Arne Olerth
· 18.12.2021
Mit bis zu sieben Sitzplätzen und einem Kingsize-Kofferraum ist der Tiguan Allspace seit jeher ein echter Freund der Familie. Jetzt wurde er umfangreich digitalisiert. Ein Test des Top-TDI
Geht es um ein extragroßes Raumangebot und eine praxisgerechte Variabilität, listet Volkswagen eine ganze Reihe an verführerischen Auto-Angeboten. Ganz oben: der Multivan, logisch – doch nicht jeder kann oder will sich einen Bulli kaufen. Für Familienväter und ähnlich Raumbedürftige beinhaltet das VW-Portfolio zudem praktische Kombis der Golf- und Passat-Klasse sowie den Hochdach-Spezialisten Caddy. Und natürlich die Van-Referenzen Touran und Sharan. Dem Zeitgeist entsprechend haben die Autobauer aus Niedersachsen seit 2017 zudem ein charmantes SUV mit ausgeprägten Raum-talenten im Angebot: den Tiguan Allspace. Mit einem Plus von etwa 22 Zentimetern Aufbaulänge (4,73 Meter) im Vergleich zum Tiguan erweitert er das Raum- angebot hinter der B-Säule nachhaltig – so sehr, dass Volkswagen auf Wunsch gar eine dritte Sitzreihe installiert. Das maximale Fassungsvermögen des Ladeabteils liegt damit sogar auf Augenhöhe mit dem des Luxusbruders Touareg (1.775 Liter zu 1.800 Liter), übertrifft ihn als 5-Sitzer sogar deutlich (1.920 Liter). Durch seinen um 13 Zentimeter schmaler geschnittenen Aufbau zeigt sich der Allspace aber city-praktischer als sein Edel-Bruder, begeistert mit protzfreier Eleganz.
Jetzt hat Volkswagen dem Familien-SUV ein Update verpasst, es durch gezielte Eingriffe noch wertvoller gemacht. VW spendiert eine im Vergleich zum Tiguan deutlich aufgewertete Ausstattung und passt das Aggregateportfolio an. Los geht´s mit einem 150 PS-TSI, Handschaltgetriebe und Frontantrieb für 36.900 Euro.
Neue Ausstattungslinien
Zum Test freilich kam der erste Tiguan Allspace in der Vollfett-Stufe: mit 200 PS-TDI, 4Motion-Allradantrieb und DSG-Getriebe. Das wären 46.650 Euro – in der Basislinie „Life“. Mit 18-Zoll-Alufelgen, Dreizonen-Climatronic, LED-Scheinwerfern und dem Digital Cockpit Pro hat Volkswagen hier bereits ein recht üppiges Ausstattungspaket geschnürt. Die R-Line-Ausstattung des Testwagen aber adelt das SUV zum luxuriös-dynamischen Augenschmeichler – mit angeschärftem Bodykit, 19-Zöllern und IQ.Light. Innen gibt es Ambientelicht in 30 Farben, ein beheiztes Multi-Lederlenkrad, Top-Komfortsitze mit Sitzheizung und eine Mikrofaser- Ausstattung. ACC, Lane Assist, Travel Assist und App Connect – alles ist hier bereits an Bord. 52.015 Euro sind der Preis für den Top-Antrieb in der annähernd kompletten R-Linie-Ausstattung. Dazu empfehlen sich zwei Einzelsitze für die dritte Sitzreihe, dem gehobenen Anspruch entsprechend unbedingt das Adaptiv-Fahrwerk DCC, das Head-up-Display, die Progressivlenkung (225 Euro) und zusätzliche USB-C- Anschlüsse für vorne und hinten (100 Euro). Mit seinem riesigen Raumangebot, dem fantastischen Fahrwerk und dem souveränen Antrieb empfiehlt sich der Tiguan Allspace auch als ideales Zugfahrzeug für Wohn- oder Pferdeanhänger – bei satten 2,5 Tonnen Anhängelast. Neben der ausklappbaren AHK sollte dann unbedingt die Option „Trailer Assist“ angekreuzt werden, die Rückwärtsrangieren zum Kinderspiel degradiert – selbst für Gespann-Novizen. Mit der Wahl der mittleren „Elegance“-Linie (50.255 Euro) lassen sich etwa 2.000 Euro sparen. Auch sie bietet den Radar-Tempomaten ACC, Matrix-LED-Licht und 19-Zöller, verzichtet dabei aber im Wesentlichen nur auf Breitreifen, das dynamische Optikpaket und den Travel-Assist.
