Joshua Hildebrand
· 24.01.2023
Biturbo-V8, 507 PS, 250 km/h Spitze, 3,5 Tonnen Anhängelast – das sind die Eckdaten des Audi SQ8, der das RS-Topmodell fast überflüssig macht. Glauben Sie nicht? Mitkommen!
Gut, dass wir alle unterschiedlich sind – auch bei der Wahl unserer Autos. Die einen mögen es lieber ruhig und unauffällig. Die anderen stehen auf Krawall und Extravaganz. Was uns gefällt oder nicht, hat logischerweise mit dem Persönlichkeitstyp zu tun. Insgesamt vier soll es laut Verhaltenspsychologen geben. Noch dazu lassen sich diese Farben zuordnen, kein Scherz! Rot stehe dabei für dominant, Gelb für intuitiv, Grün für stetig und Blau für gewissenhaft. Jetzt können Sie sich gerne überlegen, zu welcher Farbe Sie sich zählen würden. Wie dem auch sei: Bei unserem heutigen Probanden ist der Fall ziemlich klar: rot, rot, rot! Passt, denn der ist auf jeden Fall dominant, selbstbewusst und zielstrebig. Betritt der Audi SQ8 die Bühne des Boulevards, wird’s zwangsläufig wohl jeder mitbekommen. Erst recht, wenn diese Wuchtbrumme in Knallrot, Verzeihung, Misanorot Perleffekt (Audi Exclusive, 3.900 Euro) lackiert ist.
Er ist kaum zu übersehen. Und vor allem kaum zu überhören. Denn das eigentliche Statement dieses Flaggschiffs sind nicht einmal seine stattlichen Proportionen. Auch nicht seine kolossale Front oder die vier Auspuffendrohre am Heck. Sondern das Kraftwerk in ihm. Denn auch das S-Modell darf über den äußerst potenten Vierliter-V8-Biturbo-Benziner des Lamborghini Urus oder Bentley Bentayga verfügen – na, wenn das mal kein Ritterschlag ist. Selbes Herz schlägt übrigens auch im RS Q8 (Test in GF 1/21). Statt der dort gebotenen Power von 600 PS und 800 Newtonmetern kredenzt „S“ mit 507 PS und 770 Newtonmeter kaum weniger. Immerhin kostete der S zuletzt mindestens 106.300 Euro, der RS fast 30.000 Euro mehr.
Bewusst schreiben wir in der Vergangenheitsform, weil sowohl der S als auch der RS Q8 derzeit nicht bestellbar sind. Laut Audi-Presseabteilung sei er „ausverkauft“ und man arbeite derzeit bestehende Kundenaufträge ab. Die Lieferzeit betrug zum Schluss 18 Monate. Weil aber schon von einem Facelift für kommendes Jahr die Rede ist, müssen Interessenten auf junge Gebrauchte zurückgreifen – was uns nicht daran hindern soll, eine klare Kaufempfehlung für diesen SUV-Coupé-Hammer auszusprechen. Und das hat einen einfachen Grund: Weil es Pkw wie den SQ8 vor allem in Deutschland nur in homöopathischen Dosen gibt. Wo sonst kriegt man noch ein bildhübsches SUV mit V8-Power, Sportwagen-ähnlichen Fahrwerten und einer Anhängelast von 3,5 Tonnen? Denken Sie nicht weiter darüber nach. Es gibt kaum welche …
Power trifft Komfort
Das Datenblatt dieses Audi liest sich wahrlich wie ein Supertrumpf: Gerade einmal 4,1 Sekunden vergehen aus dem Stand auf Tempo 100. Weitere vier Sekunden später ist man bereits schneller als die meisten Autobahnen erlauben. Und das, obwohl der Audi knapp 2,3 Tonnen wiegt, über fünf Meter lang, knapp zwei Meter breit und 1,71 Meter hoch ist. Eigentlich völlig widersprüchlich, dass so eine rollende Schrankwand auch nur im Ansatz agil sein kann.
