Technik Audi-A6-Bedienkonzept MMI Touch Response & Virtual CockpitMulti-Media

Martin Santoro

 · 01.07.2021

Bild NaN
Foto: Audi, Santoro

Audis Oberklasse-Cockpits verzichten weitestgehend auf analoge Tasten und Regler. Die neuen Bedienoberflächen wirken zunächst komplex, sind aber nach kurzer Eingewöhnung leicht verständlich und bieten viele Vorteile

Die Fahrzeug-Bedienung steht mehr denn je im Zeichen der Digitalisierung und setzt trotz der hochkomplexen Technologie, die sich dahinter verbirgt, auf eine minimalistische Gestaltung mit flacher Menüstruktur. Eine zentrale Rolle nehmen dabei Touch-Displays ein, so auch bei dem im Audi A6 integrierten Bediensystem „MMI Touch Response“. Bis auf wenige Ausnahmen gehören Tasten und der selige Dreh-Drück-Steller bei der aktuellen Fahrzeuggeneration der Vergangenheit an. Damit folgt der A6 seit 2018 dem Bedienkonzept von A8 und A7 Sportback. Anhand der Audi-Limousine A6 50 TFSIe, die sich aktuell im GUTE FAHRT-Dauertest befindet, wollen wir näher auf einzelne Anwendungen des Systems eingehen. Es basiert bei unserem Testwagen Modelljahr 2021 auf dem Infotaimment-Baukasten MEB 2+ und wurde im Frühjahr durch ein Update auf MEB 3 modernisiert, der ab dem Modelljahr 2022 nun auch Standard ist.

Auf dem oberen Display, dessen Diagonale mit der MMI Navigation Plus 10,1 Zoll misst (Serie beim 50 TFSIe), können Fahrer oder Beifahrer das Infotainment managen. Das untere Display mit 8,6-Zoll-Diagonale liegt auf der Mittelkonsole und dient zur Regelung der Klimatisierung des Innenraums. Zudem sind dort Fahrzeug- und Komfortfunktionen anwählbar – wie etwa die Texteingabe per Handschrift oder virtueller Tastatur. Dabei sind sämtliche Elemente ergonomisch so ausgerichtet, dass sie vor allem vom Fahrer problemlos und komfortabel zu erreichen sind. Bei einer Texteingabe legt er etwa sein Handgelenk auf den stützenden Wahlhebel des Automatikgetriebes.

Auch bei der Funktionalität ist alles darauf ausgelegt, dass die Handhabung möglichst unkompliziert ist: Das MMI lässt sich intuitiv wie ein Smartphone mit Touch- und Wischgesten steuern. Mit haptischen, visuellen und akustischen Rückmeldungen bestätigt das System die Ausführung von Bedienbefehlen. Berührt der Finger das Glas sanft, löst er nicht gleich eine Funktion aus – das geschieht erst, sobald mit definierter Kraft leichter Druck ausgeübt wird. Als Bestätigung ist ein Impuls an der Fingerkuppe zu spüren, gleichzeitig ertönt ein Klickgeräusch. Die haptische Rückmeldung entsteht durch das Einwirken eines Elektro-Aktuator, der wenige Millisekunden auf eine Veränderung der berührten Glasoberfläche reagiert. Die Haptik lässt sich je nach Wunsch in drei Stufen einstellen oder aber auch ganz deaktivieren. Die Rückmeldungen – ob haptisch, akustisch oder visuell – ersetzen nicht einfach frühere Tasten und Schalter. Die realisierte Sensibilität mit ihren sensorischen Reizen als Rückmeldung hilft, die Bedienbarkeit für den Fahrer insgesamt zu erleichtern. Denn während der Fahrt sollte die volle Aufmerksamkeit dem Straßenverkehr gelten. Dabei wäre es weniger förderlich, wenn mit dem Finger ausgeführte Befehle einer zusätzlichen optischen Kontrolle am Bedienelement bedürften.

Virtuelle Befehle mit haptischer Rückmeldung

Das digitale Bediensystem erlaubt es zudem, zentrale Fahrzeugfunktionen per Drag-and-Drop-Bewegung an die gewünschte Position im MMI-Bildschirm zu platzieren. Ähnlich wie bei einem Smartphone sind viele Icons mit Longtouch- und Longpush-Funktionen hinterlegt. Gilt es beispielsweise im Hauptmenü eine Kachel neu zu positionieren, muss sie knapp eine Sekunde lang gedrückt werden. Dann erfolgt eine kurze Vibration – und das Verschieben ist freigegeben. Berührt der Finger ein Icon, ändert dessen Fläche leicht die Farbe; drückt er durch, verfärbt sich das Icon stärker. Shortcuts und Favoritentasten bilden zudem eine Basis für noch mehr Individualität und Bedienkomfort.

