Test VW Golf GTDMit Herz und Verstand

Joshua Hildebrand

 · 01.10.2021

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Foto: Jan Bürgermeister

Ein sportliches Auto muss nicht immer viel Kraftstoff verbrauchen. Den besten Beweis hierfür liefert der Golf 8 GTD, gegen den viele andere Kompaktsportler auf der Strecke bleiben. Ein Test mit Vernunft und Emotionen. Und 200 Diesel-PS!

Gerade schalten wir das Radio unseres Testwagens ein, da erreichen uns unglückliche Nachrichten: „Die Spritpreise ziehen wieder deutlich an. Zum Jahreswechsel könnte die 2-Euro-Marke für Super-Benzin geknackt werden. Vor allem in der Ferienzeit wird die Fahrt in den Urlaub nun deutlich teurer.“ Okay, schon verstanden. Wir lassen also den schönen V8 zu Hause und greifen zum E- … ähm, nein. Ganz klassisch zum Diesel. „Wie können Sie es wagen“, würden so manche Weltverbesserer entgegnen. „Völliger Quatsch“, sagen wir. Weil wir jüngst wieder mal erfahren durften, wie effizient ein Diesel-Triebwerk doch ist. Vor allem, wenn es ein so modernes wie im Golf 8 GTD ist. Die Eckdaten: Zweiliter-Vierzylinder mit Abgasturbolader, 200 PS und 400 Newtonmeter.

Ach, ja – und außerordentlich sauber ist er. Dank Twindosing-System mit doppelter AdBlue-Einspritzung, zwei hintereinander gekoppelten SCR-Kats und natürlich dem altbewährten Dieselpartikelfilter haben die bösen Stickoxide kaum noch eine Chance. Die Maßnahmen zeigen Wirkung: Der vernünftige Sport-Golf erfüllt die neueste Norm Euro 6d-ISC-FCM, Diesel-Fahrverbote sind für ihn absolut kein Thema. Würden die genannten Liter-Preise von zwei Euro tatsächlich kommen, kann es aus der Vernunft-Sicht für sportlich versierte Vielfahrer eigentlich nur noch ein sauberer Selbstzünder in Form des Gran Turismo Diesel sein; auch wenn die Preise von 1,40 Euro pro Liter Diesel ebenfalls Höchstwerte erreicht haben. Mag sein, dass diese Form des Antriebes inzwischen verpöhnt sein mag, jedoch ist er nach wie vor der die beste und effizienteste Wahl für die Langstrecke.

Und genau an dieser Stelle möchten wir die Schlüssel zücken: die für den vielleicht vernünftigsten Sport-Golf. Den Newbie GTE lassen wir an dieser Stelle mal außen vor. Optisch gesehen müssen GTD-Fahrer höchstens auf die rote Zierspange an der Front, die GTI-typische Zweirohr-Abgasanlage am Heck und den typischen Benziner-Sound verzichten. Dafür entschädigen rote Bremssättel und optionale 19-Zöller namens Adelaide von Volkswagen R (1.450 Euro plus Kaufzwang DCC-Fahrwerk). Im Übrigen müssen Sound-Junkies nun auf das vom Vorgänger bekannte Sound-Modul mit bollernder V8-Soundkulisse verzichten – es passt schlicht und ergreifend nicht mehr zur Markenpolitik.

Auch im Innenraum gilt: Das Rot des GTI wird durch silber-graue Akzente ersetzt. Die gesamte Aufmachung dürfte als sportlich-nüchtern bezeichnet werden. Das teils gelochte Multifunktionslenkrad liegt sehr gut in der Hand, und die sogenannten „Top-Sportsitze“ haben ihren Namen redlich verdient. Das Sitzgefühl ist erstklassig: auf der einen Seite komfortabel genug für weite Strecken, auf der anderen Seite aber sportlich und mit einem ordentlichen Seitenhalt verwöhnend.

Herzstück der GTD-Bedienung ist das aus dem Brot-und-Butter-Golf bekannte „Innovision Cockpit“, bestehend aus dem zehn Zoll großen Navigationssystem „Discover Pro“ (optional, 1.455 Euro) mit internetgestützter Routenführung sowie das 10,25 Zoll große Digital Cockpit Pro. Letzteres besitzt wie der GTI ein hübsch illustriertes Layout samt mittigem Drehzahlmesser und kann bei Bedarf beliebige (Sport-)Anzeigen wie Öltemperatur, Ladedruck und G-Kräfte darstellen – ein Fest für Technik-Fans! Wer weitere 700 Euro investiert, erhält ein sehr gut ablesbares Head-up-Display, welches wichtige Infos direkt in die Windschutzscheibe spiegelt.

Mitfahrer nehmen auf der straff gepolsterten, aber komfortablen Rücksitzbank Platz und genießen auch hier großzügige Platzverhältnisse. Nicht zu vergessen ist dabei der Laderaum mit einem Volumen von 374 bis 1.230 Liter.

