Joshua Hildebrand
· 24.10.2022
Der Traum vom eigenen Käfer ließ Adrian Murer aus der Schweiz nie los. Auch nicht jener von einem Wohnwagen … Die logische Konsequenz: ein Dickholmer-Käfer mit zeitgenössischem Dethleffs »Camper« als Anhängsel. Eine Geschichte vom großen Freiheitsdrang und dem urigen Gefühl der Einfachheit.
Ich packe meine Koffer und nehme mit: Meine Freundin, Bettwäsche und eine Zahnbürste.« Mehr braucht Adrian Murer (Tel. 0041-796137408) wahrlich nicht, um glücklich zu sein. Oder, um Campen zu gehen. »Ja, während verlängerten Wochenenden und VW-Oldtimertreffen haben wir schon mit und in unserem Gespann übernachtet – und brauchten nicht viel«, lacht Adrian, als er seinen urigen Camper für unser Foto-Team am Ufer des Vierwaldstättersees rangiert. Es ist zugleich das Zuhause des 34-Jährigen und seiner Lebensgefährtin – hüben wie drüben.
Mit Gespann meint der Schweizer aus dem naheliegenden »Beggäried« (deutsch: Beckenried; Anm. d. Redaktion) seinen Dickholm-Käfer samt klassischem Dethleffs-Wohnanhänger, beide von 1958 (übrigens reiner Zufall).
Adrian hat – wie soll es auch anders sein – eine Passion für alte Technik. Schon als Jugendlicher zeigt er großes Interesse an Dingen, die von anderen als Schrott tituliert wurden. Sich mit jenen zu befassen und wieder zum Leben zu erwecken, war für ihn schon als Kind ein großes Thema. Wen wundert es da noch, dass er bereits mit elf Jahren alte Mofas reparierte? Dass es dabei nicht blieb, können Sie sich wohl denken. Bereits kurze Zeit später nannte der VW-Fan eine Werkstatt im Heimatort, gemeinsam mit seinen Brüdern und ein paar Freunden, sein Eigen. Aus den Kleinkrafträdern waren inzwischen handfeste »Trackcars« geworden, wie Adrian uns am Käfer lehnend erzählt: »In Beggäried schraubten wir an unseren Autos. So lernte ich meine Freunde der Strohutgäng kennen, die bereits augenscheinlich dem VW-Oldtimer-Virus verfallen waren. Sie schraubten damals in der gleichen Halle und besaßen Käfer, T2-Busse und Golf 1 – ab diesem Zeitpunkt war es um mich geschehen.«
Adrian war begeistert von der einfachen Technik und dem kultigen Käfer-Design und importierte im Juli 2016 erstmals einen 65er-Modell aus Deutschland, nachdem er sich noch kurz zuvor als Zwischenlösung an einem Albar Buggy S austobte. Jedoch lief das erste Käfer-Projekt nicht ganz wie gedacht: »Das war ein Mega-Reinfall. Nach dem Sandstrahlen war von der Karosse nur noch ein Löchersieb vorhanden, daher musste ich diese Restauration abbrechen.« Nur zwei Monate später folgte der zweite Anlauf. Adrian hatte einen Dickholmer (große Heckscheibe ab 8/57 bis 7/64, nach Ovali) von 1958 entdeckt und machte sich samt Hänger auf den insgesamt 1.400 Kilometer langen Weg nach »Good Old Germany«. Genauer gesagt: nach Dortmund, um das neue Familienmitglied nach Hause zu holen. Sie ahnen sicherlich, wie lange diese Fahrt mit 80 km/h auf der rechten Spur gedauert haben muss … Glücklicherweise war der Rechteck-Krabbler bereits fast zerlegt und ein paar Schweißarbeiten waren auch schon ausgeführt worden, so dass der leidenschaftliche Schrauber bereits wenige Tage später mit dem Nussschalen-Strahlen fortfahren konnte. Es folgten alle Spenglerarbeiten der Bodengruppe sowie der Karosserie, die anschließende Pulverbeschichtung und schließlich – nach einer kurzen Winterpause – vom Azizi Spritzwerk in Ennetbürgen die Originallackierung in Kalahari-Beige (L343).
Neue Kabelstränge und die Umrüstung auf 12 Volt sind bei einer derart vollumfänglichen Restauration Ehrensache – so wie ein »g‘scheiter« Motor mit ordentlich Feuer unterm Deckel. Hier tobt ein mächtiger 2,2-Liter-Typ 1! Ein neuer Block, eine geschmiedete 78er Welle, 94er Kolben und H-Pleuel treffen auf eine C45-Nockenwelle von Scat und CB-044-Köpfe mit 42er Einlass und 37,5er Auslassventilen. Weber-Vergaser (44 IDF), eine 123-Ignition-Zündanlage (Tune+) sowie eine Super-Competition-Abgasanlage von CSP runden die Komposition ab, die samt Getriebe von JPS Aircooled sowie der Zündpunkt GmbH eingebaut und sauber abgestimmt wurde. Das Powerpaket qualifiziert sich vor allem dank der Leistung von rund 140 PS sowie seiner 230 Newtonmeter als ideales Zugfahrzeug, dessen sportive Ader man auf den ersten Blick gar nicht vermuten würde – zu gemütlich scheint der Anblick.
