Von einer Nacht auf die andere ist alles anders. Unter den grauen Wolken reihen sich die kargen Felswände aneinander. Die Wellen des Stausees klatschen im Takt des Windes dagegen. Mittendrin, wie eine Insel der Ruhe, das Hotel Grimsel Hospiz, dessen rot-weiße Fensterläden freundlich grüßen. Der einzige Weg dorthin führt über eine schmale Brücke aus Stein. Die Szenerie könnte Drehort für einen James-Bond-Film sein. Stattdessen ist sie die Kulisse für meinen ganz eigenen Film. Dieser beginnt genau in dem Moment, als ich mit meinem braunen Elfer über die Brücke rolle und mir bewusst wird, was hier inmitten dieser Landschaft geschieht.
Einen Tag zuvor hatte ich mich auf diese Reise begeben, ohne zu ahnen, was sie in mir auslösen würde. Es ist ein Blind Date. In Stuttgart treffe ich auf einen Haufen anderer Porsche-Enthusiasten, die ich zuvor nie gesehen hatte. Schon zum zweiten Mal bringt Porsche Deutschland als Gast- und Ideengeber des Gipfeltreffens die ganze Porsche-Familie, bestehend aus verschiedenen Communitys wie dem Porsche Club Deutschland, Petro Surf, Onassis, Curves, Type 7 oder Heizr, zusammen. 1.750 Kilometer über mehr als 15 Pässe mit etwas mehr als 100.000 Höhenmetern durch fünf Länder liegen vor uns. Wie bei einem Familienausflug mit insgesamt 50 individuellen Porsche – vom 356 über das 911-Urmodell bis zum vollelektrischen Taycan oder Macan.
Nach fünf Tagen werde ich als anderer Mensch zurückkommen. Einer, der über sich selbst hinausgewachsen ist. Einer, den diese Erinnerungen wie ein immer wiederkehrender Song nicht mehr loslassen. Einer, der sich als kleines Teil eines Puzzles fühlt, das aus so vielen verschiedenen Charakteren besteht, aber am Ende ein stimmiges Bild ergibt.
Mit meinem 911 3.2 Liter in Rauchquarzmetallic, wie ich Baujahr 1984, rolle ich gemeinsam mit den Jungs und Mädels der Heizr-Community auf den ersten Metern durch den Schwarzwald. Zufälligerweise meine Heimat. Schiefe Fachwerkhäuser und schier endlose Tannenwälder ziehen vorbei, der Duft von frisch gehacktem Holz weckt Kindheitserinnerungen. Erst in der Schweiz wartet der erste echte Pass auf uns. In den kleinen Dörfern kurz vor der Klausenstraße, die die Kantone Uri und Glarus verbindet, zieren die Straßenränder Schweizer Flaggen, eine „Rudi-Rüssel-Tankstelle“ und saftig grüne Wiesen. Am Gipfel sehe ich Schnee. Ich frage mich: Was hat mich bloß geritten, dass ich das meinem 40 Jahre alten Elfer antue, der noch nie Salz gesehen hat? Ich diktiere dem 915-Getriebe quälend den zweiten Gang für die enge Kehre, meine Arme verknote ich schier am Lenkrad. Stimmt, Servolenkung hat der „Braune“ ja keine. Doch der Anblick der Kühe, die genüsslich neben der Straße grasen und schmatzen, macht mich zufrieden. Bei all der Idylle sind die Paraglider über uns fast schon ein bisschen kitschig. ›
Zitat feiert dieses Jubiläum mit einem Sondermodell, wir mit Geschichten, die die Vielfalt eines Konzepts zeigen.
Mit jedem Meter, den du dich den Pass hochschraubst, erlebst du einen Gipfel der Gefühle
Die müssen sich aus der Vogelperspektive denken: Was für ein bunter Haufen schraubt sich da den Pass mit zehn Kehren auf über 1.948 Meter hoch? Was uns verbindet: die Liebe zu luftgekühlten Elfern. Was uns unterscheidet: wie wir diese Liebe leben. Mir ist bei meinem Exemplar, das noch das Erstlack-Kleid trägt, die Originalität heilig. Die anderen aus der Heizr-Community haben hingegen eine Vorliebe für Kreativität. Da darf es gern mal ein Entenbürzel sein oder ein bisschen Leistungssteigerung. Das Schöne: Hier gibt es keine Schubladen.
