Vergleichstest VW Tiguan 1.5 TSI DSG vs. Audi Q3 35 TFSI S-TronicFamilien-Klasse

Unbekannt

 · 17.08.2021

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Foto: Jan Bürgermeister

Audi Q3 und VW Tiguan sind beliebte Kompakt-SUV und basieren auf derselben Plattform. Sie erfüllen aber recht unterschiedliche Ansprüche, wie ein Vergleich mit den beliebten 150-PS-Benzinern zeigt

Kompakte SUV, wie Audis Q3 und der Volkswagen Tiguan punkten primär mit Platz, Variabilität, Komfort und Sicherheit. Sie kommen sehr stylisch daher und erfüllen einen Großteil aller Transportaufgaben. Außerdem sind die Zusatzkosten bei Anschaffung und Kraftstoff-Verbrauch gegenüber Kompakt-Modellen wie Golf und A3 überschaubar, weshalb SUVs der Familienklasse in der Käufergunst nicht grundlos weit vorn liegen. Doch welchen nehmen? Wir bitten beide mit dem Einstiegsmotor zum Vergleich. Die Allrounder kommen mit 150 PS-Turbobenziner und Siebengang-DSG – was gleichermaßen Fahrspaß und -Komfort verspricht.

Der Tiguan tritt mit dem bewährten 1,5-Liter TSI-Vierzylinder mit spritsparender Zylinderabschaltung ACT an. Audi geht im Falle des Q3 35 TFSI S-Tronic seit letzten Sommer einen Schritt weiter und koppelt an den gleichen Motor ein Mild-Hybrid-System. Das bedeutet zusätzliche Unterstützung von einem 48-Volt-Riemen-Starter-Generator (RGS), der beim Bremsen bis zu 12 kW Leistung zurückgewinnt. Gespeichert wird die Energie in einer kompakten 48-Volt-Lithium-Ionen-Batterie, die sie beim Anfahren und Beschleunigen über den RGS mit maximal 9 kW in Vortrieb umsetzt. Über diese Boost-Funktion mit kurzzeitig 50 Nm Extra- Drehmoment hinaus, erlaubt das System Segeln mit abgeschalteten Motor. So soll der Audi nicht nur agiler, sondern auch verbrauchsärmer sein. Was die Zusatztechnik wirklich bringt, klären wir später im Kapitel Fahren. Zunächst befassen wir uns mit den Alltagsqualitäten der Kontrahenten, die beide auf der gleichen Plattform MQB-A2 basieren, jedoch sehr individuelle Ausprägungen bieten.

Zwei Charaktertypen auf 4,50 Meter Länge

Rein optisch ist die Verwandtschaft der Konzernbrüder auf den ersten Blick nicht zu erkennen. Trotz nahezu identischer Länge und Breite wirkt der etwas flachere Q3 deutlich kompakter als der Tiguan. Dieser Eindruck setzt sich im Innenraum fort, wo der kubische VW etwas großzügiger mit Ablagen punktet. Die großen Fächer am Dachhimmel schaffen selbst dort Platz, wo eigentlich gar kein Stauraum ist. Zudem dürfen sich die Fondpassagiere nicht nur über etwas mehr Kopf- und Beinfreiheit freuen, sondern auch über den bequemeren Einstieg durch größere Türöffnungen. So lassen sich die kleinsten Fahrgäste bequemer in ihrem Kindersitz festgurten, doch einen dritten Kindersitz oder Mitfahrer bekommt man selbst im VW kaum dazwischen. Wer sein SUV öfter als Großraumtaxi einsetzt, dem sei an dieser Stelle ohnehin der längere Tiguan Allspace mit dritter Sitzreihe im Gepäckraum empfohlen.

Beim normalen Tiguan fällt das Ladeabteil mit 520 Litern Volumen um ganze 110 Liter größer aus als bei unserem Audi. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Im Gegensatz zum Handschalter opfert der S-Tronic-Q3 120 Liter für wichtige MHEV-Komponenten (48-Volt-Lithium-Ionen-Batterie plus DC/DC-Wandler).