Doch die Zeiten haben sich geändert: Der Audi SQ8 TFSI ist bis unter die Motorhaube vollgepackt mit modernster Technik, um beim Fahren von seinen Pfunden abzulenken. In Serie kommt der SQ8 mit einer geschwindigkeitsabhängigen Lenkunterstützung (Progressivlenkung), einer Hinterachslenkung und einer elektronisch geregelten Sportluftfederung samt stufenlos adaptivem Dämpfungssystem. Audi hat unseren Testwagen zudem mit dem Fahrwerkspaket Advanced für weitere 4.800 Euro ausgestattet. Dieses beinhaltet zusätzlich eine aktive 48-Volt-Wankstabilisierung sowie ein Sportdifferenzial für den Quattro-Allradantrieb. Keine schlechte Wahl, wie wir gleich merken werden …
Doch nehmen wir zunächst Platz. Steigen etwas in die Höhe und erfreuen uns am äußerst luxuriösen Interieur. Die Hände ertasten feinste Materialien: Carbon, Klarlack, Alu, Alcantara und feine Nähte. Die Nase erschnuppert Neuwagengeruch und das edle Leder (Valcona, 1.500 Euro) unserer Sportsitze Plus, die keine Wünsche offen lassen. Elektrisch einstellbar und mit Memory-Funktion, Sitzbelüftung sowie Massage ausgestattet, lässt es sich wahrlich aushalten. Ja, das hier ist die oberste Liga, im wahrsten Sinne des Wortes Oberklasse. Da passt so ein Achtender unter der Haube ziemlich gut ins Bild, nicht wahr?! Standesgemäß erfolgt der Start über den rot umrandeten Knopf, der sich in der mächtigen Mittelkonsole befindet. Schon entweicht aus der vierflutig verblendeten Abgasanlage ein echtes Donnerwetter. Ein emotionaler Moment, vor allem wenn man soeben von einem E-Auto umgestiegen ist. Weil’s so schön ist, lauschen wir noch ein paar Sekündchen …
Im Stand brabbelt der Achtender sonor vor sich hin und macht Lust auf mehr. Nun flink den Ganghebel, der auch aus einem Flugzeug stammen könnte, in die S-Position schieben; schon geht’s vorwärts. Dabei ist es vor allem die Kombination aus Power und Komfort, die süchtig macht. Schuld daran hat auch die adaptive Luftfederung (Serie). Dank der Verstellmöglichkeit kann die Karosserie im Offorad-Modus um bis zu 50 Millimeter angehoben oder um 40 Millimeter abgesenkt werden – mehr Bodenfreiheit für Fahrten über Stock und Stein oder weniger Bodenfreiheit für dynamische Kurvenfahrten. Dabei bügelt er Unebenheiten der Straße weg, als wären sie nie da gewesen. Auf Zug schiebt der Biturbo mit einer unglaublichen Vehemenz nach vorne – stets untermalt vom V8-Brabbeln, das genau im richtigen Maße nach innen tönt. Es ist wie, als würde man mit der rosaroten Brille einen Actionfilm betrachten. Weitgehend abgeschirmt von der Außenwelt und entkoppelt von Störfaktoren, reiten wir auf der grünen Welle. Gemeint sind natürlich die Ampelphasen, die es heute gut mit uns meinen. Kickdown … und weiter. Turboloch? Ein kleines vielleicht. Doch ab 2.000 Umdrehungen werden im Volllastbetrieb bis zu 770 Newtonmeter an alle vier Räder weitergeleitet, so dass das Hirn manchmal Mühe hat, zu folgen.
Das Management aller geregelten Fahrwerkssysteme ist in das Steuergerät der Elektronischen Fahrwerkplattform (EFP) integriert. Die Systeme sind eng vernetzt und arbeiten fein abgestimmt mit höchster Präzision. So werden etwa die Dämpfer im Millisekunden-Takt angesteuert. Als zentrales Fahrwerks-Steuergerät erfasst die EFP alle wichtigen Daten über die Bewegung des Autos und über die beteiligten Systeme. Aus ihnen errechnet sie im integralen Fahrdynamikregler die optimale Einstellung der Komponenten. Hinter dem ungewöhnlich agilen Handling steckt also nicht nur jede Menge Hardware, sondern auch Software. Je nachdem, welchen Fahrmodus wir über das Drive Select wählen – Comfort, Auto, Dynamic, Efficiency, Allroad, Offroad und Individual – passt der EFP eine Vielzahl der fahrrelevanten Systeme an. Davon ausgenommen ist die Allradlenkung, die quasi ihr eigenes Ding macht, sich aber dennoch passend in das Gesamtlayout integriert. Vor allem mit der Option der Wankstabiliserung (eAWS) und des Quattro-Sportdifferenzials (Fahrwerkspaket Advanced, 4.800 Euro) ist es unglaublich, wie der Dicke ums Eck pfeift. Oder haben Sie schon mal einen leichtfüßigen Sumo-Ringer gesehen?
