Heiko P. Wacker
· 06.09.2023
Als „ersten Bulli mit Mittelküche“ bezeichnet Patric Helk seine jüngste Kreation, bei der man gar nicht so recht weiß, ob man zuerst zur Schiebetür oder zum Heck reinschauen soll. Sind nämlich beides Sahneseiten des MK 490, der als klassischer Zweipersonencamper ausgelegt ist. Idealerweise sind beide Liebhaber des Lebens am sonnigen Strand, denn genau dafür ist der MK gebaut. Man schläft nämlich generell oben, im hinten angeschlagenen Aufstelldach. (Okay, das muss nicht zwingend am Strand zum Einsatz kommen, aber für eisige Nächte ist die Konstruktion eben nicht gedacht.)
Auch sieht man diese Bauweise eines Aufstelldachs nicht sehr häufig, bezogen wird es von Reimo, die 50 Millimeter dicke Matratze misst 1,1 mal 1,85 Meter. Freilich bietet das Aufstelldach eine deutlich breitere Liegefläche. Die aus Kaltschaum gefertigte Matratze fügt sich nämlich gut in den Rahmen ein, der auch die Stoßdämpfer der Aufstellmechanik des Bettrostes aufnimmt. Man hat also erfreulich viel Platz zur Seite und für die Treterchen, denn so gerechnet misst die maximale Fläche knapp 200 Zentimeter in der Länge und derer 120 in der Breite. Nach dem Aufstellen des Dachs, wegen der stabilen Stoßdämpfer geht das überraschend leicht, sollte man noch das quer zwischen den Balgflanken verankerte Spannband lösen und beiseite räumen. Aber möglichst an einen genau definierten, gut zu merkenden Platz. Beim Zuklappen wird das Band nämlich wieder gebraucht. Frei nach dem Motto: „Bei mir herrscht Ordnung. Ein Griff – und die Sucherei geht los!“
Die Matratze wiederum bettet sich auf Federelemente der Marke Zumi, die gesamte Konstruktion bietet einen überraschend guten Komfort, und auch das (T)Raumgefühl ist wegen der drei Öffnungen im Balg luftig. Selbst an Stromquellen im Obergeschoss wurde gedacht: Fahrerseitig befindet sich eine Steckdose mit 12 Volt, links ist ein Doppel-USB-Port verbaut, dem nächtlichen Laden des Wischtelefons steht nix im Wege. Wichtig für all jene, die direkt mit dem ersten Blinzeln des Tages die sozialen Kontakte checken müssen, oder der Welt mitzuteilen haben, wie man so schläft in einem Nordvan.
Jetzt haben wir so viele Worte auf das obere Bett verwendet, da stellt sich die Frage nach dem unteren. Nun, das ist flugs beantwortet, denn es gibt keins. Also, zumindest kein normales. Aus der schicken Dinette lässt sich optional allenfalls ein Kinderbett mit einer Länge von 1,65 Meter bauen, sofern man die notwendige Platte und eine entsprechende Matratzenauflage mitzuführen gedenkt. Das kostet jedoch wertvollen Platz im Wohnraum, der durch das Mittelküchenkonzept keine große Freifläche bietet. Klare Sache also: Wer zu dritt oder viert verreisen möchte, der sollte sich besser den Nordvan RN-Comfort anschauen. Der huldigt dem klassisch geprägten Möbelbau und erfreut mit seinem stimmigen, fast schon nostalgischen Touch auch das Auge.
Doch zurück zum MK, der eine ganze Menge an Fächern und Regalen bietet: Stauräume finden sich unter der Zweiersitzbank, im voluminösen, gar beleuchteten Kleiderschrank fahrerseitig im Heck, sowie im Küchenblock. Zudem ist beifahrerseitig ein opulentes Möbelstück verbaut, das im unteren Teil eine Trockentrenntoilette aufzunehmen in der Lage ist. Zudem ist dieser Block stufig konstruiert, so steigt es sich leichter ins obere Schlafgemach. Weitere Staumöglichkeiten finden sich in den Flanken, hier sind großzügige Fächer vorgesehen. Für gekühlte Getränke wiederum ist ein 50 Liter messender Kompressorkühlschrank der Marke Vitrifrigo zuständig, für den coolen Sundowner am Strand bietet er ein Eisfach. Gekocht wird auf einem einflammigen Gaskocher, der mitsamt der Edelstahlspüle fest im Küchenblock verbaut ist. Seine Energie bezieht er aus der klassisch-blauen Gasbuddel, die im unteren Teil des Kleiderschranks mitreist. In der Flanke wohnt zudem der 21 Liter fassende Grauwassertank, während das 24 Liter messende Frischwasserdepot fest im Möbelblock integriert ist. Befüllt wird dieses durch einen abschließbaren Außenanschluss in der linken Flanke.
