Arne Olerth
· 08.08.2022
Der König der Campervans kommt aus Hannover: der VW California 6.1 Ocean. Mit seiner unvergleichlichen Reife versüßt der Reise-Bulli jeden Urlaub, gerade auch durch die Neuerungen des aktuellen Jahrgangs
Ganz gleich, ob soziale Medien im Internet oder die Magazine am Lieblingskiosk – das Thema „Vanlife“ ist gerade der ganz große Hype in der Berichterstattung. Unabdingbar dafür ist ein „Campervan“, ein Kleintransporter, der mit entsprechenden Einbauten Reisen, Schlafen und Leben mit und in ihm ermöglicht. Das Netz und die Magazine sind voll von teils spektakulären, meist sehr kreativen Do-it-Youself-Lösungen, zudem lockt gleich eine ganze Industrie-Branche mit professionellen Ausbauten. Die Ursprünge gehen zurück in die 50er-Jahre – und sind eng mit dem VW Bus verbunden. 1950 konzeptionierte die Firma Westfalia für einen Kunden einen Ausbau für den neuen Bulli zum Wohnen, Schlafen und Arbeiten – die Geburtsstunde der erfolgreichen, demontierbaren Camping-Box. In den Sechzigern erfolgte der Wechsel zu vollwertigen Wohnmobil-Ausbauten – die steile Karriere des vielfach weiterentwickelten Westfalia-Campingbusses begann. Heute ist der Camping-Bulli die Referenz unter den kompakten Reisemobilen, das Schweizer Taschenmesser, das den Alltag genauso meistert wie die große Ferientour mit Kind und Kegel. Sein Name: VW California 6.1.
Highend seit 18 Jahren
Tauchte der Califonia 1989 erstmals als weitere Camingbus-Variante auf, ist er seit 2004 die einzige Version des Camping-Bulli. Damals endete die Zusammen-
arbeit mit Westfalia, Volkswagen übernahm mit der Einführung des T5 die Entwicklung des Campers. Und seine Fertigung, die mit großem Enthusiasmus der VW-Mitarbeiter in Hannover erfolgt. Sollten Sie beim Betrachten der Bilder erstaunt sein, dass hier nicht der neue T7 im Camping-Ornat zu sehen ist, helfen wir gerne weiter: Volkswagen Nutzfahrzeuge weitet das Thema „Bulli“ zu einem veritablen Dreiklang aus: Der T7 wird ausschließlich als Multivan produziert, für den California wird weiterhin der raumgewaltige T6.1 als Basis genutzt. Und der Shooting-Star ID.Buzz? Volkswagen Nutzfahrzeuge hat bereits eine Camping-Version für den Elektro-Bulli angekündigt. Die wird allerdings erst in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts spruchreif. Der California 6.1 ist dabei ganz sicher kein Trostpreis, eher ein Hauptgewinn: Die Grundkonzeption von Aufbau und Ausbau datiert nunmehr fast zwei Jahrzehnte zurück, wurde dabei stetig weiterentwickelt und verfeinert. Damit hat der Campingbulli eine Reife erreicht, die ihresgleichen sucht. Vorhang auf für den Test des Jahrgangs 2022.
Vernetzt, assistiert – und draußen daheim
54.460 Euro zeigt die Preisliste als Basispreis. Doch Obacht, dafür gibt es den California Beach. Der kommt ohne Möbelausbau, optional mit Mini-Kocher. Die Vollfett-Stufe des Camping-Bulli hört auf den Namen California Ocean und kostet mindestens 72.310 Euro – mit 110-PS-TDI. Unser Testwagen aber kam mit satten 204 PS, DSG und Allradantrieb. Macht 86.894 Euro. Wählt man jetzt noch aus dem reichhaltigen Assistenz-Arsenal des T6.1, setzt Kreuzchen beim formidablen Adaptiv-Fahrwerk DCC, der mechanischen Differentialsperre und den reichhaltigen Wohnbereichs- individualisierungen kommt man der Grenze zum sechsstelligen Bereich bedrohlich nahe.
