Assistenzsysteme von Volkswagen – Safety first!

Joshua Hildebrand

 · 09.03.2023

Assistenzsysteme von Volkswagen – Safety first!Foto: Volkswagen

Um die Verkehrssicherheit zu erhöhen, arbeitet Volkswagen kontinuierlich an neuen Sicherheitsassistenzsystemen. Diese können schon heute mehr als Sie vermutlich denken. Wir zeigen’s Ihnen!

Morgens,halb zehn in Karlsruhe: Die Arbeit ruft. Nur schnell die Kinder zur Schule fahren, dann geht’s weiter. Doch plötzlich folgt der Schockmoment: Ein Kind quert ohne zu schauen die Straße … Ausweichen ist aufgrund der engen Straße nicht möglich. Da hilft nur eins: bremsen! Und zwar so richtig. Das Auto vibriert, die Warnlichter flackern, die Reifen quietschen. Stillstand. Wir und vor allem das Kind haben Glück gehabt. Das war ganz schön knapp und wäre ohne Bremsassistent vermutlich nicht so glimpflich ausgegangen.

Ja, Assistenzsysteme können das Fahren nicht nur erleichtern, sondern auch sicherer machen. Die Unfallzahlen belegen, dass die Zahl der Verkehrstoten im Jahr 1970 (ca. 19.200) rund sieben Mal höher war als im Jahr 2022 (ca. 2.700). Häufigste Ursache bei Unfällen mit Personenschäden sind so gut wie immer Fehler beim Abbiegen, Wenden und Rückwärtsfahren – gefolgt von ungenügendem Abstand und Nichtbeachten der Vorfahrt. Dass die Zahl der verunglückten Verkehrsteilnehmer in den letzten 50 Jahren stark abgenommen hat, liegt vor allem auch an der Weiterentwicklung des Automobils und dem Bemühen der Automobilhersteller, ihre Autos sicherer zu machen. Bereits Mitte der 1960er kamen die ersten Fahrassistenzsysteme auf den Markt: der Tempomat und das Antiblockiersystem (AB S). Erst 1995 bündelte ESP mehrere Systeme in einem und konnte Schleuderunfälle weitgehend verhindern.

Viele Assistenzsysteme seit 2022 Pflicht

Seit dem 6. Juli 2022 gilt zudem eine E U-Verordnung, die Fahrassistenzsysteme in allen neuen Fahrzeugen zur Pflicht macht – zunächst für alle neu entwickelten Fahrzeuge, ab 2024 müssen dann alle Neuwagen mit ihnen ausgestattet sein. Dazu zählen unter anderem der Notbremsassistent, ein Notfall-Spurhalteassistent sowie ein Rückfahr- und Geschwindigkeitsassistent. Einige davon gehören bei Volkswagen bereits zur Standardausstattung, viele andere sind gegen Aufpreis erhältlich – einzeln oder in Paketen. Nichtsdestotrotz zahlen sich die Mehrkosten für unterstützende Fahrsysteme meist aus: Sie können Leben retten und dazu beitragen, potenzielle Kosten und Aufwände zur Bearbeitung von Schäden zu senken.

Neben passiven Systemen zur Unfallfolgenminderung wie Airbags, Sicherheitsgurte und das proaktive Insassenschutzsystem (dazu gleich mehr) sind es die aktiven Systeme, die zur Unfallvermeidung beitragen können.

Um die Verkehrssicherheit zu erhöhen, arbeitet Volkswagen kontinuierlich an neuen Sicherheitsassistenzsystemen. Diese können schon heute mehr als Sie vermutlich denken. Wir zeigen’s Ihnen!
Der Notbremsassistent kann Fußgänger, Radfahrer und Motorräder erkennen und leitet im Falle eines Falles selbstständig den Bremsvorgang ein
Foto: Volkswagen

Der volle Umfang und das Potenzial der heute bereits nutzbaren Systeme ist zumeist unbekannt. Nicht zuletzt, weil die Wirksamkeit im öffentlichen Straßenverkehr nicht in vollem Umfang darstellbar ist. Deshalb haben wir uns auf den Weg zum Volkswagen-Prüfgelände ins niedersächsische Ehra-Lessien gemacht, um eine Auswahl der Systeme in sicherem Rahmen erproben zu können.