Das Raumgefühl im Audi-Fond ist weniger luftig. Das wird besonders deutlich, wenn man – zugunsten von rund 100 Liter zusätzlichem Gepäckraum – die serienmäßig verschiebbare Rückbank (mit Mittelarmlehne plus Cupholder 120 Euro extra) samt variabler Lehne nach vorn rückt. Dann ist es mit dem sonst klasse Sitzkomfort vorbei. Das wird Audi-Freunde weniger stören. Der feine Q3 verzichtet auf das letzte Quäntchen Raumopulenz.

Wie ist der Sitzkomfort? Hier punktet der Tiguan mit seinen ausgezeichneten Top-Komfortsitzen, deren Ergonomie nichts zu wünschen übrig lässt und richtig guten Seitenhalt bieten. Dazu sind die Stoffbezüge nicht nur schick sondern speziell an kalten Tagen einfach angenehmer als Leder. Auf den vorderen, ebenfalls mit Stoff bezogenen Sportsitzen (310 Euro) des Audi fühlt man sich gleichfalls sehr gut untergebracht, obwohl sie etwas enger geschnitten und tiefer montiert sind als im Tiguan. Aber das passt stimmig herrlich zum Konzept. Die integrierende Sitzposition schätzen Audi-Fahrer im allgemeinen, nehmen dafür die leicht schlechtere Rundumsicht durch die ohnehin kleineren Fenster des Q3 anstandslos in Kauf. Immerhin helfen auf Wunsch vier Umgebungskameras (800 Euro) beim Rangieren. Beim Tiguan ist eine vergleichbare Unterstützung zum gleichen Preis zu haben.

Wie sieht es mit Verarbeitung und Bedienung aus? Der Tiguan kommt sachlich und sehr wertig daher. Audi legt beim Q3 hingegen immer etwas Premium oben drauf – mit perfekt sitzenden Ziernähten, präzise rastenden und klickenden Drehstellern sowie penibel aufeinander abgestimmten, edlen Materialien und einem Verarbeitungsniveau, das sonst nur in weit höheren Klassen zu finden ist.

Große Unterschiede fallen bei der Bedienung auf. Die im VW-Cockpit spaltet die Gemüter unter den Kollegen. Das Multifunktionslenkrad strotzt vor Wippen und Tasten mit Slidern. Es muss gelernt und verstanden werden, wie man die Finger darüber führt, um den gewünschten Befehl auszuführen. Aber ein Auto fährt man ja gemeinhin einige Jahre – da bleibt genügend Zeit, um sich aneinander zu gewöhnen. Lobenswert erwähnt werden darf aber die neue Direktwahl für den „Travel-Assist“, der seit dem Tiguan-Facelift im Herbst 2020 bestellbar ist.

Das Q3-Lenkrad kontert mit einer vergleichsweise minimalistischen Belegung samt ihrer sehr gut bedienbaren Walzen. Wenn er nicht gebraucht wird, bietet Audi zur sofortigen De- und Wiederaktivierung des Spurhalteassistenten direkt einen Taster am Blinkerhebel. Auch gut: Manche Kollegen goutieren den separaten Hebel links vom Lenkrad zur Steuerung des Abstandsregel-Tempomaten. Der Tiguan setzt hier auf Lenkradtasten. Letztlich bleibt das aber Gewöhnungs- sowie Geschmackssache.

Überhaupt erfreuen beide mit sicherheitsrelevanten Fahrhilfen. Der Audi bündelt die wichtigsten im Assistenz-Paket zu 1.300 Euro. Beim Tiguan verlangt Volkswagen 770 Euro. Ansonsten setzen sie unisono auf hochauflösende digitale Instrumente und Infotainment-Systeme, die sich per Sprache, Berührung oder wie beim Tiguan mittels Gesten steuern lassen. Die etwa gleich großen zentralen Displays könnten bei beiden etwas höher im Sichtfeld des Fahrers liegen. Beim Tiguan verlangt Volkswagen für das große Discover Pro 1.660 Euro, die MMI Navigation Plus des Q3 kostet 2.265 Euro Aufpreis.

