VW Golf Special - Das oft verkannte Genie

Gottlob R. Fröhlich

 · 13.02.2023

VW Golf Special - Das oft verkannte GenieFoto: Volkswagen, ADAC (2), Jens Küster (1)

Stell dir vor, ein genialer Golf kommt auf den Markt – und keiner merkt es. Denn alle hängen sich an Infotainment-Abstürzen auf, an harten Oberflächen und starren Motorhauben-Öffnern. Der Golf 8 kann aber sehr viel mehr. Eine sehr persönliche Ehrenrettung

Connect-Funktionen sind erstmals auch für preissensible Käufer verfügbar
Foto: Volkswagen, ADAC (2), Jens Küster (1)

Keine Frage, die Software-Bugs der ersten Zeit waren beim Golf 8 nicht schön. Auch dass die so genannte Anfass-Qualität nachgelassen hat, wird niemand bezweifeln. Da hatten frühere Generationen mehr Schaum auf den Oberflächen wie heute die Kritiker vor dem Mund. Doch schauen wir uns den Klassen-Namensgeber noch einmal ganz vorbehaltlos an. Mit dem Hard- und Software-Update seit 2022, das viele Probleme weitgehend vergessen macht. Da fallen dann auf: g Die Motoren sind so sauber wie nie und gehören zu den abgasärmsten am Markt. Beim unabhängigen ADAC Ecotest ist der Golf 8 TGI unter 112 im Jahr 2021 gemessenen Autos auf Platz zwei – und das auch nur, weil der weitestgehend baugleiche Seat Leon um ein Pünktchen besser war. Das gesamte Aggregate-Portfolio wurde „radikal modernisiert, umfangreich elektrifiziert“ (GUTE FAHRT 11/2019, S. 26). Schon bei den kleinsten Triebwerken kommen das „besonders effiziente Miller-Brennverfahren sowie ein aufwändiger VTG-Turbolader zum Zuge“. Gar als „extra sauber“ gilt der neue Diesel EA 288 Evo, in dem „erstmals Volkswagens Twindosing-SCR-System zum Einsatz“ kommt. (...) einer der saubersten und effizientesten Verbrennungsmotoren der Welt.“ Die Fachpresse jubelt: „Ausgerechnet vom Diesel-Sünder VW kommt mit Twindosing eine Technik, die den (gesetzlichen Grenz-) Wert fast um den Faktor acht unterbietet.“ Vor dem Dieselskandal hätten die Selbstzünder im realen Straßenverkehr gerne mal das Achtfache des Grenzwerts ausgestoßen – und seien dennoch gesetzeskonform gewesen. Der ultrasaubere Diesel ist Realität, bei den Partikeln vermag er die Stadtluft sogar sauberer zu machen. Volkswagen – die können das.

Car2X rettet Leben!

Der Golf 8 hat als erstes Auto serienmäßig C2X an Bord. Damit kann er Unfälle vermeiden, bevor sie überhaupt passieren. Bis zu 800 Meter im Voraus. Das wird rasch als „großer Meilenstein“ bezeichnet, vergleichbar mit ABS und Airbag. Mit C2X lasse sich schon vor der eigentlichen Notsituation die eigentliche Angelegenheit entschärfen. Das serienmäßig verbaute Steuergerät und die erforderlichen Zertifikate gegen unbefugte Störer kosten auf jeden Fall mehr als der beim Golf 8 eingesparte hydraulische Haubenlift. Und können im Alltag schlicht Leben retten, was ein Gasdruck-Dämpfer eher nicht vermag! Serienmäßig ist auch die Online-Anbindung WE Connect. Damit zeigt sich der Golf als Vorreiter in seiner Preisklasse. Er bietet (teils gegen Aufpreis) Fernsteuer- sowie Status-Abfrage per App (einschließlich Steuerung einer Standheizung), Echtzeit-Verkehrs- sowie Parkplatz-Infos, Aufschließen mit Smartphone, nachträgliches Freischalten von zusätzlichen Funktionen wie Navigation, ACC oder AppConnect. Das konnten vorher nur deutlich höherpreisige Mitbewerber.

Ultrasicheres Keyless-Schließsystem

Nicht ums Leben, aber immerhin um Diebstahlsicherheit geht es beim Thema Keyless-Schließsystem. Da ist wiederum der Golf 8 das erste Auto in der nach ihm benannten Fahrzeugklasse, das über ein besser abgesichertes Keyless mit Ultra-Wide-Band (UWB) verfügt. Vereinfacht gesagt kann das Auto erkennen, ob die Funksignale illegal verlängert wurden – und verweigert dann das Öffnen. Die bisherige Diebstahl-Methode funktioniert also nicht mehr. Damit gehört der Golf 8 zu den fünf Prozent nicht mehr knackbaren Modellen von über 500 Keyless-Autos, die der ADAC untersucht hat. Der Club dazu: „Das zeigt, dass ein nach aktuellem Stand der Technik gesichertes Keyless-System auch in Fahrzeugen der preissensiblen Golf-Klasse möglich ist.“

Ganz gleich, welchen Test des VW Golf 8 man liest: Angenehme Lenkung, toller Fahrkomfort, gutes Platzangebot, moderne Assistenten und Vernetzung werden unisono gelobt, dazu die sparsamen und sehr sauberen Motoren. Das sind doch die Qualitäten, auf die es im Alltag ankommt. Ein Fazit lautet: „Manche Details wurden gestrichen, andere praktische Dinge kamen jedoch hinzu – man kann also nicht pauschal behaupten, der neue Golf wäre schlechter geworden.“ Da muss was dran sein. Wer klopft schon ständig aufs Armaturenbrett oder macht jeden Tag die Motorhaube auf?

Schließlich noch ein kleines Detail, der gern geschmähte Lichtschalter des Kompaktklassenstars aus Wolfsburg – der jetzt in Form einer Sammlung von Sensortasten aufwartet. Ja, man muss sich umgewöhnen. Man kann aber auch alles der Automatik überlassen und das Bedienfeld (fast) vergessen. Außerdem hat es den Vorteil, dass ein Golf 8 bei Dunkelheit nicht mehr ohne Licht unterwegs sein kann. Denn beim Einschalten der Zündung wird automatisch der Lichtsensor aktiviert. Das geht bei einem konventionellen Lichtschalter mit Knebel nicht: Steht der (auch nur irrtümlich) auf AUS, dann bleibt das Licht aus. So Nacht es auch sein wolle.

Wer „so seine eigenen Quellen“ hat, der kennt sich auch bei den offen feil gebotenen Geräten für Tacho-Manipulation aus. Da gibt es alle paar Monate Updates für die neuesten Modelle. Nicht so bei VW Golf 8 und Audi A3. Hierfür finden sich schon seit fast drei Jahren keine Angebote zur Ad-hoc-Manipulation mehr. Das ist bei den allermeisten anderen Autos in allen Preisklassen anders und könnte eine Trendwende bei diesem Milliarden-Betrug bedeuten. Der Golf 8 fährt also auch in diesem Bereich vorneweg.