Hightech versus Physik
Die Kurvenperformance, die der SQ8 in Summe aufs Parkett legt, ist tatsächlich Porsche-ähnlich. Ein Hauch Cayenne, der übrigens auf der gleichen Plattform basiert, schwingt jedenfalls mit, wenn wir den SQ8 bewusst provozieren und so fahren, als wäre es alles andere als ein Monster-SUV. Das Anbremsen via optionaler Keramikstopper (8.500 Euro) geht jedenfalls äußerst leicht und präzise vom Fuß, auch wenn sich das hohe Gewicht nicht wegdiskutieren lässt. Das Anvisieren des Kurvenscheitels gelingt dank Progressivlenkung ebenfalls mühelos. Und tatsächlich hält sich auch das Wanken in Grenzen – eAWS sei Dank. Wann wir in der Kurve wieder voll auf dem Gas stehen, ist angesichts der perfekt abgestimmten Elektronik irgendwie völlig egal. Schlupf bleibt so gut wie in allen Situationen ein Fremdwort für den SQ8. Sein Fahrverhalten ähnelt dem einer Eisenbahn: wie auf Schienen. Schnell fahren ist in diesem Power-SUV absolut kein Ding – auch nicht für ungeübte Fahrer. Wirklich anspruchsvoll ist es aber nicht. Es bleibt ein Luxus-SUV mit sportlichen Optik-Anleihen und einem echt fetten Motor unter der Haube. Im SQ8 reicht das Wissen, Leistung zu besitzen. Man muss sich einfach nichts mehr beweisen. Das ist wohl ähnlich wie mit den Porsche-Fahrern, die man auf Autobahnen eher links vermutet, die aber meistens tatsächlich höchstens auf der Mittelspur zu sehen sind.
Entspanntes Reisen passt ohnehin viel besser zum Q8. Außerdem würde man an der Zapfsäule zu oft das Heulen bekommen – falls die Spritkosten für einen SQ8-Eigner überhaupt stark von Interesse sind. Das Sympathische ist, dass das V8-TFSI-Dickschiff nicht immer aus dem Vollen schöpft, sondern auch Wert auf Effizienz legt. So beherrscht der Achtzylinder im Teillastbereich die Zylinderabschaltung COD – abgekürzt für „cylinder on demand“. Bei Bedarf läuft das SUV also nur auf vier Zylindern. Gibt man Stoff, so schalten sie sich wieder unmerklich hinzu. Zwei Twinscroll-Abgasturbolader verbessern zudem die Füllung der acht Brennräume und die Achtgang-Steptronic, eine wirklich flotte Wandlerautomatik, kommt nicht nur souverän mit dem hohen Drehmoment zurecht, sondern schaltet auf Wunsch verbrauchsoptimiert. So kann der flott gefahrene 14-Liter-Testverbrauch mit ein bisschen Zurückhaltung auch auf etwa zehn Liter gedrückt werden.
Von allem mehr als genug
Der Audi SQ8 schlägt sich als Business- und Reisefahrzeug prächtig, bietet dabei unerwartet oft eine ordentliche Portion Sportlichkeit, die vor allem im SUV-Segment seinesgleichen sucht. Zur Allroundfähigkeit passt im Übrigen auch der Kofferraum, der 605 Liter fasst und mit dem Umlegen der Rückbank auf 1.755 Liter wächst. Wer noch mehr Gepäck mitnehmen will, wählt den fünfsitzigen Audi SQ7 mit gleichem Antrieb, der sogar 803 bis 1.980 Liter bietet.
So der so fühlt man sich in Audis Luxus-SUV-Klasse auf Anhieb mehr als gut aufgehoben. Da ist das Interieur mit bestechend guter Qualität, dazu eine top-moderne Kommandozentrale, wie man sie schon aus dem Audi A8 kennt. Insgesamt drei Displays gibt es zu bestaunen, das virtuelle Cockpit, das Zentraldisplay sowie eines für die Klimafunktionen darunter.
Hinzu kommt das tolle Head-up-Display (optional) und auf Wunsch auch jede Menge Assistenten. Dass der SQ8 auf Wunsch teilautonom fahren kann (adaptiver Fahrassistent), dürfte nicht mehr allzu sehr verwundern. Bei so einem großen Auto gefallen umso mehr Assistenzen wie der Parkassistent, der dem Dicken die Fähigkeit verleiht, in Längs- sowie Querparklücken ein und auszuparken. Nicht nur faszinierend, sondern richtig hilfreich empfanden wir den Nachtsichtassistenten (optional), der uns bei nächtlicher Fahrt durch ein Waldstück auf einen Radfahrer ohne Licht aufmerksam machte; wir hätten ihn sonst beinahe übersehen.
