Alexander Voigt
, Fynn Göttsche
· 02.09.2022
Einheitszellen und Standardfabriken sind die Schlüssel, die eine Batterieproduktion in Europa rentabel machen sollen. Im Volkswagenwerk Salzgitter entsteht nun die erste Gigafactory, in der die Zukunftsbatterien gefertigt werden
„Heute ist ein guter Tag für die Automobilindustrie in Deutschland und Europa,“ sagte Bundeskanzler Scholz bei der Grundsteinlegung der Zwei-Milliarden-Euro-Fabrik in Ostniedersachsen. Diese soll als Prototyp für fünf weitere europäische Produktionsanlagen, unter anderem im spanischen Valencia, dienen. Allein das Werk Salzgitter wird perspektivisch Batterien mit einer Leistung von 40 Gigawattstunden pro Jahr fertigen – ausreichend für eine halbe Million Autos mit elektrischem Antrieb.
Die verbaute Einheitszelle ermöglicht einen flexiblen Einsatz verschiedenster Zellchemien und wird in bis zu 80 Prozent aller Fahrzeugmodelle des Volkswagen Konzerns zur Anwendung kommen. Das Werk Salzgitter, das einst im Jahr 1970 für die Fahrwerkproduktion des K70 entstand, baute seit 1975 mehr als 63 Millionen Verbrennungsmotoren. „Nun stehen die Zeichen auf Batterietechnik und 44 Millionen Einheitszellen werden das Werk ab 2030 pro Jahr verlassen“, verspricht Volkswagen Technikvorstand Thomas Schmall.
Prismatische Einheitszelle senkt die Kosten
Die „prismatische Einheitszelle“ soll Synergien nutzen und die Betriebskosten um bis zu 50 Prozent senken. Volkswagen betreibt deshalb für die Volumenmodelle aller Konzernmarken eine gemeinsame Zellproduktion- und Forschung, so dass 8 von 10 Fahrzeugen des Portfolios von dem vereinfachten Zellökosystem profitieren werden. Die Performanceansprüche der jeweiligen Modelle werden über Änderungen der Zellchemie bedient – anstatt über die physische Technik. Sowohl LFP- als auch NMC-Mischungen sind möglich. Die unscheinbare blaue Zelle soll durch ihre hohe Energiedichte und ihren Wirkungsgrad ebenso überzeugen wie durch die Flexibilität, geringere Komplexität und Skalierbarkeit der Technologie. Das Ganze natürlich grün und nachhaltig, produziert mit 100 Prozent Ökostrom und geschlossenem Rohstoffkreislauf. Eine Zellengröße deckt dabei alle chemischen Varianten ab. Gerade bei den wichtigen Kennzahlen Reichweite und Ladezeit, aber auch bezüglich Sicherheit und Leistung sieht Volkswagen die Einheitszelle als künftigen Industriestandard.
Zur Zukunft einer Feststoffbatterie hielt sich Volkswagen noch bedeckt, lediglich so viel: Ein Umrüsten der Standorte ist problemlos möglich und die Technologie ist in der Standardfabrik abbildbar. Nähere Informationen wurden für das Jahresende 2022 versprochen.
Standardfabrik gibt Sicherheit
Neben der Gigafactory in Salzgitter, die bereits – Achtung: Wortwitz! – sogar offiziell als SalzGiga bezeichnet wird, sind fünf weitere Fabriken in Europa geplant, sowie mindestens eine Anlage in Nordamerika. Der Standort im spanischen Valencia ist bereits bestätigt, ebenso wie das gemeinsam mit Northvolt betriebene Werk Skellefteå in Schweden, eine der Zellfabriken ist für Osteuropa vorgesehen.
Für das niedersächsische Werk wurde bewusst auf staatliche Unterstützung und die damit verbundene Bürokratie verzichtet, denn es soll schnell gehen. In nur drei Jahren sollen die ersten Einheitszellen aus Serienproduktion die Modelle des Konzerns antreiben, mit deutscher Behördenbeteiligung wäre dies kaum möglich. Jährlich soll eine weitere Gigafactory die Tore öffnen, angefangen mit Valencia 2026. Die weiteren Werke werden ein genaues Abbild der Pilotfabrik sein. Nicht nur, um die Betriebsabläufe, Logistik und IT vereinheitlichen zu können, sondern auch um die Bauzeit von 36 auf 18 Monate zu halbieren. Der für 2030 anvisierte Produktionsrahmen der sechs geplanten Fabrik-Standorte liegt zusammen bei 240 Gigawatt-Stunden.
Volkswagen gründet Batteriefirma
Die Batterieaktivitäten des Volkswagenkonzerns werden künftig in der PowerCo SE mit Sitz in Salzgitter gebündelt. Darunter fallen nicht nur Produktion und Forschung, sondern auch die Beschaffung der wichtigen Rohstoffe. Perspektivisch sollen europaweit 20.000 Mitarbeiter in der Gruppe angestellt sein und weltweit 20 Milliarden Euro Umsatz generieren. Bis 2030 werden dazu 20 Milliarden Euro investiert.
Einheitszelle und Standardfabrik sichern dem Konzern nicht nur, dass die Mobilität der Zukunft nach den selbstgewählten Rahmenbedingungen abläuft. Auch die Abhängigkeit von einer externen Batteriefertigung in Asien, wie etwa aktuell noch bei zahlreichen Vorprodukten aus China, wird minimiert. Da die Akkumulatoren etwa 40 Prozent der Wertschöpfung eines Stromers ausmachen, macht sich Volkswagen daran, diese Schlüsseltechnologie selbst zu kontrollieren und gibt diesen Werttreiber nicht aus der Hand. Dies senkt die Gefahr von Lieferengpässen und Preisexplosionen durch Probleme in Übersee, bei Zulieferern oder den globalen Transportrouten.
Die Zielsetzung bei Volkswagen ist klar: Die Zukunft der Mobilität ist elektrisch. Damit diese Strategie erfolgreich ist, setzt der Wolfsburger Konzern alles daran, diese Transformation rentabel, sicher und kalkulierbar zu machen. Batterie-Einheitszelle und -Standardfabrik sind wichtige Schritte auf diesem Weg.