Premium und Extras kosten

Apropos Preise: Unser Tiguan in der sportlich betonten Top-Ausstattung R-Line liegt bei 40.850 Euro, der Q3 als Advanced kommt auf 39.450 Euro. Im S-Line Sport-Trimm läge er mit dem Tiguan nahezu gleich auf. Davon abgesehen treibt der Griff zu weiteren Extras die Preise beider SUV schnell in heftigere Regionen. Der Individualisierung sind kaum Grenzen gesetzt, was unsere umfangreich ausgestatteten Testwagen ungeniert auf den Punkt bringen: Sie kosten jeweils rund 51.000 Euro. Im Zweifel hilft dann wohl nur Selbstbeschränkung. Etwa die Basis-Ausstattung, in der der Tiguan bei gleichem Antrieb auf lediglich 33.265 Euro kommt, der Q3 dagegen bald 5.000 Euro teurer ist.

Gute Fahrleistungen hier wie dort

Aber über Geld spricht man ja hierzulande nicht gern, weshalb wir gleich zum GUTE FAHRT-Testparcours wechseln, um dort die Unterschiede herauszufahren. Während beim Tiguan der 150-PS starke Benziner im Motorenangebot als mittlere Leistungsstufe angeboten wird, markiert der gleich starke Vierzylinder beim Q3 den Einstieg. Das garantiert hüben wie drüben souveräne Fahrleistungen mit Spitzen knapp über der 200 km/h-Marke. Beide Hersteller liefern diesen Benziner ausschließlich mit Frontantrieb, wahlweise aber mit Handschaltung. Bei unseren Aspiranten mit famosem Siebenstufen-Doppelkupplungsgetriebe nutzt nur Audi die Mild-Hybrid-Technologie. Das bringt zunächst bessere Norm-Verbrauchswerte, nach WLTP sind es gerade einmal 6,4 Liter pro 100 Kilometer. Volkswagen schreibt dem Tiguan für die selbe Norm 7,2 Liter in die Papiere. Nun gut, Papier- werte sind das eine, im Alltagsbetrieb schaut das etwas anders aus.

Bei der Fahrdynamik-Wertung liegen sie mit mittleren Neunerzeiten beinahe gleich auf, mit einem kleinen Vorsprung für den Tiguan. Auch beim simulierten Überholmanover von 80 auf 120 km/h meldet die Messelektronik mit 6,5 zu 6,6 Sekunden keine nennenswerten Unterschiede. Verspielt der Q3 seine Boost-Fähigkeit durch das um 70 Kilo höhere Gewicht? Anders beim Handling. Gutmütig und sicher nimmt der Volkswagen auch schnelle Passagen, allenfalls die Lenkung könnte trotz Progressivlenkung um die Nulllage herum etwas direkter agieren. Aber das ist Kritik auf hohem Niveau, schließlich überlässt der Tiguan den Sport-Part gern und bewusst dem Ingolstädter. Die sichere Souveränität des Tiguan pariert er mit spritziger Dynamik, lenkt direkter ein und untersteuert im Grenzbereich weniger. Zudem gestattet das ESP hier größere Freiheiten als im auf Sicherheit getrimmten Tiguan. Kurz: der Q3 bietet mehr Fahrspaß. Dafür punktet der Tiguan mit höherem Federungskomfort trotz optionaler 20-Zöller. Beide SUV waren mit empfehlenswerter, aufpreispflichtiger Dämpferregelung versehen – absolut betrachtet ist das Q3-Setup aber spürbar straffer, auch wenn der Testwagen auf 18-Zoll-Serienbereifung rollte.

Einen sparsamen Antrieb bieten beide

Und der reale Verbrauch? Kann der Q3 als Mild-Hybrid seinen Norm-Vorsprung umsetzen? Ja, kann er! Der Tiguan genehmigte sich im Schnitt 7,9 Liter Super auf 100 Kilometer. Fährt man ihn betont sparsam sind Werte von 5,5 Liter machbar. Wer heftiger aufs Pedal tritt, darf mit 9,6 Litern rechnen. Bewegt man den Q3 auf vergleichbarem Niveau lautet das Schnitt-Ergebnis 7,4 Liter. Die Sparrunde mit viel Segelanteilen, bei denen sich der Motor früh und vergleichsweise oft abschaltet, ist mit fünf Litern zu schaffen. 9,4 Liter sind es maximal. Ganz klar also: Das Q3-Triebwerk ist unterm Strich moderner und effizienter. Welches SUV also nehmen? Der VW Tiguan ist der ideale Allrounder mit Platz satt. Geht es um Fahrspaß und Prestige, so führt am Q3 kein Weg vorbei.