VW - Das VW-Flaggschiff

Martin Wittler

 · 24.04.2024

VW - Das VW-FlaggschiffFoto: Matthias Haslauer
VW ID.7
Volkswagen hat ein neues Elektro-Topmodell: die Limousine ID.7. GUTE FAHRT hat den Wagen an einem frostigen Tag in Hamburg auf die Belastungsprobe gestellt
Das bislang flachste und gleichzeitig längste I D.-Modell von VW: Das neue Elektro-Topmodell ID.7
Foto: Matthias Haslauer

Der Start in die Elektro-Ära war für Volkswagen nicht einfach. Die 2019 neu ins Leben gerufene ID.-Familie musste gerade zu Beginn viel Kritik einstecken. Mit dem neuen Elektro-Aushängeschild der Marke, der Elektrolimousine ID.7, will VW nun zeigen, dass man auf Kritik der Kundschaft reagiert. Die Erwartungen waren entsprechend hoch, als der ID.7 im November 2023 auf den Markt kam. Erst recht, weil der ID.7 langfristig auch als Nachfolger für den VW Passat auserkoren wurde. Reichlich Druck also. Kann die E-Limousine den Ansprüchen standhalten? Minus zehn Grad zeigt das Thermometer an diesem Dienstagmorgen an, als wir ins Auto steigen. Für Elektroautos und deren Insassen ist scharfer Frost durchaus ein Grund zur Sorge: Fallen die Temperaturen, sinkt in der Regel auch die Reichweite eines E-Autos. Denn ein Teil der Energie wird gebraucht, um das Fahrzeug zu temperieren. Wir sind unterwegs mit dem VW ID.7 Pro, in dessen Unterboden eine Batterie mit 77 kWh nutzbarer Speicherkapazität steckt. Die Reichweite, so Volkswagen, soll bei bis zu 621 Kilometern liegen, der Bestwert aller Elektrofahrzeuge der Marke. Unser Testmodell hat zudem eine Wärmepumpe an Bord. Der Vorteil dieser Technik: Sie benötigt bis zu fünfmal weniger Energie zum Aufwärmen des Fahrzeugs als eine Elektroheizung. An diesem bitterkalten Tag kann die Wärmepumpe nun also zeigen, ob sie ihr Geld (990 Euro Aufpreis) wert ist.

GROSS, FLACH UND WENDIG

Während wir uns im Inneren des Autos einrichten, bilden sich auf den Außenspiegeln, dem Dach und an der Heckpartie bereits Eiskristalle. Reichlich Fläche gibt es dafür beim neuen Elektro-Topmodell von VW. Denn mit 4,96 Metern Länge ist der ID.7 das bislang größte Modell der I D.-Familie. Zumindest bis im Laufe dieses Jahres die Langversion des VW ID. Buzz auf den Markt kommt. Was sofort auffällt: Der ID.7 mag aufgrund der Maße zwar ein mächtiges Kaliber sein, doch hinterm Lenkrad fühlt sich das erstaunlich wendig an. So gelingt der U-Turn oder auch das Fahren durch enge Kurven in der Hamburger Speicherstadt problemlos. Das bestätigen auch die Zahlen: Der Wendekreis des ID.7 liegt bei 10,9 Metern und ist damit genauso klein wie der des Golf VIII. Allerdings: Mit seiner Breite von 2,14 Meter (inklusive Außenspiegel) wird es in Parkhäusern, Waschstraßen oder schmalen Straßen mit durchgängig zugeparkten Seitenstreifen wirklich eng.

Bewertung
Selbst als großgewachsener Mensch sitzt es sich bequem auf dem Fahrersitz. Die zentrale Bedieneinheit des Wagens ist ein 15-Zoll-TouchscreenSelbst als großgewachsener Mensch sitzt es sich bequem auf dem Fahrersitz. Die zentrale Bedieneinheit des Wagens ist ein 15-Zoll-Touchscreen
SO GEHT DIGITALISIERUNG BEI VOLKSWAGEN. DAS NEUE BEDIENKONZEPT IM I D.7 ÜBERZEUGT

Was wir zudem beim Fahren ins Parkhaus bemerkt haben: VW hat beim ID.7 in der Fahrertür zwei Knöpfe eingespart – nämlich die, mit denen die hinteren Seitenscheiben separat heruntergefahren werden können. Anstelle dessen gibt es nun neben den Fensterhebern die Touchfläche „Rear“, die es ermöglicht, die vorderen und hinteren Scheiben über dieselben Tasten zu bedienen. Leider berührt man diesen Umschaltknopf auch mal ungewollt: Als wir unser Parkticket einstecken wollen, öffnet sich aus Versehen das hintere Fenster. Die „Rear-Funktion“ lässt sich leider auch nicht deaktivieren, man kann nur abwarten, bis sie nicht mehr aufleuchtet und dann erst die vordere Scheibe öffnen. Unpraktisch.

