TechnikAudi Pre Sense - Siebter Sinn

Unbekannt

 · 14.10.2013

Technik: Audi Pre Sense - Siebter SinnFoto: Audi
Technik: Audi Pre Sense

Selbst Kompakt-Autos wie der Audi A3 wissen jetzt, wann es krachen wird. Dank „Pre Sense Front“ können Unfälle verhindert oder zumindest deren Schwere verringert werden

  Technik: Audi Pre SenseFoto: Audi
Technik: Audi Pre Sense

Tomaten auf den Augen haben anscheinend manche Fahrer, wenn sie vorausfahrende Autos nicht wahrnehmen und keine Anstalten machen, zu bremsen. Oder sie sind abgelenkt – manchmal durch die (gesetzlich verbotene) Be­dienung des Smartphones, ein anstrengendes Telefonat oder Ähnliches. Was noch vor wenigen Jahren vielleicht glimpflich abgegangen wäre – aufgrund geringerer Verkehrsdichte – führt heute schnell zu einem schweren Unfall.

Hier greift Audis "Pre Sense Front" ein, das als Bestandteil der Active Cruise Control (ACC, automatische Abstands-Regelung) schon in der Kompaktklasse beim Audi A3 (seit Modelljahr 2013) verfügbar ist. Ein unter dem vorderen Kennzeichen montiertes Radar-Auge überwacht dauernd den vorausfahrenden Verkehr. Wenn sich eine kritische Situation andeutet, stellt das Radar-Auge diese Information blitzschnell über den CAN-Bus allen damit betrauten Steu­er­geräten zur Verfügung.

Dies führt dann zu folgenden Reaktionen: Hin­weis an den Fahrer, dass der Abstand zum Vordermann zu gering ist (per Warnton und Anzeige im Kombi-Instrument). Die Warnung erfolgt in Abhängigkeit von der Fahrweise: Ein aufmerksamer Fahrer wird später gewarnt als ein unauf­merksamer. Die Unterscheidung kann Pre Sense Front anhand der Betätigung von Pedalen, Blinker und Lenkrad treffen. Zusätzlich zur Warnung wird die Bremsanlage befüllt und der Brems-Assistent schaltet auf größere Empfind­lichkeit um. Das verringert den Bremsweg, wenn jetzt das Bremspedal getreten wird.

  Technik: Audi Pre SenseFoto: Audi
Technik: Audi Pre Sense

Reagiert der Fahrer nicht, lässt Pre Sense Front die Bremsen kurz zupacken, um einen Ruck zu erzeugen, was jeden Piloten wachrütteln sollte. Die allermeisten Fahrer steigen dann instink­tiv in die Bremsen und können die Situation so noch bewältigen. Geschieht dies wider Erwarten nicht, aktiviert Pre Sense Front die Bremsen mit maximal 35 Prozent ihrer Leistung.

Wird über die Frontkamera am Fuß des Innen­spiegels die drohende Kollision bestätigt, erhöht sich die Bremsleistung auf 60 Prozent. Außerdem wird der Warnblinker eingeschaltet.

In den meisten Fällen lässt sich so eine Kol­li­sion entweder vermeiden oder aber deren Heftigkeit erheblich abmindern – abhängig nicht zuletzt von den Straßen- und Witterungsverhältnissen. Pre Sense Front kann also selbst in schweren Fällen oft bewirken, dass es nur einen Blechschaden gibt, aber keine Personen verletzt werden. Übrigens: Wenn der Fahrer spät doch noch selbst auf die Bremse steigt, wird deren Leistung nach Möglichkeit so angepasst, dass sich ein Unfall vermeiden lässt – also eine Weiterentwicklung des bisherigen Brems-Assistenten.