So steigen wir am Ende des Tages entspannt und hocherfreut aus diesem SQ8. Und sind uns sicher, dass er ziemlich nah an der Perfektion ist. Wie gesagt: Wo sonst gibt es ein V8-SUV dieser Güte mit Fahreigenschaften eines Sportwagens, dem Luxus eines Business-Klasse-Flugzeugs samt der Praktikabilität eines Nutzfahrzeugs? Ganz ehrlich: Dieser Ingolstädter bietet genug von allem. Und das macht das RS-Modell eigentlich überflüssig.
Motor
V8-Ottomotor, vorn längs, zwei Twin-Scroll-Turbolader, LLK, vier oben liegende Nockenwellen (2x DOHC), 32V, kont. Nockenwellenverstellung mit Kettenantrieb, Benzin-Direkteinspritzung (250 bar), elektronisches Motormanagement, COD-Zylinderabschaltung, 2 motornahe Keramikkats, OPF, Start-Stopp-System, Mild-Hybrid-Technologie (MHEV) mit Riemen-Starter-Generator (RSG) & 48V-Teilbordnetz, Rekuperation, Abgasnorm Euro 6d-ISC-FCM
Leistung
Fahrwerk
Fünflenker-Achse v/h, adaptive Dämpfer & geregelte Luftfederung; Stabi v/h, Hinterachsträger elastisch gelagert, elektromechanische Servolenkung (progressiv), Allradlenkung (Serie), Wankstabilisierung (Option), Keramikbremsscheiben rundum (Option, v/h 420/370 mm), ESP
Reifen (Serie SQ8):
285/45 R 21 auf 10 J x21 Zoll; Alufelgen im „5-V-Speichen“-Design
Testwagen:
285/40 R 22 auf 10 J x22 Zoll; Alufelgen im „5-Doppelspeichen-V“-Design
Kraftübertragung
Perm. Allradantrieb Quattro mit selbstsperrendem Mittendifferenzial, Sportdifferenzial an HA (Option), 8-stufige Tiptronic
Übersetzungen:
1.-8.: 4,71; 3,14; 2,11; 1,67; 1,29; 1,00; 0,84; 0,67
R: 3.32;
Achse 1-2/2-3: 3,20/1,00
Fahrleistungen – GF-Messwerte
Beschleunigung
0 - 60/80/100 km/h in 2,0/3,0/4,1s
0 - 120/140/160 km/h in 5,7/7,5/9,6s
0 - 180/200 km/h in 12,3/15,9
80 - 120 km/h in 2,8s
Tachoanzeige 100 = eff. 97 km/h; Vmax= 250 km/h (elektronisch abgeregelt, WA)
Verbrauch Super Plus 98 ROZ (Liter pro 100 km)
Testverbrauch 13,9
Minimum 9,6
Maximum 18,7
Gesamtstrecke (NEFZ) 12,2
Kombiniert (WLTP) 12,8
CO2(NEFZ/WLTP) 279/291 g/km
Jahreskosten
Effizienzklasse / Kfz-Steuer = F/ 724
Typklasse Haftpflicht/TK/VK = 22/30/29
Karosserie
Audi SQ8 Quattro V8 4.0 TFSI
Viertüriges SUV, Stahl-Alu-Mischbauweise, fünf Sitze, LxBxH 5.006 mm x 1.995 (o. Spiegel) x 1.708 mm, Radstand 2.998 mm, Spur v/h 1.679/1.687 mm, cW-Wert 0,35, Leergewicht (inkl. Fahrer, 75 kg) 2.345 kg, zul. Gesamtgewicht 2.960 kg, Zuladung 690 kg, Dachlast/Stützlast 100/140 kg, Kofferraum 605 - 1.755 l, Anhängelast (bis 12 %, gebr.) 3.500 kg, Tank 85 l
Assistenten
Serie:
Optional (Auswahl):
Konnektivität
Serienmäßig:
optional:
Preise (in Euro)
Test kompakt
SUV wie der Audi SQ8, die locker 250 km/h schnell sind und noch dazu 3,5 Tonnen an den Haken nehmen können, gibt es hierzulande nur in homöopathischen Dosen. Dieses Auto ist ein Geschoss, das mit seinem kolossalen Auftritt und dem Biturbo-V8 unter der Haube so gut wie alles andere in den Schatten stellt. Dazu bietet er Fahrleistungen und Komfort auf bereits so hohem Niveau, dass der RS überflüssig erscheint.