Dafür bietet der California eine ganze Menge – nicht nur seine außergewöhnlich hohe Wertstabilität: Unter der Woche verwöhnt er mit ähnlichen Tugenden wie der Multivan, passt mit unter fünf Metern Länge in fast jede Parklücke und mit 1,99 Metern Höhe in beinahe jedes Parkhaus. Die Übersicht auf das Verkehrsgeschehen lässt jeden SUV-Fahrer neidvoll erblassen – das präzise Lenkverhalten und der enorme DCC-Fahrkomfort sind ein weiterer Pluspunkt des aktuellen Jahrgangs. Platz für Gepäck und Passagiere ist kein Thema – solange sich hier die Zahl auf vier beschränkt. Mit 199-km/h-Spitze mischt der 204-PS-Camper auch auf der linken Spur ganz vorne mit.
Die große Stunde des Cali aber schlägt auf der großen Fahrt in den Urlaub. Hier würde wohl der günstigere 150-PS-TDI reichen, auf den Komfort des DSG-Getriebes aber sollte man nicht verzichten.
Am Ziel wandelt sich der Cali blitzschnell in ein Urlaubsdomizil mit Vollausstattung: Ein kurzer Blick auf die Camper-Bedieneinheit zwischen den Sonnenblenden sichert die waagrechte Ausrichtung des geparkten Bulli – wichtig für einen erholsamen Schlaf. Dann heißt es: Knöpfchen drücken, und schon fährt das Schlafdach elektro-hydraulisch nach oben. In den A-Säulen montierte Rollos sorgen für Privatsphäre, die Pilotensitze der ersten Reihe sind mit einem Hebelzug gedreht – der Wohnraum ist flott gestaltet. Willkommen daheim! Die Standheizung fächert auf Knopfdruck wärmende Luft, Geldbeutel und Papiere sind flott im Safe verstaut. Jetzt eben noch die Markise ausfahren und den Außentisch aus der Schiebetür holen – ebenso wie die Stühle aus der Heckklappe. Schon kann man den Urlaub mit einem Buch vor dem Camper gemütlich einläuten – den kühlen Prosecco stellt die bordeigene Kompressor-Kühlbox bereit.
Ausbau aus Aluminium-Sandwichplatten
Die gehört zur opulenten Bord-Küche – mit Zweiflamm- Gasherd, selbstverständlich mit Piezo-Zündung, und einem Waschbecken mit fließend Wasser. Das alles ist bei Nichtbenutzung edel unter gefrosteten Glasscheiben verborgen. Überhaupt überzeugt der Ausbau mit einer Qualität, die ihresgleichen sucht. Die Möbel sind aus Alu-Sandwichplatten gefertigt, die Griffmulden edel in dem gleichen eloxierten Leichtmetall eingefasst. Geschmackvolle Holzdekore sorgen für ein feines Ambiente.
Erholsamer Schlaf gehört zu einem guten Urlaub dazu – der Cali verwöhnt vier Reisende mit komfortablen Betten. Unten wird dazu die Bank nach vorne gezogen, die Lehne flach gelegt, fertig. Perfektioniert wird der Liegekomfort durch die empfehlenswerte Komfort- Schlafauflage, die selbst sensible Naturen verwöhnt. Wir aber würden die Bel Etage darüber wählen – mit Tellerfedern ist hier ein wonniglicher Schlaf garantiert. Zudem kann der vordere Teil des Faltenbalgs geöffnet werden. Das ermöglicht ganz neue Aussichten und Wahrnehmungen – auch die bewundernden Blicke anderer Campervan-Eigner.
Test kompakt
So gut wie nie zuvor: Dem T-California ist seine enorme Reifezeit anzumerken – beim Fahren, beim Schlafen, in der Küche und im Alltag. Besser geht es in dieser Klasse nicht. Günstig freilich war er noch nie. Wer zum 150-PS-TDI greift und auf Allrad-Antrieb verzichtet, macht das Urlaubsvergnügen erschwinglicher.