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Volkswagen hat den ID.7 als Langstreckenwagen ausgelegt. Seit dem Spritspar-Kleinserienmodell XL1 hat VW nicht mehr so viel Wert auf die Aerodynamik eines Autos gelegt wie hier. Der cW-Wert des ID.7 liegt bei 0,23 – kein anderes I D.-Modell bislang ist ähnlich windschlüpfig. Der geringe Luftwiderstand macht sich bei Autobahnfahrten besonders bemerkbar. Erstens, weil der Wagen auch dort angenehm leise fährt. Und zweitens, weil der Verbrauch beim Fahren mit Tempo 130 km/h während der Testfahrt tatsächlich am niedrigsten ist. Etwa 20 kWh je 100 Kilometer zeigt der Blick auf die Verbrauchsangabe. Vom angegebenen WLTP-Wert (14,1 kWh/100 km) weicht dies allerdings deutlich ab. Bei vollgeladenem Akku und bei Temperaturen rund um den Gefrierpunkt weist die Bordelektronik etwa 450 Kilometer Reichweite aus. Bei wärmeren Bedingungen dürfte der Wert deutlich besser ausfallen. Die 621 Kilometer jedoch, die VW als maximale Reichweite angibt, dürften auch bei besten Bedingungen kaum erreichbar sein.

Doch auch die realistischen Reichweiten des ID.7 machen das Auto langstreckentauglich. Und es zählt ja nicht die Reichweite allein – sondern auch, wie man reist. Erfreulich sind etwa die komfortablen Sitze. Auf Wunsch sind die Vordersitze auch mit Massagefunktion erhältlich. Im Test zeigte sich zudem: Obwohl die Limousine mit einer Höhe von 1,54 Metern das bislang flachste Elektroauto von VW ist, hat man auch mit einer Körpergröße von 1,90 Meter im ID.7 viel Platz. Und das nicht nur in der ersten Reihe, sondern auch im Fond. Die Füße lassen sich unter die Vordersitze schieben, eine Faust passt auch auf der Rückbank zwischen Scheitel und Panorama-Glasdach. Die Luke ist Teil des Exterieurpakets „Plus“ (Aufpreis: 4.585 Euro) und aus sogenanntem Smart-Glas gefertigt: Durch Wischen über einen Slider im Dachhimmel lässt sich die Scheibe in Sekundenbruchteilen auf Wunsch durchsichtig oder blickdicht schalten. Raum satt gibt es allerdings nicht nur für die Insassen, sondern auch für deren Gepäck. Der Kofferraum des ID.7 fasst 532 Liter. Klappt man die hintere Sitzreihe um, werden daraus bis zu 1.586 Liter. Konkurrenten wie der BMW i5 (490/1.490 Liter) oder der Mercedes EQE (380/780 Liter) bieten deutlich weniger Stauraum.

Im Kofferraum des ID.7 muss jedoch unter anderem das Ladekabel verstaut werden. Unter der Motorhaube befindet sich kein Frontkofferraum (Frunk), sondern man blickt bei geöffneter Vorderhaube lediglich auf einige Nebenaggregate. Die E-Maschine hingegen sitzt an der Hinterachse. Sie wurde von Volkswagen neu entwickelt. Es ist der bislang leistungs- und drehmomentstärkste Elektromotor der ID.-Familie: Er leistet bis zu 210 kW (286 PS) und entwickelt ein maximales Drehmoment von 545 Newtonmeter. Der Sprint von 0 auf 100 km/h gelingt in 6,5 Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 180 km/h. Eine leistungsstärkere Allradvariante mit dem Namen ID.7 GTX dürfte noch in diesem Jahr auf den Markt kommen.

