entdeckte Klaus Anfang Dezember 2016 im Internet, ein Händler in England hatte die Preziose just ins Angebot genommen. »Ich hatte noch nie irgendwo ein Angebot dieses Modells ›La Grande Bug‹ gesehen, obwohl angeblich 13.273 Exemplare gebaut worden sein sollen«, meint der passionierte Volkswagen-Sammler aus dem bayerischen Augsburg. »Und trotzdem ließ mich der angebotene Wagen nicht mehr los, man könnte wohl von Liebe auf den ersten Blick sprechen.«
Entsprechend rasch wurde aus der Fernbeziehung eine innige Verbindung: »Gut einen Monat später fuhr ich mit dem Hänger, handelseinig waren wir uns da schon, in dieses Örtchen nördlich von London.«
Alleine die Reise ist eine Erzählung für sich: »Den Tag über musste ich arbeiten, abends rollte ich dann in der Dämmerung los. Aber zügig – ich wollte die Fähre um vier Uhr in der Früh erwischen. Das klappte auch: Ich war der erste, der aufs Schiff durfte. Damit war ich aber auch er erste am Hafen. Im Morgengrauen war ich schon ein gutes Stück hinter Dover.« Der leidige Brexit war zwar beschlossen, aber noch nicht umgesetzt. Heute würde Klaus für solch eine Aktion deutlich mehr Hürden überwinden müssen. »Damals war die Müdigkeit mein größtes Problem, zudem war ich noch nie in England.« Dazu noch der Linksverkehr mit dem Hänger am Agrarhaken: Klaus machte am ersten Rastplatz ein verdientes Nickerchen. »Aber nicht lange, ich wollte ja das Auto haben – und das war wirklich so gut wie auf den Bildern oder im eigens gedrehten Film zu sehen.« Tags darauf erreichte der Käfer erstmals seit 1975 wieder deutschen Boden. »Bei eisigen 15 Grad unter Null, aber auch bei knochentrockenen Straßen. Ein traumhaftes Winterwetter begrüßte uns«, freut sich Klaus, der stets die Gefahr salziger Straßengischt sah. Doch die blieb dem Käfer erspart.
»Erworben wurde der 03 ursprünglich von einem VW-Händler in Lansing, der Hauptstadt des Bundesstaates Michigan – für die Tochter des Hauses«, berichtet der heutige Besitzer. »Parallel war ja aber der Rabbit, also der Golf, bereits im Handel. Der erschien den Eltern als das modernere, als das bessere Auto fürs Töchterchen. Also wurde der 1303er auf Jahrzehnte als Immobilie in den Fuhrpark des Autohauses gestellt.« Ob der Wagen im Schaufenster stand, das ist nicht bekannt. Auf jeden Fall wurde er mit Sorgfalt behandelt, bis ihn wohl 2007 ein Sammler nach England mitnahm. Doch auch dort wurde der Wagen nie wirklich bewegt, er wurde auch bis zum heutigen Tag niemals zugelassen, »eine echte Trailer-Queen sozusagen«, schmunzelt Klaus. »Der ist regelrecht zum Parken verdammt.« Doch genau so kann der 50-PS-Krabbler vom Auslieferungstag erzählen.
Das Modell »La Grande Bug« war für den nordamerikanischen Markt konzipiert und wurde in den USA in zwei Farbvarianten angeboten: Vipergrün-Metallic/Bambus oder Ancona-Metallic/Dunkelblau waren am Start, »in Kanada gab es noch eine dritte Version in Hellas-Metallic und Nussbraun«, erklärt Klaus, während er im Originalprospekt mit der geschwungenen Schrift blättert, der noch im Wagen lag. Abgeleitet war das Sondermodell vom »Sonnenkäfer«. Entsprechend war das Stahlschiebedach gesetzt, der »Grande« war ein in Richtung Luxus getrimmter Käfer.
1977 setzte die »Champagner Edition« des Käfers die Tradition in den Vereinigten Staaten fort – mit Cordbezügen auf den Sitzen, farblich zur Lackierung abgestimmten Innenverkleidungen, einem speziellen Schaltknauf, Holz am Armaturenbrett oder sportlichen Lemmerz-Felgen. Beworben wurde das Auto vollmundig als »America‘s newest luxury automobile«. Rein technisch gab es jedoch keine Spezialitäten: Im Heck werkelt der 1,6 Liter messende Einspritzer, ein Schriftzug auf der Motorhaube des feinen Krabblers kündet hiervon.
Trotzdem kann Klaus nicht sagen, welches Detail ihm besonders zusagt, »es ist einfach dieses perfekte Gesamtpaket, das mir so gefällt«, meint er. »Hier stimmt alles: Von der Farbe angefangen über den Innenraum bis hin zum Schiebedach ist alles so stimmig, das ich mich jeden Tag wieder verlieben könnte. Außerdem ist die Substanz einfach phantastisch. Dieses Auto hat nie Regen oder gar Salz und Schnee ertragen müssen!« Einzig die Innenseiten der Kotflügel seines Luxus-Käfers glänzen nicht mehr so spiegelnd wie am ersten Tag – Klaus hat hier eine dünne Schicht Transparentwachs zum Schutz aufgetragen.
Nicht, dass der einst in Emden gebaute Wagen viel erdulden müsste, zu Treffen reist die Queen auf dem Trailer. »Die meisten Meilen drehte ich ihm beim Fotoshooting auf den Tacho, jetzt sind wir schon fast bei 254«, erklärt Klaus beinahe bedauernd, wobei kurz nach dem Grande ein 1303 LS als Fahrmaschine in seine Sammlung kam.
Jedoch: »Der hat aber kein Schiebedach,
eigentlich doof«, grinst Klaus.
Aber so ist das eben mit echten Sammlerstücken, die ein Leben in stiller Würde führen dürfen – kündend von der Zeit, in der sie entstanden. Sie sind unverändert, sie sind stimmig – und einfach schön!
VW 1303 »La Grande Bug«