Jeder von uns hat sicherlich beim Ein- und Ausparken oder Rangieren schon mal etwas übersehen – das kann ja immer mal passieren. Gut, wenn das Fahrzeug über eine serienmäßige Einparkhilfe mit Rangierbremsfunktion verfügt. Diese kann einer drohende Kollision vorbeugen oder ihre Schwere durch eine Notbremsung zum spätestmöglichen Zeitpunkt reduzieren. Erkennen die Ultraschallsensoren einen Gegenstand, so erfolgt die sofortige Bremsung bis zum Stillstand – bei Rückwärtsfahrt in einem Bereich von 1,5 km/h bis 10 km/h und bei Vorwärtsfahrt zwischen 2,5 km/h bis 10 km/h. Im Übrigen verfügt jeder VW ab Polo über diese Funktion, wenn eine Einparkhilfe an Bord ist. Mindestens genauso hilfreich ist der Ausparkassistent, der bei Volkswagen als „Rear Cross Traffic Alert“ bekannt ist. Es handelt sich dabei um ein radarbasiertes System mit Radarsensoren im Heckbereich. Diese erfassen das Umfeld des Fahrzeugs beim Rückwärtsausparken aus Querparklücken. Ist Gefahr in Verzug, so wird der Fahrer zunächst akustisch und optisch gewarnt, in allerletzter Konsequenz schließlich durch einen Bremseingriff gestoppt. „Das System stellt fest, ob Fahrzeuge in der Nähe kritisch sind und dem Ausparkvorgang in die Quere kommen könnten“, erklärt uns der zuständige Entwicklungsingenieur Marcus Müller und mahnt: „Das System soll als unterstützend verstanden werden, sich blind darauf verlassen sollte man aber nicht.“ Doch genau das taten wir … und wurden nicht enttäuscht – ein echter Sicherheitsgewinn. Für den Touareg gibt es diese Art des Systems sogar auch für den Frontbereich, es hört dann auf den Namen Kreuzungsassistent.

Bevor der Emergency Assist das Fahrzeug gänzlich zum Stillstand bringt, versucht er vorher, den Fahrer mit gezielten Bremsungen „wachzurütteln“
Foto: Volkswagen
Seit dem 6. Juli 2022 gilt eine EU-Verordnung, die Fahrassistenzsysteme in allen neuen Fahrzeugen zur Pflicht macht. Dazu zählen unter anderem der Notbremsassistent, ein Notfall-Spurhalteassistent sowie ein Rückfahrund Geschwindigkeitsassistent

So oder so sollte der Fahrer stets wachsam bleiben und bereit sein, im Notfall selbst eingreifen zu können. Dies gilt erst recht, wenn man so richtig in Fahrt ist. Da kann es eben passieren, dass uns wie zu Beginn ein Fußgänger oder ein Radfahrer in die Quere kommt. Für solche Situationen bietet Volkswagen unterstützend den serienmäßigen Notbremsassistenten namens „Front Assist“ an. Dabei ist er nicht wirklich neu, gab es ihn in ähnlicher Form bereits vor Jahren im kleinen up!. Jedoch hat sich das System stetig weiterentwickelt und neue Funktionen sind hinzugekommen, die je nach Modell mit unterschiedlichem Umfang helfen können – in „höchster“ Ausbaustufe sowohl mit Fußgänger- als auch Radfahrererkennung. Und genau diese probieren wir jetzt aus … Mit 50 km/h steuern wir zunächst auf einen Auto-Dummy, im Fachjargon „Target“ genannt, zu. Neben uns sitzt Thorben Vogt, Entwicklungsingenieur des Front Assist, der uns Mut zuspricht: „Keine Sorge, anders als im öffentlichen Straßenverkehr kann hier nichts passieren.“ Trotzdem müssen wir uns ein wenig überwinden, auf ein Objekt zuzusteuern, ohne reagieren zu dürfen.

