Martin Santoro
· 13.06.2022
Nach den SUV setzen jetzt SUV-Coupés klassische Karosserie- Konzepte unter Druck – auch bei den Kleinen. Hier fordert der VW Taigo frech seine Plattform-Brüder T-Cross und Polo heraus. Welches der drei Geschwister aber ist der beste Kleinwagen?
Platzhirsch im Revier der modernen Kleinwagen ist seit Jahren der bewährte Polo, den sie bei Volkswagen zuletzt im Sommer 2021 nach vier Jahren aufgefrischt haben. An seinen ungemein ausgewogenen Eigenschaften führte lange Zeit einfach kein Weg vorbei. Doch mit dem weiterhin druckvollen SUV-Boom tut sich die nunmehr sechste Polo-Generationen nicht mehr ganz so leicht beim Führungsanspruch in der Viermeter-Klasse – insbesondere, wenn markeninterne Rivalen zunehmend an Achtung gewinnen. Ein tolles Beispiel dafür ist der T-Cross. Denn was sich seit Einführung auf dessen Hochsitz getan hat, ist eine großartige Erfolgsgeschichte, an der das citypraktische SUV seit 2018 schreibt. Wie sein Polo-Bruder basiert auch der T-Cross auf der A0-Plattform des modularen Querbaukastens MQB. Somit nutzen beide Volkswagen die modernste Technik aus Wolfsburg. Wie sich bereits im Vergleichstest beider Gefährten (GF 9/19) herausstellte, sprechen viele Aspekte für das SUV. Am neuen Bestseller schätzen viele Kunden die gute Übersicht, die etwas höhere Sitzposition und die gute Ergonomie der hochbauenden, aber nicht zu großen Karosserie.
Jetzt legen die Wolfsburger nach, bringen ein Crossover-Coupé in die Kleinwagenklasse. Dabei musste der neue Konkurrent des 4,11 Meter langen T-Cross nicht einmal neu entwickelt werden – er läuft schon seit 2020 als VW Nivus in Brasilien vom Band. Die europäische Variante, die im spanischen Pamplona neben dem T-Cross gebaut wird, hört auf den Namen Taigo und streckt sich, bei nahezu gleichem Radstand, mit 4,27 Metern deutlich länger auf der Plattform als der T-Cross, was ihm viel Beifall bei seinem ersten Test (GF 1/22) einbrachte.
Grünes Licht kommt auch vom Controller der Haushaltskasse: Bringt man Antrieb und Ausstattungspaket, das stets individuell geschnürt ist, auf den kleinsten gemeinsamen Nenner (95 PS-TSI, Klimaanlage, Stahlfelgen), so ist der Taigo gar der günstige kleine Volkswagen. Doch ist der damit auch die beste Wahl? Ein Vergleichstest bringt Klarheit.
Runde eins: Die Karosserie. Als Gemeinsamkeit ist hier der Zustieg über vier Portale zu werten, die bei allen Dreien obligatorisch sind. Treten wir also ein, in die große Welt der Kleinen.
Die Türen von Polo, T-Cross und Taigo lassen sich gleichermaßen weit öffnen, wobei der Einstieg beim T-Cross am leichtesten gelingt, da er zwölf Zentimeter höher baut als der Polo, und den Taigo um sechs Zentimeter übertrumpft. Bei letzteren gilt es bei identischen Türmaßen den Kopf etwas mehr einzuziehen. Nehmen wir den Polo als Referenz, reserviert er einen Großteil des verfügbaren Platzes zuerst den Passagieren in der ersten Reihe. Egal ob Kopf- oder Ellbogenfreiheit, man mag kaum glauben, in einem Kleinwagen zu sitzen.
Taigo profitiert von Polo und T-Cross
Beim Taigo zeichnet sich vorn bei ebenfalls verblüffend großzügiger Innenraumbreite ein identisches Platzangebot ab, mit einem kleinen Vorteil durch die etwas erhöhte Sitzposition, die sich scheinbar allein aus einer Höherlegung der Karosserie ergibt. Ganz anders der T-Cross. Vorn sitzen Fahrer und Beifahrer zehn Zentimeter höher sowie aufrechter als im Polo. Zudem wirkt sich die Dachhöhe im T-Cross positiv auf die Kopffreiheit aus. Bei etwa 1,80 Meter Körpergröße passt bei Polo und Taigo eine Handbreit zwischen Scheitel und Himmel, beim T-Cross sind es gar eineinhalb. Das vermittelt noch mehr Raumgefühl – ohne dass sich Polo- und Taigo-Piloten über Enge beschweren könnten. Hinsichtlich der Übersicht nach vorne und zur Seite ergeben sich klare Vorteile für T-Cross und Taigo. Bei letzterem wird wegen des Coupé-Abschlusses mit flacherer Heckscheibe die Rücksicht deutlich einschränkt.