Der erste Eindruck? Überzeugt! Der Tiguan Allspace hat seine konservative Sachlichkeit über Bord geworfen, kommt jetzt mit einer wahrlich charakterstarken Front. Prägten diese bisher streng horizontale Linien, so zaubert jetzt der nach unten gezogene Grill dem SUV ein Lächeln ins Gesicht. Aufgerissene Nüstern darunter würzen das Ganze mit einer Prise Drama – R-Line sei Dank. Doch das optische Highlight ist klar die neue Lichtsignatur der IQ.Light-Scheinwerfer. Die Leuchteinheiten sind jetzt generell bis in die Kotflügel gezogen – der Golf lässt grüßen. Das Tagfahrlicht kommt in Form einer doppelten Wanne, bei Fahrlicht leuchtet gar eine Spange, die sich quer über die Front zieht. Das weckt Begehrlichkeiten, genauso wie die integrierten Wischblinker. 24 LED je Scheinwerfermodul bilden das Matrix-Lichtsystem, das in jeder Situation das stets bestmögliche Licht bereit stellt. So fährt der Tiguan Allspace mit IQ.Light außerhalb geschlossener Ortschaften meist mit Fernlicht – Gegenverkehr und Vorausfahrende werden im Lichtbild ausgespart. Ein enormer Zugewinn an Sicherheit.
Selbstbewusste Front, knackiges Heck
Ist der Tiguan Allspace seinem kompakten Bruder wie aus dem Gesicht geschnitten, so zeigt die Seitansicht ein differenziertes Bild: Mit elf Zentimeter längerem Radstand (2,79 Meter) und entsprechend länger geschnittenen Fondtüren, einem in ähnlichem Maße gewachsenem Überhang hinten, der keck ansteigenden Fensterlinie ab der C-Säule und den größeren Felgen beweist der Tiguan Allspace hier eine sehr harmonische Eigenständigkeit – bei sattem Längenzuwachs und gleicher Aufbauhöhe. Für Sportlichkeit sorgen die hier in Wagenfarbe lackierten Beplankungen der Türen, die unterhalb der R-Line hemdsärmeligen Charme in kontrastierendem Schwarz versprühen.
Achtern gibt es neue LED-Rückleuchten mit Wischblinkern, deren Drei-Haken-Leuchtgrafik an die des Touareg erinnert – im Verbund mit IQ.Light. Mittige Namenslettern zieren stolz die Heckklappe. Ein großer Dachkantenspoiler, eine sportiv geschnittene und in Wagenfarbe lackierte Schürze mit durchgehendem Reflektorband und prächtigen Endrohr-Blenden – auch hier schindet das R-Line-SUV mächtig Eindruck.
Und innen? Empfängt es seine Reisenden mit reichlich Platz in der ersten Reihe. Kopf- und Ellenbogenfreiheit fallen top aus – eine Wohltat auf langen Reisen. Dazu gibt es ein luftig geschnittenes, erstklassig verarbeitetes Cockpit. Die Bedienelemente sind ergonomisch perfekt platziert, Rätsel gibt der Tiguan wahrlich keine auf. Analoge Uhren wurden aussortiert, der DSG-Knauf kommt jetzt mit integrierter, illuminierter Anzeige – schick. Augenscheinlichste Neuerung aber ist die neue Climatronic-Bedieneinheit mit Slidern und Touchflächen. Das mutet modern an – bringt aber kaum Vorteile bei der Bedienung. Dafür profitiert die Multimedia-Einheit vom neuesten MIB3-Standard. Sie kommt mit integrierter eSIM, ist stets online. Dadurch kann der Kunde zeitlich unbegrenzt die „We Connect“-Dienste, wie Pannenruf und automatische Unfallmeldung, nutzen. Online-Verkehrsdaten, -Routenberechnung, Sprachbedienung, Web-Radio und vieles mehr gibt’s unter „We Connect plus“, dessen kostenlose Nutzung zeitlich limitiert ist.
