Martin Santoro
· 19.03.2021
Ein Auto für die junge Familie? Modern, technisch perfekt, geräumig, dabei auch erschwinglich? Da empfiehlt sich der neue VW Golf Variant. Im Test: der 130-PS- Benziner
Die rührenden Geschichten vom alten Käfer, in dem die lieben Eltern mit ihren drei Kindern und dem gesamten Camping-Hausrat an den Gardasee reisten, können sich jüngere Generationen ebenso kaum noch vorstellen, wie geschlossene Telefonzellen und drei Fernsehprogramme. Heute verlangt der Lebensstandard ein weitaus größeres sowie voll vernetztes Fahrzeug. Insbesondere braucht das glücklich liebende Paar einen Kombi, sobald sich das erste Baby ankündigt. Denn nun gilt es, neben den Reisetaschen den Kindersitz und den Kinderwagen sowie den voluminösen Vorrat an Pampers mitzuführen. Das Leben ist nicht einfacher geworden.
Da schlägt sich der junge Vater den Traum vom Golf GTI aus dem Sinn. Und die glückliche Mama verzichtet aufs T-Roc Cabrio. Denn nun ist Raumbedarf angesagt. Gleichzeitig geht im allgemeinen viel vom monatlichen Haushaltsgeld für den Nachwuchs drauf. In diesen Zielkonflikt tastet das Auge des Elternpaares die stattliche Reihe der familientauglichen Fahrzeuge ab. Und siehe da, zu den nicht billigen, doch preisgünstigen Angeboten zählt der neue Golf Variant. Ein technisch perfektes und stilistisch dynamisches Auto mit coupéartig abfallendem Dach und flach stehender Heckscheibe zum Grundpreis ab 23.715 Euro.
Die Frage ist allerdings, ob das Basismodell mit dem Dreizylinder-Benzinmotor von einem Liter Hubraum und 110 PS für die Bewältigung der bevorstehenden Transportaufgaben ausreicht. Oder ob nicht doch der stärkere 1,5-Liter-Motor mit 130 PS für den mitunter vollbeladenen Variant anzuraten ist. Den Antrieb gibt es ab der nächsthöheren Ausstattung „Life“ mit erweitertem Serienumfang für rund 4.000 Euro mehr. Wo also soll die Reise hingehen? Möchten die Eltern sich die Mehrleistung gönnen sowie ausgewählte nützliche Extras, welche die Mobilität des jungen Familienlebens so wohlwollend erleichtern?
Wir raten zum1.5 TSI mit manueller Sechsgang-Handschaltung, den Volkswagen auch in der Luxus-Linie „Style“ ab 30.205 Euro anbietet und uns als Testkandidat bereit stand. Mit an Bord sind dann Serienfeatures wie 17-Zoll große Aluräder, rundum Licht in LED-Technologie, reichlich Chromornat, Sport-Komfortsitze mit Microflies, Climatronic, Ambientebeleuchtung oder der „Travel Assist“ zum teilautonomen Fahren. Soll dieser Weg weiter verfolgt werden, weil es das Budget noch zulässt, darf das IQ.Light mit Matrix-LED-Scheinwerfern (1.125 Euro) auf keinen Fall fehlen. Damit ausgestattet, lässt sich die Lichtverteilung dynamisch steuern, etwa den Gegenverkehr im Fernlicht ausblenden oder in die Kurve leuchten. Gleichfalls sprechen wir eine Empfehlung für das Komfort-Paket zu 1.620 Euro aus. Hierbei bündelt Volkswagen nützliche Komfort- und Sicherheitsextras, zu deren Umfang der „Park Assist“ mit Einparkhilfe, das schlüssellose Schließ- und Start-System, der proaktive Insassenschutz sowie weitere Seiten- und Kopfairbags gehören.
Passt zu diesem Gesamtkonzept auch der wohl derzeit fortschrittlichste Benziner von Volkswagen? Blicken wir auf den hochmodernen 1.5 TSI Evo, der extra-ökonomisch mit dem bereits vielfach von GUTE FAHRT gelobten Miller-Brennverfahren konzipiert wurde.
Effizientes Technik-Juwel
Der Vierzylinder arbeitet mit einem gesteigerten Wirkungsgrad aufgrund einer verbesserten Verbrennung mit erhöhter Verdichtung. Dazu gehören auch das Einspritzsystem mit maximal 350 bar Druck, speziell beschichtete Zylinderlaufbahnen sowie ein Abgasturbolader mit variabler Turbinengeometrie (VTG). Zudem schalten sich zur Verbrauchsreduzierung unter Teillast zwei Zylinder ab, was weder spürbar ist noch die erfreulich angenehme Laufkultur und das Geräuschbild beeinträchtigt. Munter schnurrt der TSI die Drehzahlleiter hinauf und herunter. Zwischen 1.400 und 4.000 Touren erzielt er plateauartig sein höchstes Drehmoment von 200 Nm. Bei 4.750 bis 5.500/min spielt er die volle Leistung von 96 Kilowatt aus. Damit erreicht er in 9,7 Sekunden die 100 km/h und schafft schließlich Tempo 214. Das ist für den Familienalltag völlig ausreichend, zumal der Verbrauch des mit 1.361 Kilo (inklusive Fahrer) bis zum Gesamtgewicht von 1.910 Kilogramm beladenen Wagens auch in der Praxis leichthin unter den von uns ermittelten Testverbrauch von 6,7 Liter pro 100 Kilometer gehalten werden kann. Durchschnittlich genehmigt der TSI sich um die fünf Liter Super auf 100 Kilometer, wenn bewusst auf eine vorausschauende und gezügelte Fahrweise geachtet wird.