Der 2.0 TDI ist ein Sparwunder

Es gibt ja Autos, denen begegnet man mit einer besonderen Erwartungshaltung: Der GTD ist etwa so ein Wagen. Vermutlich, weil er seit jeher gefühlt im Schatten seines ikonischen Benziner-Bruders steht und vielleicht deshalb auch immer ein bisschen unterschätzt wurde.

Doch für alle, die kein Problem damit haben, Diesel zu fahren, für alle, die nicht auf Leistung verzichten möchten, und für alle, denen es „Wurscht“ ist, ob den Endrohren jetzt ein Benziner-Klang entweicht oder nicht, ist der GTD abseits der Emotion die vermutlich cleverste Wahl Sport-Golf zu fahren – und das sagen wir als bekennende GTI-Fans.

Vor allem bei Betrachtung der vorbeihuschenden Tankstellen-Preisschilder. Bei Zeitdruck, einem durchschnittlichen Testverbrauch von 6,1 Litern und einem vollen Kraftstofftank (50 Liter) stoppte die Trip-Anzeige bei über 800 Kilometern! Stets mit 200 PS wohlgemerkt. Die Reichweite lässt sich bei zurückhaltender, vorausschauender Fahrweise sogar noch weiter steigern: Steht die „5“ vor dem Komma – und das geht tatsächlich – können es bis zu 900 Kilometer werden. Damit avanciert er gar zum Spritsparwunder. Sorry, aber da können GTI und GTE leider einpacken. Auch, weil der GTD nur 435 Euro mehr kostet als der GTI DSG. Selbst die Kritik an der Diesel-Laufkultur zieht nicht mehr: Der 2.0 TDI mag zwar in Nuancen nageln, aber die Art und Weise, wie komfortabel er uns befördert, ist ein großes Lob wert. In Kombination mit dem nicht aufdringlichen, aber künstlich erzeugten Sport-Sound im Innenraum vergessen wir fast, in einem Diesel zu sitzen. Benziner-ähnlich knurrt der 2.0 TDI. Das 7-Gang-DSG arbeitet effizient, legt den nächsten Gang lieber etwas früher ein, wenn auch flott und ohne Ruckler.

Das Ansprechverhalten sowie der Vortrieb sind mustergültig. So wundert es auch gar nicht, dass WOB-GO-372 die 0-100-Sprint-Werksangabe um zwei Zehntel unterbot. Mit 6,9 Sekunden mag er zwar noch mit einem Respektabstand hinter dem GTI herfahren, jedoch ist das subjektive Empfinden ein anderes. So flott war noch kein GTD! Imponierend unterstrichen wird dies durch ein Drehmoment von 400 Nm, welches bei 1.750 Touren anliegt. Die Leistungsentfaltung des Zwoliters ist dabei äußerst homogen, die Höchstgeschwindigkeit kann fast mit der des GTI mithalten. Statt 250 fährt der GTD 245 km/h – geschenkt.

Schnell, auch in Kurven

Trotz jener flotten Werte präferieren wir lieber die sportive Kurvenhatz. Während der 200-PS-Diesel mit mächtig Vortrieb verwöhnt, setzen ihm nicht nur Fahrwerk und Lenkung die Krone auf: Alle Systeme agieren in Wechselwirkung einfühlsam, mitteilungsfreudig, direkt. Auch, weil der Fahrdynamikmanager (bei DCC-Fahrwerk) – quasi ein kleiner Computerchip – immer „ein Auge“ auf die querdynamischen Belange hat. So kommt bei plötzlichen Ausweichmanöver zwar leicht das Heck, dies wird vom ESP jedoch schnell und effektiv eingefangen. Eine Fahrt im Grenzbereich fühlt sich folglich kaum so an. Reserven scheinen reichlich vorhanden.

Die Einstellung des adaptiven DCC-Fahrwerks lässt eine große Bandbreite von „sehr sanft“ bis hin zu „sportlich-hoppelig“ zu. Wer den Slider der Fahrmodus-Auswahl (15 Stufen) verstellt, wird auch deutliche Veränderungen spüren. Das macht den GTD zu einem wandlungsfähigen Alltagsbegleiter. Darüber hinaus sorgt die digitale Differenzialsperre XDS+ mit gezielte Bremseingriffe am kurveninneren Rad für ein Fahrverhalten wie auf Schienen. Selbst bei Vollgas-Beschleunigungsorgien scharrt der GTD kaum mit den Hufen. Die Traktion ist für einen Fronttriebler wirklich stark, hier macht sich die überarbeitete Elektronik bemerkbar.

Ganz ehrlich: Viel effizienter sporteln geht fast nicht. Womit (für uns) mal wieder bewiesen wäre, dass ein moderner Dieselmotor richtig Sinn machen kann und nicht abgeschrieben werden sollte. Lang lebe der Diesel, lang lebe der GTD! Und damit sagen wir „Tschüss, GTI“. Denn der dürfte schon wieder an der Zapfsäule stehen …