Allspace-Kunden interessieren sich naturgemäß besonders für den Fond des großen SUV, dessen Tugenden beim Update nicht angetastet wurden. Warum auch – protzt der Volkswagen hier doch seit jeher mit seinen Attributen: Die breite und bequeme Sitzbank ist geteilt verschiebbar, bietet in der hinteren Position eine Beinfreiheit der Luxusklasse. Dazu kann die Lehnen-Neigung angepasst werden – hier findet jeder die passende Sitzposition. Dahinter bietet der Test-Tiguan eine dritte Reihe, deren Nutzung Kindern vorbehalten ist. Der Zustieg gelingt leicht via Hebelzug an der mittleren Bank: Flott klappt die Lehne vor, der ganze Sitz kann jetzt nach vorne geschoben werden. Bei Nichtnutzung lassen sich die Sitzreihen zwei und drei vollflächig im Boden versenken – so entsteht ein vollkommen ebener Laderaumboden.
Mit seinem immensen Raumangebot empfiehlt sich der Tiguan Allspace als perfekter Wegbegleiter für die Fernreise mit Kind und Kegel. Der 200 PS-TDI ergänzt das geradezu ideal. Er distanziert sich zum 190 PS-Vorgänger nicht nur durch seine höhere Leistung, er ist sparsamer und deutlich sauberer. Statt eines reduzieren hier gleich zwei SCR-Katalysatoren mit Harnstoff- Einspritzung („Twin-Dosing“) die schädlichen Stickoxide – einer motornah, der andere weiter hinten im Abgasstrang platziert. Je nach Motorlast und Abgastemperatur arbeitet damit stets eine der beiden temperatursensiblen Einrichtungen optimal, was in Summe zu einem deutlich reduzierten NOx-Ausstoß führt. Volkswagen koppelt die 400 Newtonmeter-Wuchtbrumme konsequenterweise an den 4Motion-Allradantrieb, spendiert zudem ein Siebengang-DSG.
Extrasauber dank Twin-Dosing
Damit ist dem großen Reise-SUV Souveränität in allen Lagen beschert. Doch ist es weniger das imposante Antrittsvermögen – den 0-100-Sprint hakt der Test-Tiguan lässig in glatten acht Sekunden ab –, das in Erinnerung bleibt, als das jederzeit abrufbare, satte Durchzugsvermögen, das den Fahrer ungemein entspannt. Dreht man die Fahrprofil-Auswahl (Serie) auf „Sport“, so straffen sich die DCC-Dämpfer, die Gaspedal-Progression wird genauso geschärft wie die DSG-Steuerung. Auch die Unterstützung der klasse Progressivlenkung fällt etwas zurück – der Tiguan zeigt sich hellwach, serviert einen freudvollen Ritt auf kurvigem Parcours. Präzise folgt er den Befehlen am Volant, vermittelt dem Piloten viel Sicherheit. Fahrwerke bauen können sie, die Wolfsburger! Im „Auto“-Modus wandelt sich das SUV zum Reiseschmeichler. Die Federelemente halten Fahrbelagsunbillen gekonnt von den Passagieren fern – ohne dabei ins Unpräzise abzurutschen. Das funktioniert sogar mit 20-Zoll-Kingsizefelgen. Jetzt den Travel-Assist aktivieren, das Highlight der Assistenzsysteme: Auf Knopfdruck hält der den Wagen in der Spur und den Abstand zum Vordermann. Herrlich entspannend. Der Verbrauch auf der Langstrecke pendelt sich bei gelassener Fahrweise um die sieben Liter ein, auf der GF-Normrunde nahm sich das große SUV sehr anständige 7,2 Liter Diesel. Sogar eine „Fünf“ vor dem Komma ist erlebbar.
Mit dieser sehr überzeugenden Vorstellung reiht sich der Tiguan Allspace als charakterstarke Alternative in den Reigen der Familien-Autos von Volkswagen ein.