Doch der Schein trügt. Das erklärt auch, warum Adrian im Beisein seines Käfers so gut wie immer ein Lächeln auf den Lippen trägt. Erst recht, wenn er das Triebwerk zum Leben erweckt – dem fülligen Sound der Weber-Doppelvergaser sei Dank. Immerhin ist der Dethleffs »Camper« (dazu gleich mehr) ja nicht immer am Haken. Das hängerlose Befahren des Gotthard-Passes oder fernere Ausflüge, zum Beispiel nach Cannobio (Italien), stellen sich als besondere Leckerlis heraus. »Weil ich es gern genau nehme, manchmal vielleicht auch etwas pingelig bin, war mir neben einer schönen Optik eben auch eine sauber funktionierende Technik und angenehmes Fahren sehr wichtig.« Daher bekam der Käfer neben BRM-Felgen in 5,5 x 15 Zoll eine gekürzte Cagero-Tieferlegungsachse, Stabis und 36-fach verstellbare Stoßdämpfer von Gaz Shocks. Zusammen mit den innenbelüfteten CSP-Scheibenbremsen an der Vorderachse ist der Dickholmer erstklassig ausgerüstet und weit von einem Serienmodell entfernt. So ist´s auch okay, dass sich im restaurierten Innenraum hinter der Radioblende drei VDO- Zusatzinstrumente für Öldruck, -temperatur und Drehzahl befinden. Öffnet man das Handschuhfach, so kommt sogar ein DAB-Radio und eine 12-Volt-Steckdose zum Vorschein – ein bisschen Luxus muss sein.
Doch auch wenn Adrian den Serienmotor noch zuhause liegen hat, würde er nur ungern wieder zurückrüsten. Zu schön sind die spritzigen Ausfahrten und das sorgenfreie Camper-Ziehen, auch bergaufwärts. Bis es jedoch so weit kommen konnte, verbrachte Adrian täglich vier bis sechs Stunden in seiner Halle – und das neben seiner vollen Festanstellung. Die komplette Restauration des Käfers nahm neun Monate Zeit in Anspruch.
Hinzu kamen sechs Monate für das kleine Anhängsel dahinter, welches gar nicht mehr so klein ist, wenn sich das Hubdach öffnet. Nicht irgendein schnöder Anhänger, sondern zugleich auch ein Aufhänger dieser Geschichte: der Dethleffs-Faltwohnwagen namens »Camper« von 1958, der nach Herstellerangaben als Leichtgewicht mit nur rund 200 Kilo auch problemlos von einem Goggomobil gezogen werden konnte. Damaliger Neupreis: knapp 2.000 D-Mark. Adrians Käfer dürfte mit dem Ziehen der eigenen vier Wände leichtes Spiel haben.
Alles andere als leicht war hingegen dessen Restauration: »Die größte Herausforderung war für mich das Arbeiten mit neuen Materialien wie Holz und Stoff«, erzählt uns der Verkaufsberater für Energie- und Regelungstechnik. Als er den gleich alten Dethleffs »Camper« tatsächlich vom Nachbarn kaufte, war er nicht komplett – es fehlte der komplette Stoff zwischen Ober- und Unterteil sowie die gesamte Polstergarnitur. Glücklicherweise hatte der Verkäufer einen zweiten, etwas breiteren Dethleffs-Wohnanhänger desselben Typs, so dass Adrian viele Maße übernehmen konnte.
Zunächst mussten neue Hölzer und Chromstahlbleche angefertigt werden, bevor sich der Schweizer der Inneneinrichtung widmen konnte. »Da ich jemanden finden wollte, der sich mit Dethleffs Campern auskennt, recherchierte ich ganze vier Wochen, bis ich dann endlich einen Sattler in Ostdeutschland fand. Er hat damals für einen anderen Dethleffs-Wohnwagen den Stoff genäht.« Darüber hinaus bekam der smarte »Strohhutgänger« weitere Hilfe: Seine Freundin Evelin und ihre Mutter (leidenschaftliche Näherin und Eigentümerin des Geschäfts »Fadengrat«) schneiderten perfekt die zeitgemäße Innenausstattung.
Als dann gottlob alles fertig und zur Zufriedenheit des Schweizer VW-Fans war, musste das 58er-Doppelgespann im Juni 2017 nur noch dem örtlichen Straßenverkehrsamt vorgeführt werden, um die offizielle Betriebserlaubnis zu erlangen. Seither steht das Genießen an oberster Stelle: Adrian liebt es mit Freunden auf Treffen zu fahren und die Passion des Käfer-Fahrens (und auch ein bisschen des Campens) mit Gleichgesinnten zu teilen. Dabei lässt er auch gerne die Zeit vor Projekt-Fertigstellung Revue passieren: »Das waren sehr intensive, herausfordernde, aber auch lehrreiche Monate – immer mit dem Ziel einer möglichst originalgetreuen Restauration vor Augen.«
Probleme gab es während der Reinkarnation viele, immer wieder mussten neue Lösungen gefunden werden. Ein Umstand, den wohl jeder Schrauber kennen dürfte. »Ich weiß gar nicht mal, ob ich das alles so hin bekommen hätte, wenn ich nicht Stefan Eyerich, meinen deutschen Kumpel und Kollegen gekannt hätte. Weil er zeitgleich einen Dickholmer restauriert hat, verfügt er über ein riesiges Fachwissen und hilft mir auch heute noch.« Und weiter: »Wir hoffen, dass sich die Lage in Zeiten von Corona entspannt und wieder etwas Normalität einkehren wird. Wir haben uns schon mit Freunden zum Campen verabredet und möchten diesen Sommer mehr nutzen als in den vergangenen Jahren.«
Gespannt hören wir zu, während wir im halboffenen Camper auf den sonnenbeschienenen See blicken und die Augen in die Ferne schweifen lassen. Und ja, es scheint magisch. Bereits in dieser kurzen Zeit des Gastseins haben wir verstanden, was Adrian und seine Freundin bewegt: ein unbeschreiblich uriges Gefühl der Einfachheit, welches in vergangene Zeiten eintauchen lässt …
Wir jedenfalls haben dadurch die ganz besondere Liebe zum Campen entdeckt. Und sagen: Merci vilmal, macheds guet!
VW 1200 Export