Im Notfall hilft das Auto

Zunächst kommen wir in eine „Warnkaskade“, so nennt es der Ingenieur, die einmal akustisch und anschließend einmal kurz haptisch vor einer drohenden Kollision warnt. Reagiert der Fahrer nicht, leitet der Front Assist die Notbremsung ein. Dabei muss das System gleich mehrere Aktionen ausführen: zunächst einmal das Hindernis erkennen – dies geschieht über Kamera und Radar. Anschließend Warnmeldungen im Cockpit ausspielen (in I D.-Modellen zusätzlich via I D.Light) und schließlich die Bremse ansteuern. Bestenfalls kann ein Zusammenstoß vermieden, mindestens aber können Unfallfolgen gemindert werden. Und tatsächlich: Souverän klärt das System die Situation und stoppt unseren I D.4 auf Kollisionskurs. Dies klappt sogar bei Fußgängern und Radfahrern in verschiedenen Bewegungsformen, wie wir ebenso erfahren durften. „Wir entwickeln

„Ups, da war ja ein Einkaufswagen – den hab ich gar nicht gesehen …“ Wie gut, dass der Rangierbremsassistent schnell reagiert hat
Foto: Volkswagen

Assistenzsysteme, welche die Fahrer unterstützen sollen. Wir versuchen möglichst zu vermeiden, dass sich der Fahrer bevormundet fühlt“, so Vogt weiter. Beim Ausweichassistenten, der als Funktionserweiterung des Notbremsassistenten zu verstehen ist, übernimmt das System zusätzlich die Lenkung des Fahrzeugs und greift auf das ESC zu. Fährt man auf ein Hindernis zu, und wird kurz vor drohender Kollision eine Lenkbewegung registriert, so unterstützt das System den Fahrer, um um das Objekt herumsteuern zu können – wirklich faszinierend und zugleich ein wenig seltsam, da es sich anfühlt, als besäße das Fahrzeug eine Art Eigenleben.

Ein weiteres typisches Szenario kennen wir alle: Wir fahren in der Stadt und möchten links abbiegen. Dabei übersehen wir leider den Gegenverkehr … In aller Regel hätte solch eine Situation böse Folgen, doch der Abbiegeassistent hat das Geschehen über Frontkameras und Radar überwacht, die Gefahr erkannt und uns schließlich sofort zum Stehen gebracht. Puh, das war knapp! Auch wenn es in unserem Fall zum Glück nur ein fiktives Szenario mit Dummy war, kann solch ein System im echten Straßenverkehr Leben retten. Voraussetzungen zur Aktivierung sind das Setzen des Blinkers sowie eine Geschwindigkeit von maximal 20 km/h. Dieser wichtige Helfer ist übrigens recht neu auf dem Markt, es gibt ihn in Modellen wie dem Golf 8 oder in der I D.-Familie serienmäßig. Zudem dürfen wir uns in Europa besonders glücklich schätzen, da der Abbiegeassistent in China etwa (noch) gar nicht angeboten wird.

Automatische Hilfe für Fahrer

Sie werden langsam müde? Dann sollten Sie eigentlich nicht mehr Auto fahren. Die Müdigkeitserkennung erinnert anhand der Augenund Lidbewegungen und/oder dem Lenkverhalten zwar daran, eine Pause zu machen, dennoch kommt es immer wieder zu schlimmen Unfällen aufgrund von Sekundenschlaf. Verhindern kann das der Emergency Assist, der erkennt, wenn der Fahrer ausgefallen ist. Das bedeutet, das Fahrzeug kann selbstständig bis zum Stillstand herunterbremsen und in allerletzter Konsequenz auch einen Notruf absetzen. Angenommen, man fährt auf der Autobahn und die automatische Spurführung (Travel oder Lane Assist) ist aktiv, so wird in regelmäßigen Abständen die Aktivität des Fahrers abgefragt – vor allem über die Berührung des kapazitiven Lenkrads. Reagiert der Fahrer nicht, so versucht er mithilfe von akustischen Warntönen, kurzen, aber kräftigen Bremsstößen sowie Straffung der Gurte die Aufmerksamkeit des Fahrers zurückzugewinnen. Passiert dann immer noch nichts, aktiviert der Volkswagen Warnblinkanlage sowie Hupe, um andere Verkehrsteilnehmer auf einen Notfall hinzuweisen.

