50 Jahre Skoda-Crashtest – Skoda-SicherheitGarantiert getestet

Alexander Voigt

 · 03.02.2023

50 Jahre Skoda-Crashtest – Skoda-Sicherheit: Garantiert getestetFoto: Skoda
50 Jahre Skoda-Crashtest

50 Jahre Skoda- Crashtests: Anlässlich des Jubiläums öffneten die Tschechen die gut gesicherten „Heiligen Hallen“ ihres Versuchszentrums Polygon Úhelnice in den Wäldern rund um Mlada Boleslav

Mai 1972 – ein Nebengelände des Prager Flughafens Ruzyne. Skoda-Techniker bereiten den ersten (dokumentierten) Fahrzeug-Crashtest auf damals tschechoslowakischem Boden vor. Der Hintergrund: Skoda möchte den neuen Skoda 100 L nach Westeuropa exportieren. Und muss dafür die entsprechenden Vorgaben der Crashsicherheit nicht nur garantieren, sondern auch nachweisen. Dafür fällt der Startschuss für den neuen „FODRSAMARUPUSOPR“. Die acht Entwickler, die Teile ihrer Namen in der ungewöhnlichen Bezeichnung des Wasserdampf-Raketenschlittens vereint haben, der gleich den 100 L mit 48,3 Stundenkilometern an eine Betonwand jagen wird, halten den Atem an.

Die Basis der Dampfrakete ist ein 300-Liter-Druckbehälter mit Heizschlangen. Das Fahrzeug und die Rakete werden durch eine Schiene in der Spur gehalten, die etwa fünf Meter vor einer Betonwand endet. Dort wird die Dampfrakete durch eine Keilbremse gestoppt, während das Fahrzeug gegen die Mauer prallt. Die Geschwindigkeit, mit der die Rakete das Auto antreibt, hängt von der Wassermenge ab und wird weiterhin durch das Gewicht des Fahrzeugs bestimmt. Eine Hochgeschwindigkeitskamera mit einer Frequenz von 1.000 Bildern pro Sekunde zeichnet den Verlauf des Crashtests auf.

Unter großem Getöse des Ausstoßes setzt sich das Gespann in Bewegung – mit diesem Augenblick beginnt offiziell die mittlerweile 50-jährige Historie von Crashtests im Hause Skoda. Wobei die ersten Crashtests mit Skoda-Fahrzeugen möglicherweise bereits 1968 auf dem Werksgelände in Mlada Boleslav stattfanden; darüber gibt es allerdings keine offiziellen Aufzeichnungen. Damals fuhr wohl ein Skoda 1000 MB mit einer Geschwindigkeit von etwa 20 km/h gegen eine Wand. Der Vergaser wurde dabei so eingestellt, dass der Wagen diese Geschwindigkeit im Leerlauf erreichte.

Seltener Blick hinter die Kulissen

Inzwischen betreiben die Tschechen in ihrem Testzentrum Polygon Úhelnice ein hochmodernes Crashlabor, das im Jahr 2020 erneut umfassend erweitert und von der Fachzeitschrift Automotive Testing Technology International sogar als Crashlabor des Jahres ausgezeichnet wurde. Die regelmäßigen Ergebnisse im Euro NCAP-Referenztest und im Global NCAP-Test für Crashsicherheit belegen die Erfolge des tschechischen Automobilherstellers in diesem Bereich: Bereits seit 2008 haben alle 15 in der Zwischenzeit neu vorgestellten Skoda-Modelle die Bestwertung von fünf

Undatiert: Möglicherweise der erste Crashtest überhaupt mit einem Skoda 1000 MB (1968)
Foto: Skoda

Sternen erhalten. Im Jahr 2021 wurden der aktuelle Fabia und der Enyaq iV als sicherste Fahrzeuge in ihren Klassen ausgezeichnet. Im Anschluss an die erfolgreiche Premiere fanden in der damaligen Tschechoslowakei regelmäßige Crashtests statt. Die Testanlage in Prag-Ruzyne blieb bis 1996 in Betrieb. Allerdings eröffnete das staatliche Institut für Kraftfahrzeugforschung (ÚVMV) in den damaligen Räumlichkeiten des tschechischen Nutzfahrzeugherstellers Avia bereits 1975 eine neue Prüfeinrichtung mit einer Halle sowie einem im Freien stehenden Fallturm, an dem Aufpralltests durch Stürze aus der Höhe durchgeführt wurden. In diesem Prüfzentrum wurde außerdem Zubehör geprüft, etwa Sicherheitsgurte, Sitze und Dachgepäckträger. Nach der Übernahme des tschechischen ÚVMV eröffnete der damalige TÜV Bayern und heutige TÜV SÜD im Jahr 1996 sein eigenes Prüfzentrum in der Gemeinde Úhelnice bei Mlada Boleslav.