Wäre eine Heckklappe verbaut, könnten hier auch zwei Campingstühle untergebracht werden. Zudem wären die Möbel bei Regen ein wenig besser geschützt
Verwaltet werden Energie und Wasser des Campingbereichs über die beiden Bedienpaneele, die links im Küchenbereich wohnen. Doch nur für das Frischwasser gibt es eine Füllstandsanzeige, der Grauwassertank geriet zu schmal, als dass Messtechnik reingepasst hätte.
Auch hat man hier den Überblick über den Ladezustand der 100 Amperestunden fassenden Lithium-Ionen-Aufbaubatterie. Diese wird gespeist durch den Landstromanschluss, der CEE-Stecker findet sich im Motorraum links, oder von der Sonne. Für Autarkie sorgt das aufs Aufstelldach gedübelte Solarpanel der Marke Wattstunde mit seiner Leistung von 120 Watt, damit steht man auch mal ein paar Tage ohne Landstrom. Falls der doch mal fließen sollte, strömt er nicht nur via Laderegler in die Batterien, sondern auch in die Schukosteckdose im Küchenblock. Zudem findet sich auch hier eine Steckdose mit 12 Volt, auch ist der Doppel-Lichtschalter für die Innenraumbeleuchtung hier platziert. Ein weiterer Doppel-USB-Port wurde in die Schiebetür montiert, falls man vor dem Wagen seinen Brüllwürfel bestromen muss.
Gegenüber der Schiebetür ist das selbst entwickelte, hydraulische Glas-Ausstellfenster verbaut, das mit seiner Massivität und den stabilen Scharnieren zu beeindrucken weiß. Unterhalb des Fensters ist zudem die Schiene des verschiebbaren Holztischs, er misst 120 mal 40 Zentimeter. Bei Bedarf ist er leicht herausnehmbar, was man beispielsweise dann tun sollte, wenn man den Fahrersitz drehen möchte, selbstverfreilich sind Fahrer- wie Beifahrersitz auf Drehkonsolen montiert. Kleiner Tipp am Rande: Erst die Sitzfläche hochpumpen, dann den Sitz drehen, dann klemmt da nix. Für das Leben im Freien empfiehlt es sich, auf den originalen Campingtisch aus dem Hause Volkswagen zurückzugreifen, dieser reist in der Schiebetür mit. Die Campingstühle lagen in unserem Fall im Küchenbereich, normalerweise würde eine Heckklappe mit zwei Campingstühlen in einer entsprechenden Doppeltasche verbaut sein. Unser Testfahrzeug indes hatte zwei Klapptüren, an denen sich dies nicht realisieren ließ. Ja nun, das ist der Herkunft des Wagens geschuldet: Das Basisfahrzeug für den Bau des Prototyps wurde aus dem Gebrauchtmarkt bezogen.
An den Talenten der pfiffigen Dreizimmerwohnung ändert dies nix, wobei Nordvan betont, dass Variationen oder eigene Kundenideen gerne umgesetzt werden können. Man muss nur ein bisschen kreativ sein – dann gelingen auch ausgefallene Bulli-Konzepte.
VW T6.1 Kastenwagen 2.0 TDI
4 Sitz-/2 Schlafplätze (im Reimo-Aufstelldach):
Nordvan GmbH, Stoverweg 65, 24537 Neumünster https://nordvan.de
Wer einen Camping-Bulli kennt, der kennt alle? Schnickschnack! Nordvan kreierte mit dem MK 490 den radikal eigenen Ansatz. Klar, man muss ein paar Abstriche machen, schläft zudem nur oben, und die fest verbauten Möbel stehen dem Transport der Waschmaschine im Weg. Doch dafür punktet der Ausbau mit der klaren Trennung der Funktionsbereiche. Das Ergebnis: eine Dreizimmerwohnung auf dem kurzem Radstand. Und zwar eine richtig coole!