Porsche 911 Carrera 4 (964) – WAID MANNS TEIL

Porsche 911 Carrera 4 (964) – WAID MANNS TEIL
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Für ihre Jagd in der Eifel wollten Andrea und Falk ein besonderes Auto. Manfred Hering und das Team von Early 911S haben es ihnen gebaut: einen 911 Carrera 4 (964). Ästhetische Inspiration: der erste Allrad-Porsche überhaupt.
Hochgesetzte Karosserie, spezielles Fahrwerk: Waldwege sind auch bei höherem Tempo kein Thema.
Foto: Lukas Piel

Text Michael Orth Fotos Lukas Piel

Der 911 sei „das einzige Auto, mit dem man von einer afrikanischen Safari nach Le Mans, dann ins Theater und anschließend auf die Straßen von New York fahren kann“. Bestimmt hat Ferry Porsche recht. Aber er sagte nicht die ganze Wahrheit. Neben der Safari nämlich, Le Mans, dem Theater und den Straßen von New York hat er die von Üttfeld vergessen. Und nicht allein die Straßen von Üttfeld, auch die Feldwege und die Forstwege und die Hohlwege und die Wirtschaftswege und auch die Wege, die eigentlich gar keine sind – sondern nur Lücken zwischen den Bäumen.

„Hier“, sagt Andrea und deutet auf eine steile Schneise zwischen den dicht stehenden Tannen, „geht es zu meinem Lieblingshochsitz. Hier fahren wir jetzt lang.“ Sie sagt das nicht, als könne man das ja mal versuchen und sehen, was dann passiert, sprich, ob und wo und wie der Porsche denn stecken bleibt. Sie sagt: Hier fahren wir jetzt lang, so wie man sagt: Hier fahren wir jetzt lang, und dann macht man’s. So sagt sie’s, so macht sie’s. Und der Porsche macht es mit. „Natürlich kommt der da hoch, keine Frage“, hatte Andrea gesagt, nachdem beiläufig der erste Gang eingelegt und beide Hände nun wieder am Lenkrad waren. „Wir werden vielleicht mal ein bisschen aufsetzen“, hatte sie eingeräumt, „aber das ist nicht schlimm; dafür hat er ja den Unterfahrschutz.“

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Early 911S baute den 964 Carrera 4 eigens für die Jagd um

Und ein speziell angefertigtes Bilstein-Fahrwerk hat er auch. Das setzt die Karosserie ein paar Zentimeter, „sechs“, sagt Andrea, „glaube ich“, höher. Aufsetzen wird der Elfer trotzdem. Aber er wird nicht wühlen und nicht scharren und nicht schlingern oder schwimmen. Er wird selbst dort, wo es besonders steil und der Boden vom Regen der letzten Tage noch immer schlammig und zerfurcht ist, stoisch die Steigung hochmarschieren. Selten nur ein extra Gasstoß, zwischen zwei und zweieinhalb sonst die Drehzahl, verblüffend die Traktion, sparsam die Korrekturen am Lenkrad.

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Oben wird Andrea aussteigen, ihm die Hand auf den Kotflügel legen und den 964 „mein Baby“ nennen. „Ich spreche auch mit dem. Und wenn er mich gut irgendwo hingebracht hat, bedanke ich mich.“ Dass ihr Verhältnis zu dem Auto dennoch nichts von einem sentimental verkitschten Missverständnis hat, unterstreichen Türen und Seitenteile: eingesaut jetzt bis hoch zum Fenster. „Ich finde ja, der sieht dreckig besser aus als so ganz sauber. Der Dreck steht dem. Ohne fehlt ihm was“, sagt Andrea.

Es ging nicht um eine Laune, sondern um die Funktion

Genau dafür haben sie den Wagen bei Early 911S so aufgebaut und so gestaltet. „Die beiden, Andrea und Falk, kamen zu uns“, erzählt Manfred Hering, „mit der Frage, ob wir ihnen nicht einen Elfer für die Jagd bauen könnten. Ein großes Waldgebiet, alles bergig, nicht immer die besten Wege. Wer mich kennt, weiß, dass wir bei Early 911S eigentlich einer klaren Maxime folgen: Wenn wir was machen, dann alles original.“

Zeitgeist-Autos mag Manfred Hering nicht. Schnell aber wird im Gespräch mit Andrea und Falk klar: Da geht es nicht um eine Laune, nicht um Chichi oder Chic. Da geht es um ein ganz individuelles Anforderungsprofil, um ein Auto, das am Ende so sein sollte, dass es Manfred Herings Credo ebenfalls entspräche: in seiner Funktion perfekt. Als technische Basis drängte sich der Elfer auf, mit dem Porsche Ende 1988 einen elektronisch gesteuerten permanenten Allradantrieb in Serie brachte, der 964 Carrera 4. Als ästhetisches Vorbild hingegen sollte – allein schon seiner späteren Bezeichnung wegen – der erste Allrad-Porsche überhaupt dienen.