Selbsttätige Vollbremsung

Mithilfe der verbauten Sensorik ist eine wei­tere Funktion möglich – die Vollbremsung bei Geschwindigkeiten bis 30 km/h. Der Fahrer wird per Ton- und Symbolwarnung auf das selbsttätige Bremsen hingewiesen. Sobald der Stillstand erreicht ist, weisen drei weitere Tonsignale den Fahrer darauf hin, das Auto wieder zu übernehmen – damit das Fahrzeug kein Ge­fäl­­le hinabrollt oder aber bei Ausführung mit Automatik-Getriebe das "Kriechen" aktiviert wird.

  Technik: Audi Pre SenseFoto: Audi
Technik: Audi Pre Sense

Bis 30 km/h lässt sich dank Pre Sense Front sogar das Aufprallen auf stehende Fahrzeuge allermeist verhindern. Grundsätzlich kann der Fahrer jederzeit eingreifen und die Situation etwa durch Ausweichen entschärfen. Pre Sense Front bricht ab, sobald keine Kollisionsgefahr mehr besteht. Systembedingt können quer zur Fahrtrichtung verlaufende oder gar entgegenkommende Hindernisse nicht erkannt werden, ebensowenig Personen und Tiere, weil diese die Radarstrahlen nicht reflektieren.

Im MMI lässt sich die akustische und optische Vorwarnung deaktivieren, auf Wunsch auch das komplette System, was bei jedem Ein­schalten der Zündung im Kombi-Instrument angezeigt wird und nur in höchst seltenen Ausnahmefällen sinnvoll ist.

Neben dem Front-System gibt es für den Audi A3 seit Modelljahr 2013 auch noch Pre Sense Basic. Dieses strafft bei Gefahrenbremsungen über Elektromotoren die Gurte. Das verringert bei einem Unfall oftmals die Verletzungsschwere. Nach einer Kollision wird die Bremse aktiviert, damit das Fahrzeug nicht unkontrolliert weiterrollt und gar einen weiteren Unfall erlebt. Bleibt ein Aufprall aus, werden die Gurte wieder gelockert. Außerdem wird ab einer gewissen Verzögerung die Warnblinkanlage aktiviert.

  Technik: Audi Pre SenseFoto: Audi
Technik: Audi Pre Sense

Beim Ausbrechen des Fahrzeuges (starkes Unter- oder Übersteuern) schließen die elektrischen Fensterheber sowie das Schiebe-Dach (bis auf einen kleinen Rest-Spalt). Das verhindert einerseits ein Eindringen von Fremdkörpern (etwa Ästen bei einem Baum-Anprall) und gibt den Vorhang-Airbags größere Fläche zum Abstützen.

Verschmutzungen oder starker Besatz mit Schnee oder Eis können den Radar-Sensor unter dem Kennzeichen "blind" machen, was zu einer Warnung im Cockpit führt. Die Reinigung sollte sanft erfolgen und bei Frost am besten mit einem Enteisungsspray, um eine Beschädigung oder ein Verstellen des Sensors etwa durch harte Kanten eines Eisschabers zu vermeiden. Wer das Fahrwerk tiefer legen oder zusätzliche Spoiler anbauen will, sollte nur auf frei gegebene Teile (etwa von Volkswagen Zubehör) zurückgreifen, damit der Sensor nicht beeinträchtigt wird. Aufkleber auf dem Bauteil sind tabu. Nach Parkremplern oder gar Unfällen unbedingt das Radar-Auge im Fachbetrieb einstellen lassen (Sonderwerkzeug erforderlich), um die zuverlässige Erkennung nicht zu gefährden.

Mit den Pre Sense-Systemen beweist der Audi A3 einen "siebten Sinn" im Vorhersehen von Unfällen und in der Verringerung von deren Folgen. Die Familien-Ehre gebietet es, dass dem Konzernbruder Golf 7 mit "Front Assist" ein vergleichbares System zur Verfügung steht. Wie immer bei solchen Systemen sollte man das erhöhte Maß an Sicherheit aber nicht gleich wieder durch entsprechend risikoreiche­re Fahrweise zunichte machen.