INTUITIV, ÜBERSICHTLICH UND PRAKTISCH: DER TOUCHSCREEN

Über den Screen lässt sich nahezu alles steuern – Tasten gibt es im ID.7 keine mehr, außer auf dem Lenkrad. Überladen wirkt der Bildschirm dennoch nicht, weil die Touchflächen großflächig und übersichtlich gestaltet sind. Und weil VW, ähnlich wie von der Smartphone-Bedienung bekannt, einen zentralen Home-Button vorgesehen hat: So gelangt man einfach mit einem Fingertipp ins Hauptmenü. Oben und unten sind zwei feste Menüleisten eingeblendet. In der unteren befinden sich die Touchflächen für die Klimatisierung. In der oberen kann die Fahrerin oder der Fahrer die jeweils präferierten Wunsch-Funktionen anordnen. Etwa die Wahl der Fahrmodi (beim ID.7 Pro: Eco, Comfort, Sport und Individual), die Übersicht der aktivierten Assistenzsysteme oder auch die Karte für das Navigationssystem. Die zusätzlichen Touchslider unterhalb des Screens zur Einstellung der Klimaanlage und zum Anpassen der Radio-Lautstärke sind geblieben. Sie sind nun beleuchtet und damit auch im Dunkeln problemlos bedienbar.

Bei Dunkelheit kommt auch die zehnfarbige Ambientebeleuchtung am besten zur Wirkung. Sie kann über ein Untermenü nach voreingestellten Mustern oder auch nach eigener Präferenz farblich justiert werden. Während der Fahrt ist das lediglich über die Sprachsteuerung des Fahrzeugs möglich, die auf den Zuruf „Hey IDA“ oder über einen Druckknopf auf dem Tastenfeld auf dem Lenkrad reagiert. Im Test funktioniert die physische Bedienung deutlich besser als die akustische Ansprache. Auch die Umsetzung der Sprachbefehle funktionierte nicht durchgehend. Beschwert man sich zum Beispiel über die vereiste Heckscheibe, wird die Heckscheibenheizung sofort aktiviert – und nach kurzer Zeit herrschte wieder freie Sicht nach hinten. Möchte man jedoch zur Hamburger Elbphilharmonie navigieren, dem berühmten Konzertsaal der Hansestadt, versteht das System den Befehl auch nach mehrfacher Ansage nicht. Immerhin entschuldigt es sich.

Tippt man die Adresse hingegen ins Navi ein, erkennt „IDA“ den bekannten Spot sofort und führt einen auch sicher ans gewünschte Ziel. Besonders praktisch: Die Navigationshinweise werden über das serienmäßig verbaute Head-up-Display mit Augmented-Reality-Funktion in die reale Umgebung eingeblendet. Spurwechsel und Abbiegevorgänge werden direkt auf die Straße vor dem Fahrzeug eingeblendet. Auch Assistenzsysteme wie der Abstandsregeltempomat oder der Spurhalteassistent blenden ihre Informationen ins reale Straßenbild ein. Sie zeigen an, wenn man eine Fahrbahnmarkierung zu überfahren droht oder markieren ein vorausfahrendes Fahrzeug, zu dem Abstand gehalten wird. Das erhöht das Sicherheitsgefühl im Auto spürbar, da so die schützenden Technologien der Assistenzsysteme optisch erkennbar und damit besser nachvollziehbar werden.

SPIELKRAM FÜR DIE LADEZEIT

Die Sicherheit steht im Vordergrund, doch es gibt – allerdings nur wenn der ID.7 parkt – auch etliche Spielfunktionen zur Unterhaltung der Insassen. So lässt sich die Wartezeit beim Laden überbrücken. Der ID.7 ist bei vorgeheizter Batterie in der Lage, am Schnelllader Gleichstrom mit bis zu 175 kW zu laden. In 28 Minuten, so verspricht es VW, soll der Ladestand der Batterie von 10 auf 80 Prozent erhöht werden. Da solche Werte jedoch bei etwas mehr als 20 Grad, der Wohlfühltemperatur eines Akkus, errechnet werden, kann die maximale Ladeleistung bei unserem Winter-Test nicht erreicht werden. Da dauerte eine vergleichbare Energiezufuhr etwas länger als 40 Minuten. Genügend Zeit um die Entertainment-Systeme zu testen wie „VW Go“: Beim bereits installierten Autorennspiel lenkt man über den Touchscreen oder über die Pfeiltasten auf dem Lenkrad ein virtuelles Elektroauto von VW durch die Simulationswelt.

MIT DEM VW ID.7 HAT VW EINE AUSGEWOGENE ELEKTRO-REISELIMOUSINE AUF DIE RÄDER GESTELLT. EIN ALLRADMODELL WIRD DEMNÄCHST FOLGEN

In der realen Welt überzeugt der VW ID.7 allemal. Mit dem Elektro-Fahrzeug setzen die Wolfsburger ein Ausrufezeichen im Segment der gehobenen Mittelklasse.