Auf Wunsch ist obendrein eine Sprachbedienung möglich, die dem Konzept einer natürlichen Spracherkennung folgt – der Benutzer kann damit nahezu frei mit dem System interagieren. Bei Bedarf stellt die Sprachsteuerung Rückfragen, erlaubt Korrekturen und Ergänzungen und bietet Auswahlmöglichkeiten. Im Dialog kann der Benutzer auch zwischen einzelnen Menübereichen wechseln. Etwa wenn ein Kontakt angerufen wird, lässt sich dieser bei hinterlegter Adresse gleich als Ziel für die Navigation übernehmen. Kommandos und Fragen beantwortet die Sprachbedienung auf zwei Wegen: aus den onbord gespeicherten Informationen über bevorzugte Ziele und Medien oder aus der Cloud als Offbord-Lösung.

Suchen wie bei Google

Das MMI kann weitaus mehr. Für alle Grundmenüs ist eine Suchfunktion verfügbar, die wie eine Suchmaschine auf freier Texteingabe basiert. Sie beantwortet Fragen in der Regel bereits nach wenigen Buchstaben und berücksichtigt dabei den Standort des Autos. Bei der Restaurant-Suche etwa genügen der Name des Lokals und die ersten Buchstaben der Stadt – schon erscheinen die Treffer der Ergebnisliste mit Adresse.

Hier kommt die selbstlernende MMI-Navigation ins Spiel, die unter anderem das Audi Connect-Datenübertragungsmodul enthält, das auf den schnellen Standard LTE Advanced ausgelegt ist. Damit verbunden ist die Audi Connect-SIM-Karte, die, fest im Auto montiert, ein unbeschränktes Datenvolumen bietet. Die Berechnung der Fahrrouten läuft online auf den Servern von Audis Kooperationsparnter HERE, die dafür Daten aus dem gesamten Verkehrsgeschehen einbeziehen. Falls unterwegs die Datenverbindung abreißt, wechselt die Navigation auf die im Hintergrund mitlaufende Onboard-Zielführung. Im Jahr bietet Audi vier kostenlose Karten-Updates, auf Wunsch kommen sie over-the-air in den A6.

Das vielseitige Connect-Angebot reicht von der Navigation mit Google-Satellitenkarten über Online-Verkehrs- und Wetter-Informationen bis zu den Diensten „Notruf & Service“. Neben den Anzeigemöglichkeiten sowie einer Bedienung über das MMI oder per Sprachbefehl, dient auch das 12,3 Zoll große Virtual Cockpit (Serie im 50 TFSIe) als Bildschirm. Die Steuerung erfolgt dabei über das Multifunktionslenkrad. Das voll digitale Kombiinstrument mit Full-HD-Auflösung von 1.920 x 720 Pixel zeigt vielfältige Informationen übersichtlich und in detailreichen Grafiken an. Dazu gehören klassische Werte für Geschwindigkeit und Drehzahl sowie Navigation, Medien und Fahrassistenzsysteme. Tiefere Änderungen der Grundeinstellungen sowie Ansichtsoptionen des Head-up-Displays (1.400 Euro) justiert der Fahrer wiederum am MMI.

Über den zentralen Bildschirm lässt sich außerdem die gewohnte Mobiltelefon-Umgebung via Smartphone- Interface spiegeln und nutzen. Ob Apple Car Play oder Android Auto – die kabelgebundene Anbindung per USB-Port funktioniert unabhängig vom Navi und den Connect-Diensten. Noch komfortabler gelingt die Vernetzung mit der Audi Phone Box (500 Euro). Dann lassen sich bis zu zwei Smartphones kabellos koppeln, das Laden erfolgt sehr komfortabel via induktiver Ladestation in der Mittelkonsole.

Ist auf dem Smartphone die „myAudi“-App installiert, wird eine Vernetzung zwischen Fahrer und Auto auch außerhalb des Fahrzeugs möglich. Beispielsweise kann man sich über die Navigationsfunktion der App vom Hotel zum Fahrzeug führen lassen, wenn der Audi etwa in einer fremden Stadt ein paar Blocks weiter entfernt parkt.

Schöne neue Welt, in der die digitalisierte Schnittstellendichte immer mehr die Grenzen zwischen Fahrer und Auto verwischt.