Der Porsche Jagdwagen als ästhetische Inspiration

Dessen Entwicklung hatte eine Ausschreibung für die spätere Bundeswehr angestoßen. Ab 1953 machten sich die Porsche-Ingenieure Gedanken, wie ein Auto zu konstruieren wäre, das vor allem auch im Gelände schnell und wendig sein sollte, das leicht wäre, aber deshalb nicht zerbrechlich, sondern von einfacher Robustheit, anspruchslos, überall leicht zu reparieren und gebaut, um an den Grenzen des fahrtechnisch Möglichen bewegt zu werden. So entsteht der Typ 597 mit selbsttragender Karosserie aus geriffeltem Stahlblech, eigens entwickelter Vorderachse – deren Antrieb sich zuschalten lässt –, niedrig verdichtetem 1.600er-Boxer im Heck und entwaffnend freundlichem Gesichtsausdruck. Zwei Rundscheinwerfer, dazwischen stehend das Reserverad. Er ist eine streng zweckrationale Einheit und ein Musterbeispiel utilitaristischen Designs, ebenso sparsam instrumentiert wie möbliert und zunächst auch ohne Türen. Bei 1.000 /min nimmt er Steigungen von 65 Prozent und dank der Wannenkarosserie ist er sogar übers Wasser zu schleppen. Auf dem Genfer Autosalon 1955 sieht die Öffentlichkeit den ersten Allrad-Porsche das erste Mal und 50 Exemplare gehen zur Erprobung an die im selben Jahr gegründete Bundeswehr. Die allerdings gibt, so wird es später heißen, aus finanziellen und arbeitsmarktpolitischen Gründen dem Angebot der Auto Union, dem Munga, den Vorzug. Worauf hin man bei Porsche private Kunden ins Auge fasst. Förster zum Beispiel. Oder Jäger. Weshalb von Porsches erstem Allradler bald als „ Jagdwagen“ gesprochen wird. Gleichwohl wird er nur 71-mal gebaut werden.

Von diesen wenigen aber gingen schon einige bei Early 911S durch Manfred Herings Hände und die seiner Mechaniker. „Und so bot sich das an“, sagt Falk, „dass sie für das Interieur von unserem sehr viele Elemente des alten Jagdwagens übernehmen würden.“ So sind etwa dessen Polster-,Bezugs- und Teppichstoffe dem Original nachgewebt, was nicht nur optisch optimal passt. Sie sind auch leicht sauber zu halten, weil abwaschbar.

gutefahrt/12-porsche-klassik-jagdwagen-highres-l1161305_e5bd42df32c0ff08e58b20a7fc8743f3Foto: Lukas Piel
Coco und Enzo, die zwei Hunde, lassen sich im Hänger ziehen

Für das Einsatzprofil ist das ja nicht ganz unerheblich, selbst wenn Coco, „Coco wie Chanel“, und Enzo, „Enzo wie Ferrari“, zwei Deutsch Drahthaar, normalerweise nicht Porsche fahren, sondern bevorzugen, sich ziehen zu lassen. Also Anhängerkupplung. Dazu ein Dachgepäckträger mit leuchtstarken LEDs und vorne die vier Zusatzscheinwerfer in Gelb. Kann im dunklen Wald nicht schaden. „Und die Technik“, sagt Manfred Hering, „haben wir natürlich komplett gemacht, Bremsen, Kupplung, Antrieb, Motor.“

Das Kissen auf ihrem Sitz aber hat Andrea selbst ausgesucht. „Ich gucke sonst ja nicht übers Lenkrad und ich sitze gerne ein bisschen höher, damit ich die Haube sehen kann und die Lampen vornedran.“ Ganz nach vorne rückt sie den Sitz, schaut, ob auch die Sonnenblenden heruntergeklappt sind – „da bin ich abergläubisch, das ist so ein Tick“ –, dann geht, ohne hinzusehen, die Linke zum Zündschlüssel. Kaum hören Coco und Enzo den Sechszylinder, ist ihnen anzusehen, wie die Aufregung sie überkommt. Hin und her laufen sie und wedeln in freudiger Erwartung. Denn wenn Frauchen ihren Elfer startet, heißt das normalerweise auch für die beiden, dass es in den Wald geht und sie was zu tun kriegen.

Der 964 nimmt Unebenheiten ziemlich locker

„ Jetzt aber lassen wir sie und den Anhänger lieber hier. Und die Popoheizung kann aus bleiben, innerhalb von zwei Minuten ist der warm, darüber kann ich mich jedes Mal wieder neu freuen, wenn ich aus der Kälte komme und in den Porsche einsteige.“ Der 964 geht auf seinem speziellen Fahrwerk trocken über Löcher und Unebenheiten. Zweiter Gang. Das Rumpeln der Reifen übertönt das Grummeln des Motors, in die Radhäuser prasseln Steine und der Dreck, grün bemoost ist der Boden wie die Bäume rechts und links des Weges.

„Manches“, sagt sie, dritter Gang jetzt, „würde ich ihm nicht zumuten, das wäre nichts für ihn. Das könnte der alte Jagdwagen wohl noch besser. Aber bisher hat er mich noch überallhin gebracht. Der macht schon verdammt viel mit und über so einen Weg wie diesen könnte der auch deutlich schneller, 80 oder 100.“ Jetzt aber: langsam, zwei Spaziergänger mit Hund. Er hebt den Daumen, sie winkt, beide lächeln. „Den finden alle charming“, sagt sie. „Ich hätte früher, so mit 25, gerne schon einen 911 gehabt und da guckte ich dann diesen Autos hinterher und dachte: Da sitzen immer so Omas drin. Tja, und heute, heute bin ich die Oma und sitze im Porsche.“

Sie lacht. Nicht wie eine Oma. Dann fährt sie weiter. Auch nicht wie eine Oma.