Was uns nun zur zweiten Sitzreihe führt. Nur beim T-Cross rutscht man in den Fond nahezu über eine Ebene auf die bequeme Sitzbank, während Taigo und erst recht der Polo stufig zu entern sind. Trotz flach abfallender Dachlinie des Taigo liegen Platzangebot und Kopfreiheit in Reihe zwei mit dem Polo gleich auf. Niemand im Fond muss sitzend den Kopf einziehen. Aufrechter sitzt man jedoch im SUV T-Cross, bei dem auch die Bein- auflage am komfortabelsten ausfällt. In Polo und Taigo hingegen werden die Knie doch vergleichsweise hochgehalten. In zweiter Reihe hadern Normalgewachsene in allen drei Modellen kaum mit der Kniefreiheit, weshalb sie das Prädikat „langstreckentauglich“ verdienen. Allgemein gilt zudem: Der jeweils fünfte Platz in der Mitte ist nur für wirklich kurze Strecken oder Kinder geeignet.
Als der beste Allrounder stellt sich jedoch der T-Cross heraus. Während der Hatchback und das SUV-Coupé mit zweigeteilt umlegbaren Rückenlehnen punkten, kontert das SUV zusätzlich mit einer um 14 Zentimeter in der Länge verschiebbaren Rückbank. Das erhöht insbesondere die Variabilität des Ladeabteils, das im Vergleich am größten ausfällt. 385 Liter sind es normal, bei vorgerückter Bank wächst das Volumen auf 455 Liter und bei umgelegter Rückbank fasst der Kofferraum satte 1.281 Liter. Da reicht unser Polo mit 351 bis 1.225 Liter nicht heran, bietet aber gleichermaßen einen ebenen Ladeboden. Beim Taigo ist Frachtgut hingegen über eine Stufe zu hieven. Auf Kosten seines schönen Hecks weist er mit 75,5 Zentimeter auch die höchste Ladekante auf. Bei den anderen kratzt sie an der 70 Zentimeter-Marke. Von der im Vergleich überragenden Fahrzeuglänge von 4,27 Meter profitiert das Ladevolumen des Taigo erheblich. Mit alltagspraktischen 440 bis 1.220 Liter reiht er sich zwischen seinen Brüdern, aber ganz nah beim T-Cross ein. Der größere Überhang des Taigo-Hecks sorgt zudem für die üppigste Kofferraumlänge von 82 Zentimetern. Hier können T-Cross (64 Zentimeter) und Polo (66 Zentimeter) nicht mithalten. Bei gleicher Laderaumbreite von einem Meter bietet der T-Cross wiederum die größte Ladeluke aufgrund seines weniger eingezogenen Dachs. Bei ihm ist der doppelte Ladeboden funktional wie beim Taigo. Beim Polo verhindert der Subwoofer des Beats Audio Systems (500 Euro) diese ansonsten ebenfalls verfügbare Variationsmöglichkeit.
Das überlegene Frachtabteil hat der T-Cross
Kehren wir noch einmal zurück zur Fahrerposition. Die Testwagen Taigo und T-Cross kommen im R-Line-Trimm daher. Ihre jeweils erstklassigen, straff gepolsterten Sportkomfort-Sitze tragen zum Wohlbefinden an Bord bei. Das ist auch beim Polo so, obwohl für dessen Style-Bestuhlung Volkswagen einfachere Bezugsstoffe wählt. Ausreichend Seitenhalt bieten sie alle, selbst wenn mit abgewandelten Wangen gearbeitet wurde. Auch Ablagen bieten die drei reichlich. Hierbei orientiert sich Volkswagen wohlweislich an das hervorragende, praktische Polo- Konzept. Leichte Vorteile in Sachen Bedienergonomie verzeichnen die Cockpits von Polo- und Taigo, sind ihre Bedienelemente doch zum Fahrer hin orientiert. Auch das Thema Qualität wird in Polo und Taigo etwas größer geschrieben, ihre weich geschäumten Armaturenträger liegen schlicht auf einem anderen Level als das T-Cross-Pendant aus Hartkunststoff. Der bietet wiederum als einziger eine verstellbare Mittelarmlehne mit mehrstufiger Arretierung. Warum gibt es das nicht bei Polo und Taigo?