Die Multikollisionsbremse bremst den Wagen nach einem Unfall automatisch ab, um im Idealfall eine Folgekollision zu vermeidenFoto: Volkswagen
Die Multikollisionsbremse bremst den Wagen nach einem Unfall automatisch ab, um im Idealfall eine Folgekollision zu vermeiden

Ist das Fahrzeug vollständig zum Stehen gekommen, so öffnet das System automatisch die Türen, schaltet das Licht im Innern ein und setzt bei weiterer Inaktivität des

Fahrers einen Notruf ab. Was sich so einfach anhört, setzt eine Menge Technik und Know-how voraus. Lukas Ackert hat den Emergency Assist mit entwickelt und weiß, auf was es alles zu achten gilt: „Vor allem die unterschiedlichen Straßenbedingungen waren bei der Entwicklung eine Herausforderung. Denn wir müssen sicherstellen, dass überall, wo das System zum Einsatz kommt, seine reibungslose Funktion gewährleistet ist.“

Der Notfallassistent funktioniert übrigens auch im Highspeed-Bereich – bei der I D.-Familie sogar bis zur Höchstgeschwindigkeit von 160 oder 180 km/h (GTX). Er übernimmt die volle Kontrolle des Fahrzeugs, kann zudem auf langsamer vorausfahrende Fahrzeuge teilautonom reagieren und verzögert dank einer Komfortbremsung hierbei gegebenenfalls stärker. Bei einer drohenden Kollision greift zudem der optionale „Front Assist“ ein. Fahrassistenzsysteme sollten nicht als Lebensversicherung angesehen werden. Denn auch, wenn sie den Fahrer bestmöglich unterstützen und die Sicherheit immens erhöhen, lassen sich Unfälle nie ganz ausschließen. Deshalb sichern sich die meisten VW-Modelle mithilfe von Pre-Crash-Funktionen doppelt ab. Allen voran mithilfe des proaktiven Insassenschutzsystems, das brenzlige Situationen mit Unfallpotenzial erkennt, zum Beispiel Schleudern oder einen unvermeidbaren Zusammenstoß, und dann Vorkehrungen treffen kann.

Gerät das Fahrzeug ins Schleudern oder scheint eine Kollision unvermeidbar, greift der proaktive Insassenschutz ein. Jener schließt nicht nur Fenster und Schiebedach, sondern strafft auch die Gurte – alles, um Unfallfolgen zu mindern
Foto: Volkswagen

Dazu zählt das automatische Schließen der Fenster und des Schiebedachs bis auf einen Restspalt, damit die Airbag-Gase im Falle eines Crashs noch entweichen können. Außerdem die Straffung der Sicherheitsgurte über einen reversiblen Gurtstraffer (siehe links) sowie das Einschalten der Blinker. Je nach Modell ist dieses System sogar serienmäßig an Bord. Unmittelbar nach einer Kollision greift zudem ein weiteres Sicherheitsfeature, das es seit etwa zehn Jahren in Serie gibt: die Multikollisionsbremse. Sie bremst den Wagen nach einem Unfall automatisch ab, um so im Idealfall eine Folgekollision zu vermeiden. Gut so, „(...) denn statistisch gesehen enden rund 25 Prozent aller Unfälle nicht mit dem Erstaufprall“, weiß Rene Schreyer, Experte für Insassenschutz und Volkswagen-Entwicklungsingenieur für das proaktive Insassenschutzsystem. Seit der Erfindung des Autos hat sich viel getan: „Sie wurden immer schneller, die Straßen immer voller, aber die Sicherheitstechnik auch immer komplexer“, so Schreyer weiter. Allein bei Volkswagen sind aktuell deutlich über 20 Assistenzsysteme im Programm. Tats ächlich ist aber noch lange nicht das Ende der Stoßstange erreicht.

Bild NaN
Foto: Volkswagen

Am Ende ermöglichen Assistenzsysteme eine derart wichtige Interaktion zwischen Fahrer, Fahrzeug und Fahrumgebung, dass Unfälle ganz verhindert, Unfallfolgen gemindert und/oder Leben gerettet werden können. Und außerdem: Sollte autonomes Fahren tatsächlich irgendwann zum Verkehrsalltag gehören, ist es umso beruhigender zu wissen, dass man sich auf die elektrischen Helferlein verlassen kann. Eigentlich verrückt, dass es jemals ohne ging …