Ein bisschen mehr drehen, etwas häufiger schalten – das ist die Parole für den geräumigen Golf Variant, wenn es zügiger voran gehen soll, was den Fahrspaß erhöht aber gleichzeitig den Verbrauch ankurbelt. Der kratzt dann an der noch vertretbaren Neun-Liter-Marke.
Da lässt auch das Fahrverhalten nichts zu wünschen übrig. Der Variant bietet Golf-Feeling pur. Das ist schon eine gute Nachricht für jene Skeptiker, die wegen des langen Hecküberhangs einen trägen Charakter vermuten. Differenzen zum Normal-Golf spürt man, wenn überhaupt, nur beim direkten Umstieg. Logisch, dass der Variant wegen seiner um knapp 60 Kilo höheren Masse eine Nuance weniger agil wirkt. Seine gelungene Abstimmung indes führt zu kaum bemerkbaren Einschränkungen beim Federungskomfort. Der Golf weiß auch als Variant seine Insassen äußerst komfortabel über drittklassige Straßen zu befördern. Absolut lobenswert ist das Serienfahrwerk mit der leichten Verbundlenker-Hinterachse für kleinere Motorisierungen bis 150 PS. Es dämpft äußerst sauber und spricht mit den 17-Zöllern sehr sanft an. Bei höheren Kurventempi neigt sich der Golf mit seinen langen Federwegen spürbar, wird aber nie zum Spielball der Physik und bleibt lange neutral. Die optionale Progressivlenkung (215 Euro) stellt eine kommunikative Beziehung zur Vorderachse her und überzeugt mit einer guten Lenkpräzision, was dem sportlich orientierten jungen Vater zuspielt.
Reichlich Platz für die Familie
Für die Sicherheit junger Familien ist also aktiv und passiv gesorgt. Für den täglichen Nutzen ebenso. Daran gibt es schon beim Blick auf die Papierwerte keine Zweifel. Gegenüber dem Vorgänger hat der neue Golf Variant in der Länge (4,63 Meter) um fast 6,6 Zentimeter und beim Radstand um 6,7 Zentimeter zugelegt. Davon profitiert auch der Gepäckraum: 611 anstatt vorher 605 Liter fasst der Kofferraum im Normalzustand. Die zweiteilig klappbare Rückbank kippt per Fernentriegelung um und bildet mit dem zweistufigen Ladeboden eine ebene Ladefläche. Nun steht ein Ladevolumen von 1.642 Liter bereit. Auch die Zuladung von 624 Kilogramm verdient Respekt. Unterm Ladeboden passt das stets vorhandene Gepäckraumrollo sowie eine praktische Netztrennwand zu 180 Euro Aufpreis. Fürs Verstauen kleiner Gegenstände gibt es zwei seitliche Lademulden, deren Begrenzungen sich aushängen lassen. Vier stabile Verzurrösen optimieren die Transportbedürfnisse ebenso wie die Durchladeeinrichtung für lange Güter bis 1,90 Meter. Für familiengerechte Variabilität ist also gesorgt.
Alles Golf auch im Variant
Wer die Laderaumvarianten durchprobiert hat und Platz nimmt, wird feststellen, dass der neue Golf Variant nicht nur im Kofferraum Größe zeigt. Straffe Sitze vorn wie hinten und viel Bewegungsfreiheit sorgen spontan für Wohlbefinden. Außerdem gibt´s Golf-Ambiente in Perfektion – also viele Ablagen, top Ergonomie und das beruhigend-sachliche Design des neuen Golf 8. Sowohl die Verarbeitungsqualität des langen Golf-Bruders überzeugt als auch das Lenkrad mit seinen weitläufigen Verstellmöglichkeiten. Das Virtual Cockpit Pro (Serie Style) bietet verschiedene mehrfarbige Ansichten, löst scharf auf und stellt flüssig dar. Mittig sitzt der Zehn-Zoll-Touchscreen des optionalen Discover-Pro-Systems (1.910 Euro) mit kapazitiven Slidern für die Temperatur- und Lautstärkeregelung. Unterhalb des TFT sind vier Direktwahltasten für Assistenzmenü, Klimatisierung, Parkassistenz und Fahrmodi, welche die Bedienung des recht und umfangreichen Infotaimentsystems erleichtern – ein Kinderspiel für die junge Elterngeneration „Smartphone“.
Somit darf der neue Golf Variant als ideale Ergänzung in der großen Golf-Familie gelten. Er bietet mehr Platz und Variabilität als Golf und T-Roc, und hat keinen so hohen Schwerpunkt und Luftwiderstand wie ein Touran. Wem der neue Golf Variant wegen seines coolen Looks dann noch am besten von allen gefällt, der darf ganz sicher zugreifen.
Test kompakt:
Der kompakte Golf Variant bietet das Mehr an Platz, das Familien beim Fließheck vermissen. Seine sportlicheren Proportionen gegenüber dem Vorgänger gefallen, das Raumangebot ist top. Sein Hightech-Benzinmotor mit 130 PS markiert den perfekten Allrounder: kräftig und erstaunlich sparsam. Dazu liefert der Golf überlegenen Federungs- und Sitzkomfort sowie modernste Sicherheits-Features