Im Cockpit punktet der T-Cross
Im Direktvergleich wird im Übrigen deutlich, dass Polo- und Taigo eine identische Bedienstruktur aufweisen, mit Leisten zur Schnelltastenwahl in der unteren Mittelkonsole. Beim T-Cross sind diese Bedienfelder viel praktischer zwischen Klimaautomatik und mittlere Luftausströmer platziert, was ihm letztlich den entscheidenden Siegpunkt im Kapitel Cockpit beschert. Ansonsten liegen alle drei gleich auf. Ihre Touch-Bildschirme liegen perfekt im Blickfeld. Der größere Touchscreen mit 23,4 Zentimeter Bilddiagonale kostet mit Navigations-Umfängen samt Streaming und Internetzugang einheitlich 1.670 Euro Aufpreis. Gut ablesbare digitale Anzeigen sind hingegen obligatorisch an Bord. Die Pro-Version mit mehr Funktionen kostet beim T-Cross Aufpreis (400 Euro), während sie bei Polo und Taigo ab der Linien Style erfreulicherweise zum Serienumfang zählen. Die Displays von Polo und T-Cross weisen einheitliche Grafiken auf. Der Taigo leistet sich ein eigenständiges Design.
Fahrfreude mit dem 110 PS-Benziner
Nun das Technik-Match im Kapitel Antrieb. Um echte Vergleichbarkeit herzustellen, sollte das Trio identische Triebwerke mit gleicher Leistung haben, was mit dem hochmodernen Dreizylinder-Benziner gewährleistet wird. Den bewährten Einliter-TSI mit 110 PS Leistung koppelt Volkswagen beim Polo obligatorisch an ein Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe, das mit samtweichen und wieselflinken Gangwechseln trumpft. Bei T-Cross und Taigo lässt sich die DSG-Automatik optional hinzu buchen. Und um es kurz zu machen: Der Direkteinspritzer macht seine Sache wie erwartet gut. Dass unter allen drei Motorhauben Dreizylinder-Benziner arbeiten, hört man keinem der Testkandidaten an. Wirkungsvoll gekapselt gefällt das kleine Turboaggregat im Polo mit guter Laufruhe. Auffällig agil und kraftvoll leitet das Triebwerk seine maximale Schubkraft von 160 Newtonmeter ab 2.000 Umdrehungen an die vordere Antriebsachse in Richtung Räder weiter. Spontan und mit kaum merklicher Verzögerung nimmt der Motor das Gas an und dreht ohne Durchhänger bis 6.100/min hoch. Zudem hält er sich bei sportlicher Fahrweise akustisch vornehm zurück, obwohl der kleine Wolfsburger sogar die schnellste Beschleunigungszeit in den Asphalt stanzt. Als einziger im Trio schafft er den Sprint von null auf Tempo 100 in 10,4 Sekunden. Hier macht sich das geringe Gesamtgewicht von 1.207 Kilogramm bezahlt. Der um rund 50 Kilogramm schwere Taigo ist vier Zehntel langsamer, das Schwergewicht T-Cross (1.290 Kilo) kratzt bereits an der Elf-Sekunden-Marke. Darüber hinaus erledigt der Polo auch Überholvorgänge (80-120 km/h) mit 7,4 zu 7,8 und 7,9 Sekunden lässiger als seine SUV-Geschwister. Dass der Polo eine um vier bis sechs km/h höhere Endgeschwindigkeit erreicht, ist eher nebensächlich. Tempo 200 nach Tacho erreichen alle drei.
Auf kurvigem Geläuf müssen die für sich betrachtet gleichermaßen präzise wie flotten SUV T-Cross und Taigo den Polo ziehen lassen. Dessen tieferer Schwerpunkt bietet hier schlicht bessere Voraussetzungen. Es macht durchaus Sinn, dass Volkswagen nur für den Polo das Sport-Select-Fahrwerk (400 Euro) anbietet, das auf Knopfdruck die Dämpfer strafft und so eine forschere Gangart fördert. Aber auch ohne Sport-Fahrwerk servieren die größeren Brüder, trotz der optionalen 18-Zoll-Räder einen Tick besseren Fahrkomfort – nicht zuletzt auch ein Verdienst ihrer größeren Raddurchmesser.
Verblüffend beim Verbrauch
Auch beim Akustikkomfort überraschen T-Cross und das Youngster-Coupé, die im Fahrbetrieb stets eine Spur leiser auftreten als der Polo. Vor allem in Sachen geringer Windgeräusche stehen sie dem Altmeister in nichts nach. Dass beide SUV etwas mehr verbrauchen, war zu erwarten, sind sie doch 50 (Taigo) beziehungsweise 80 Kilogramm (T-Cross) schwerer, höher und müssen mit einem etwas schlechteren cW-Wert klar kommen.
