Reportage10 Jahre „Curves“ Island – Kurven aus Leidenschaft

Martin Santoro

 · 17.12.2021

Reportage: 10 Jahre „Curves“ Island – Kurven aus LeidenschaftFoto: Curves
STEFAN BOGNER

Curves ist Bildband, Reiseführer und Porsche-Fanzine in einem. Zum zehnjährigen Jubiläum setzt Herausgeber Stefan Bogner der Reihe ein Denkmal mit Feuer und Eis. Es geht nach Island, der Vulkaninsel im Nordatlantik

Das Rezept, wie jemand ein guter Autor, Fotograf und gleichzeitig Grafikdesigner werden kann, ist leicht zu geben, aber die Ausführung setzt Eigenschaften voraus, über man hinwegzusehen pflegt, wenn man sich sagt: „Ich habe nicht genug Talent.“ Was gegen Resignation hilft, ist nichts anderes als üben. Dazu sind zig Texte nötig, keiner länger als eine oder zwei Seiten, doch von solcher Deutlichkeit, dass jedes Wort darin notwendig ist. Beim täglichen Schreiben von Anekdoten gilt es zu lernen, die prägnanteste, wirkungsvollste Form zu finden. Den Vorgang unterstützt unermüdliches Sammeln und Ausmalen von Eindrücken. Immer mit dabei ist die Kamera. Wie ein guter Landschaftmaler jedes nur erdenkliche Detail von Formen, Farben und Schatten gedanklich speichert, führt das Auge durchs Objektiv zur Komposition des ultimativen Motivs. Beim grafischen Gestalten gilt es obendrein, unzählige Entwürfe anzufertigen, bis die künstlerische Darstellung überzeugt. Wichtig ist, hierüber keinen Fingerzeig der Belehrung zu verschmähen und dergleichen als Lernprozess zu akzeptieren. In dieser mannigfachen Übung lasse einige Jahre vorübergehen: Was dann aber in der Werkstätte geschaffen wird, darf hinaus in das Licht der Straße.

Islands Community an Porsche-Begeisterten umfasst mehrere hundert Mitglieder, die sich alle beim Namen kennen – kein Wunder bei einer Einwohnerzahl, die der Stadt Bochum gleicht STEFAN BOGNER
Foto: Curves

Die Kamerasensoren glühen für eine Flut an Bildern

In etwa so hat vor Äonen der Philosoph Friedrich Nietsche die Grundsätze des Übens formuliert, an die sich Stefan Bogner offensichtlich durch viel Fleißarbeit orientiert hat. Also, alles richtig gemacht, Stefan – Gratulation! Denn was das bayerische Multitalent allein in der letzten Dekade auf Papier gebracht und digital ins Netz hochgeladen hat, findet über die Landesgrenzen hinaus stürmischen Beifall. Neben zahlreichen Buchprojekten, die Bogner bei unserem gemeinsamen Verlagshaus Delius Klasing realisieren konnte, wurde insbesondere seine Bookazine-Reihe „Curves – soulful driving“ (www.curves-magazin.com) mit acht Preisen aus den Branchen Design, Automotive und Corporate Publishing ausgezeichnet.

Keine Sekunde lang Langeweile

Curves ist mittlerweile zehn Jahre am Markt und blickt auf nunmehr 16 prall gefüllte Ausgaben mit etwa je 300 Seiten Umfang – ein unermesslicher Fundus, für den Stefan Bogner unzählige Kurven genommen hat. Sein Gespür für die schönsten Straßen und Pässe führten ihn quer durch Europa, etwa nach Frankreich, Spanien, Sizilien und Schottland, aber auch ins ferne Amerika und nach Thailand.

Noch vor seiner ersten Curves-Reise in die südfranzösischen Pyrenäen widmete sich der studierte Industrie-Designer dem fotografischen Handwerk, das er autodidaktisch erlernte. Als schließlich Ausgabe Nummer eins im Jahr 2011 erschien, war die Sensation perfekt: Bogner lancierte das erste Auto-
magazin ohne Autos. Wie geht das? Für eine derart abwegige, ja regelrecht frech erscheinende Idee einen Sturm der Begeisterung auszulösen, erforderte zwei weitere unentbehrliche Talente: Porsche lieben und fahren!