Stattdessen tauschen wir uns in der Mittagspause neugierig aus, was uns mit unserem Auto verbindet. „Grüezi“, heißt es auf dem Schild vor dem Hotel Posthaus Urigen, wo sonst statt einer Horde Porsche der gelbe Postbus hält. Mit Fischbrötchen in der Hand haben es sich die meisten auf den Klappliegen unter dem Sonnenschirm bequem gemacht und genießen die Aussicht auf die umliegenden Gipfel. Und auf ihr Auto. Es fühlt sich ein bisschen wie damals an, als man als Kind mit den Eltern in den Urlaub gefahren ist und nach einer stundenlangen Autofahrt endlich zum ersten Mal das Meer am Horizont sieht.
Der erste Gipfel der Gefühle. So richtig realisiere ich das am Abend. Wieder Hunderte Kilometer und Kurvenlabyrinthe weiter, als wir am Grimselpass in dieser James-Bond-Kulisse ankommen.Die Gipfel reihen sich aneinander, als habe sie jemand mit der Zickzack-Schere zugeschnitten. Die Natur ist so gewaltig, dass sie mich überwältigt.
Für Träumereien bleibt wenig Zeit. Am nächsten Morgen huschen auf dem Parkplatz vor dem Hotel schon um sieben Uhr die ersten Rauchwölkchen aus den Auspuffrohren, als wollten sie es mit den dicken Wattebäuschen am Himmel aufnehmen. Nur die Kollegen Taycan und Macan bleiben freilich stumm. Der Braune und ich mischen uns bewusst unters Elektro-Volk. Luftgekühlt vs. elektrifiziert. Tradition vs. Moderne. Ich erwarte Stille, Entspannung, Gelassenheit. Stattdessen muss ich meine 231 PS im zweiten und dritten Gang ständig bei Laune halten, um dem Taycan Turbo GT mit Weissach-Paket vor mir zu folgen. Was es nicht einfacher macht: Nebel begleitet uns bis zum Gotthardpass – früher die wichtigste Nord-Süd-Verbindung und heute mit über 2.100 Metern einer der Klassiker unter den Alpenpässen. Der hat mit dem gleichnamigen Tunnel so wenig zu tun wie eine Dampflok mit einem ICE. Rund zwölf Millionen Pflastersteine trotzen hier dem Wetter. Und mein Kiefer dem ihnen geschuldeten Geklapper. Zwischenzeitlich fühle ich mich wie im Karussell auf der Nordschleife. Schließlich hat es hier zusätzlich zum Hoppel-Belag auch eine Miniaturausgabe einer Steilkurve. „Wie haben die das damals bloß gebaut?“, fragen sich Fotograf Florian, der mir ausnahmsweise auf dem Beifahrersitz Gesellschaft leistet, und ich.
Das Geplauder zwischendurch tut gut. Es lenkt mich neben der Navigation, dem Rosenkranzgebet aus Gasgeben, Schalten, Bremsen und Lenken, auch ein bisschen davon ab, jedes noch so banale Geräusch an meinem Elfer zu analysieren. Denn könnte man Geräusche röntgen, wäre ich Radiologin mit „summa cum laude“. Für mich ist dieses Auto analog zu seiner Farbe Rauchquarz wie ein kleiner Edelstein, den ich wie ein Schmuckstück behandle. Weil ich Respekt vor seiner Geschichte habe, weil er für mich keine Selbstverständlichkeit ist.
Für viele andere hier ist das Hotel Belvedere, das wir kurze Zeit später erreichen, so etwas Besonderes. Es gilt zusammen mit dem Furkapass als Heiliger Gral der Fotomotive in der Instagram-Community. Ich kann es – um ehrlich zu sein – nicht mehr sehen. Mich berührt vielmehr die Faszination, die unser Korso bei den Menschen auslöst, die hier leben. In einem kleinen französischen Dorf rollt die gesamte Porsche-Historie an einer Schulklasse vorbei. Zwei Jungs bleiben mit offenem Mund stehen und halten sich die Hände an die Wangen. Wie viele an der Ampel oder beim Vorbeifahren den Daumen nach oben zeigen, kann ich irgendwann nicht mehr zählen. Diese Reise macht nicht nur mit uns etwas. Sondern auch mit den Menschen, die uns für diese kurzen Momente begleiten.