Dennoch überraschte der geringe Bedarf, der beim T-Cross im Testschnitt bei 6,7 Liter auf 100 Kilometer lag. Nur 0,2 Liter weniger konsumierte der Taigo. Den Bestwert lieferte der Polo mit 6,2 Liter Super ab. Beinahe ein Remis also unter den SUV-Brüdern, beide aber knapp hinter dem Kleinwagen-Klassiker. Wobei noch zu bemerken wäre: Vorausschauend bewegt, lassen sich alle drei auch unter fünf Liter drücken – ein formidabler Beweis der enormen Effizienz des kleinen TSI, der – man muss es eigentlich kaum erwähnen – die umweltschonenden, aktuell geforderten Abgasnormen erfüllt. Ist Eile verlangt, muss man sich über einen Express-Zuschlag bewusst sein, der aber überschaubar ausfällt.
Bleiben in der letzten Runde die Kosten zu beurteilen. Der Einstieg in die Polo-Klasse ist mit 19.345 Euro am günstigsten mit der 80 PS starken Einliter-MPI-Motorisierung. Nur knapp folgt hier der Taigo 1.0 TSI mit 95 PS zu 19.865 Euro. Für den T-Cross geht es mit dem gleichen Antrieb bei 20.775 Euro los, bei allen dreien im übrigen mit Fünfgang-Handschaltgetriebe. Bei unseren erheblich umfangreicher ausgestatteten Testwagen schaut das etwas anders aus. Auf 26.510 Euro kommt der Polo mit DSG in der Linie Style, der bereits etwa mit 15-Zoll-Alurädern, LED-Matrix-Scheinwerfern (IQ.Light) sowie mit Ambientebeleuchtung ausgeliefert wird. Als R-Line, wie seine beiden Kontrahenten angetreten sind, kommt der top ausgestattete Polo auf 27.555 Euro. 2.400 Euro sind für den T-Cross R-Line 1.0 TSI mit DSG mehr anzulegen. Bei ihm sind 17-Zöller im Serienumfang dabei sowie LED-Scheinwerfer. IQ.Light wird für ihn gar nicht angeboten. Das neue Trendsetter-SUV-Coupé Taigo steigt als R-Line zu 30.000 Euro in den Ring.
Unterschiedliche Ausstattungspakete
Zur verführerisch schicken Optik bekommt man für das Geld aber auch am meisten geboten. IQ.Light ist schon an Bord, 17-Zoll-Alus, eine Umfeldbeleuchtung mit Logoprojektion, schwarzer Dachhimmel plus Ambientelicht. Eine kabellose Ankopplung von Smartphones gibt es bei allen drei Testern obendrauf. Selbstredend, dass die Liste der Sonderausstattungen ebenfalls reichhaltig angerichtet ist, seien es diverse Fahrassistenten oder eine Climatronic – Features, die sich preislich alle auf dem jeweils gleichem Niveau bewegen und das Fahren angenehmer und sicherer machen.
Die drei Volkswagen machen ihre Sache wirklich gut. Der Altmeister Polo mit dem fahraktivsten Auftreten bietet Wertigkeit ohne Einschränkungen und erstaunlich viel Platz – ein kleiner Golf eben. Der T-Cross kontert mit der großen Flexibilität seines Innenraumkonzepts und der hohen sowie aufrechten Sitzposition. Bei der Ausstattung und der Materialwahl aber reicht er nicht an den Polo heran. Und das fesche neue Coupé? Der Taigo positioniert sich clever dazwischen, serviert Polo-ähnliche Wertigkeit und Optionen wie Matrix-Scheinwerfer. Auf eine verschiebbare Rückbank verzichtet er, serviert durch seine spürbar größere Länge aber einen kaum kleineren Kofferraum als das SUV – trotz fescher Coupé-Dachlinie. Beim Verbrauch liegt der Hatchback vorne, zudem bietet er als einziger die Wahl eines alternativen Antriebs in Form des TGI-Motors. Toll, dass Volkswagen solch eine Varianz in der Viermeter-Klasse anbietet.
Test kompakt
Bereits das City-SUV T-Cross ist eine echte Bereicherung in der Kleinwagenklasse. Mit größerem Raumangebot und höchster Variabilität holt es Punkte vom geräumigen Polo. Der neue Star im Feld ist aber klar das fesche Cross-over-Coupé Taigo, das die ausgereifte Technologie seiner Brüder nutzt und dem T-Cross an Komfort kaum nach steht. Der Polo kontert mit günstigem Einstand und Verbrauch, geriert sich zudem als Handlingmeister im Feld. Letztlich ist es eine Frage des individuellen Geschmacks, wem man den Vorzug gibt. Denn echte Schwächen leistet sich im Trio keiner.