Wo das Fernweh den Münchner auch immer hinbrachte, im Porsche konnte er die pragmatischen Teile des Autofahrens – von A nach B zu fahren – charmant neutralisieren: durch gefühlvolles Dahingleiten, Straßen und Panorama mit allen Sinnen Aufsaugen. Solche Momente vermag Bogner mit Kamera und Tastatur meisterlich festzuhalten. Beim Blättern in Curves werden Serpentinen lebendig, jeder Zentimeter Asphalt erzählt eine Geschichte und Schotterpisten fragen: „Willst du nicht wissen, was an meinem Ende ist?“ Die Straßenperspektive bietet dem Fotografen aber nicht alle Facetten seiner Auffassungsgabe. Deshalb schwingt er sich auf seinen Touren regelmäßig an Bord eines Helikopters oder einer Cessna und erweitert so den Horizont mittels imposanter Landschaftserlebnisse aus der Vogelperspektive.

Zahllose gewaltige Aufnahmen entstehen, ohne auch nur ein einziges Auto abzubilden. Motive mit Mensch und Maschine werden auf die letzten Seiten ins
„Making Off“ verbannt, als wären sie in einem Automagazin entbehrlich. Dennoch zieht Curves auf magische Weise passionierte Automobil- und Motorrad-Fans in den Bann. Radler übrigens auch. Denn in ihrer Lieblingslektüre erfahren sie, wie in jedem erstklassigen Reiseführer, allerhand über Land und Leute. Garniert mit detaillierten Reisetipps zu Sehenswürdigkeiten, Hotels und Bars können sie sich mit Hilfe des beigefügten Kartenmaterials selbst auf den Weg machen und ihre eigenen Abenteuer entlang der von Stefan Bogner markierten Routen erleben.

Das Angebot gilt auch für die Jubiläumsausgabe von Curves, zu der sich sein Herausgeber einen sehnlichen Wunsch erfüllte: die Straßen der schroffen und zerklüfteten Schönheit Islands im Band 16 festzuhalten.

Packende Reisemomente

Mehrfach hat Bogner das ferne Eiland im Nordatlantik besucht, zum neuen Bildband fehlte nur noch ein geeigneter Impuls. Einschlägige Kontakte zur Porsche-Community auf der Vulkaninsel bestanden längst. Und den Luxus, sich von zu Hause aus am Münchner Flughafen auch noch abholen zu lassen, würde wohl niemand allen Ernstes ausschlagen. Erst recht nicht, wenn Pilot Petur obendrein Präsident des isländischen Porsche-Clubs ist, der Stefan an Bord seiner Boing 757 von Icelandair willkommen heißt – für einen Direktflug nach Reykjavik.

Dort, weit oben am Polarkreis, trifft unser Globetrotter auf Nachfahren der Wikinger, die sich zunächst als raue Kerle geben: Nordmänner mit ganz harter Schale, wie Stefan es in Curves beschreibt. „Dann lernst du sie kennen, und sie sind unglaublich nett, mit ganz weichem Kern.“ So wie Petur den Piloten. „Oder Björki. Der repariert in seiner Werkstatt knüppelharte Arctic Trucks – aber auch Porsches. Und schließlich Fusi, für den das Motto „Geht nicht, gibt´s nicht“ erfunden wurde, denn er kennt wirklich jeden. Wirklich. Jeden. Wenn er nicht in Island ist, lebt er in Florida. Mehr Kontrast geht nicht. Wie das Land, so die Leute“.

Bis in die wilden Winkel der Vulkaninsel

Auf Island fahren die drei Nordlichter Porsche, keine allzu offensichtliche Kombination. Doch im Interview erfahren wir ihre Beweggründe, wie sie zu ihrer Passion stehen. Und sie geben Tipps, wie etwa: „Du solltest den Sudurstrandavegur fahren! Das ist eine der besten Straßen des Landes. Und wenn dir das nicht reicht und du Zeit hast, kannst du den derzeit aktiven Vulkan besuchen, der nur wenige Gehminuten von der Straße entfernt ist.“

Das Angebot beherzigt Stefan Bogner, dessen fünftägiger Road-Tripp entlang der küstennahen Ring­straße führt, die mehr Abwechslung bietet, als ein Mensch in so kurzer Zeit verkraften kann. Dennoch zieht es ihn auch ins Landesinnere, an brodelnde Geysire und dampfende Geothermie-Kraftwerke. Bei zahlreichen Etappen begleiten ihn Fahrer von Islands Porsche-Community, die mehrere hundert Mitglieder zählt.

Die mit ihren Sportwagen entstandenen, äußerst spektakulären Aufnahmen sind in der aktuellen Curves-Ausgabe 16 ganz weit hinten kleinteilig und auf wenigen Seiten komprimiert. Diesen, sowie weiteren unveröffentlichten Motiven, gewährt
GUTE FAHRT zum Curves-Jubiläum den nötigen Raum zum atmen – ein angemessenes Rezept für ein Automobilmagazin, nicht wahr?