Nach einem kurzen Abstecher über Nacht ins italienische Aosta nähern wir uns dem Auenland. Ja, richtig gehört. Die Berge, in ein Ocker wie aus dem Wasserfarbkasten getaucht, könnten die Hauptrolle in „Herr der Ringe“ spielen. Der Kleine Sankt Bernhard, der Pass, der uns von Italien wieder nach Frankreich führt, beeindruckt mit dieser schier unendlichen Weite. Gleiches gilt für den später folgenden Col du Galibier (nein, nicht Schlager-Gabalier), wo sich die Straße wie ein Band durch das goldene Gras der Berge windet. Hier oben gönnen wir uns eine Pause. Ob bekannte Gesichter wie Schauspieler Axel Stein, Ex-Skirennläufer
Aksel Lund Svindal, Stuntman Riley Harper, Community-Häuptlinge wie Tom Gädtke, Ken Hake oder Felix Bauermeister und all die anderen – wir sind in den letzten Tagen zu „Bergziegen“ geworden. Dass wir uns hier oben in der modernen Berghütte Galibier 2550 von unseren Abenteuern auf der hinter uns liegenden Etappe erzählen, schweißt zusammen. Sei es die verpasste Abzweigung oder der kleine Ausrutscher in den Dreck mit dem Hinterrad. Oder wie in meinem Fall der Umstand, dass mein Französisch so eingerostet ist, dass ich für eine Weile dachte, ich hätte den Elfer im Waschpark komplett mit Felgenreiniger einbalsamiert. Nur dank meiner Teilzeit-Beifahrerin Linda sind die Nerven irgendwann wieder so beruhigt, dass wir uns am Col d’Izoard in die Sportgruppe zwischen Porsche 911 GT3, 911 Turbo und Co. mischen, um die Sportfahrerinnen in uns zu channeln. Anbremsen, runterschalten, einlenken, Gas geben. Zählt doch auch als eine Form der Beruhigung, oder?
Zumindest ist es die perfekte Vorbereitung auf den folgenden Tag: Denn nach einer Nebeletappe über den 2.500 Meter hohen Col de la Bonette wartet mit dem Col de Turini in den französischen Seealpen die Ikone der Rallye Monte-Carlo auf uns. Wir kommen nicht nur unserem Ziel Nizza immer näher, sondern fühlen uns auch Walter Röhrl so verbunden, als habe er die schwarzen Gummistreifen als Wegweiser nur wenige Sekunden vorher für uns in den Asphalt geschmirgelt. Die kleine Mauer am Streckenrand engt uns nicht etwa ein, sondern gibt uns die Richtung für unseren Flow vor. Was das Runner’s High für die Jogger sein muss, ist wohl diese Sphäre, in die wir uns rhythmisch auf den Col de Turini fahren. Oben angekommen, ist der Kaffeestopp im Hotel des Trois Vallées Pflicht. Die unzähligen Aufkleber, Erinnerungsfotos und Autogrammkarten an Türen und Wänden erzählen von den Rallye-Helden.
In den Pausen erzählen wir uns von Abenteuern wie dem Hinterrad im Dreck oder der verpassten Abzweigung. Das schweißt zusammen
Ein bisschen fühle ich mich selbst wie eine Heldin, als wir uns die Bergstraßen – vorbei an kleinen Gärten mit voll gehängten Wäscheleinen und mit dem Duft von Nadelbäumen – in Richtung Meer und in den Trubel von Nizza hinunterschrauben. Es ist geschafft. Der Braune hat es geschafft. Wieder ein Gipfel der Gefühle. Und gleichzeitig schwingt die Wehmut mit, dass es vorbei ist. Von einer Nacht auf die andere wird alles wieder anders sein.
Die Strecke des Gipfeltreffens nachfahren? Die Route gibt es in der ROADS App von Porsche