Das erste hier getestete Fahrzeug war ein Skoda Octavia. In den Jahren 2000 und 2001 wurde die Halle auf Betreiben von Skoda umgebaut und von ursprünglich 50 auf 100 Meter verlängert. Die Fahrzeuge konnten gleichmäßiger beschleunigt werden, so dass sich die Position der Test-Dummys nicht veränderte. Auch die Umstellung von analogen auf digitale Kameras trieb Skoda maßgeblich voran. Im Jahr 2011 übernahm der Automobilhersteller das Prüfzentrum und arbeitete dort weiterhin mit dem TÜV SÜD Czech zusammen. Im März 2020 nahm ein neues Crashlabor den Betrieb auf. Es ist mehr als doppelt so groß wie die vorherige Anlage, die Crash-Halle ist jetzt über 180 Meter lang. Herzstück des Labors ist ein elektrisches Antriebssystem. Es kann zwei frontal aufeinander zufahrende Fahrzeuge mit bis zu 3,5 Tonnen Gesamtgewicht auf bis zu 65 km/h oder ein einzelnes Fahrzeug auf bis zu 120 Stundenkilometer beschleunigen.

Mitarbeiter in Festanstellung: Eine Dummy-Familie wartet auf den Einsatz
Foto: Skoda

Als Passagiere der Testfahrzeuge kommen neun Erwachsenen-Dummys und vier Kinder-Dummys unterschiedlicher Bauart zum Einsatz. Mithilfe einer optischen Einrichtung werden die Dummys in den Fahrzeugen platziert, zudem wird die korrekte Sitzposition statischer Fotogrammmetrie geprüft. Zu den zahlreichen weiteren Versuchsausstattungen für alle aktuellen Prüfszenarien gehören eine Messwand, die beim Aufprall auftretende Kräfte erfasst, sowie 20 statische und 30 Onboard-HD-Hochgeschwindigkeitskameras zur Dokumentation aller Crashtests. In einer separaten Halle hat Skoda zudem eine Einrichtung zum Überfluten von Fahrzeugen installiert. Sie kommt im Bedarfsfall bei der Nachbereitung von Crash-Versuchen mit Elektrofahrzeugen zum Einsatz.

In Ländern der Europäischen Union verfügt jedes Skoda-Modell über mindestens sechs Airbags. Serienmäßig sind Fahrer- und Beifahrerairbag, Seitenairbags vorn und zwei Kopfairbags an Bord, die auch die Seitenfenster der ersten und zweiten Sitzreihe abdecken. Zwei Seitenairbags an den äußeren Rücksitzen sind optional erhältlich. Mit einem zusätzlichen zentralen Airbag zwischen den Vordersitzen, der bei einer Kollision verhindert, dass die Frontpassagiere gegeneinanderprallen, kommt die Enyaq iV-Familie auf bis zu neun Airbags, der Octavia inklusive des serienmäßigen Knieairbags sogar auf zehn. Für die sichere Befestigung von Kindersitzen verfügen alle Skoda-Modelle über ISOFIX-Aufnahmen und einen dritten Top-Tether-Verankerungspunkt an den äußeren hinteren Sitzen.

Blick in die große Halle des Skoda-Testzentrums: Lafette für Frontal- und Seitencrashs | hsFoto: Skoda
Blick in die große Halle des Skoda-Testzentrums: Lafette für Frontal- und Seitencrashs | hs

Skoda arbeitet bei der Entwicklung seiner Fahrzeuge stets an einer hohen Verwindungssteifigkeit der Karosserie und stellt gleichzeitig sicher, dass sie viel Energie absorbiert. Dabei nehmen Deformationszonen bei einem Aufprall so viel Energie auf wie möglich.

Moderner Karosseriebau

Ziel ist es, die Fahrgastzelle bei Unfällen stabil zu halten, um die Passagiere bestmöglich zu schützen. Gleichzeitig ermöglicht eine höhere Karosseriesteifigkeit bessere Fahreigenschaften, da sich die Karosserie in Kurven nicht verwindet und die Räder immer in der gewünschten Position zur Straße bleiben.

Stahlmix im Dienste der Sicherheit: Von der ersten bis zur vierten Skoda Octavia-Generation steigerte sich der Anteil gehärteten Hochfestigkeitsstahls von null auf 24,6 Prozent
Foto: Skoda

Skoda setzt immer stärker auf warmumgeformte und hochfeste Stahlkomponenten, die hauptsächlich an den A- und B-Säulen, der Stirnwand und dem Mitteltunnel verwendet werden. Beim Fabia der vierten Generation stieg beispielsweise der Anteil der drei härtesten Stahlsorten – Mehrphasenstahl, ultrahochfestem Stahl und pressgehärtetem Stahl – im Vergleich zum Vorgänger von 15 auf 40 Prozent.

Optimaler Fußgängerschutz

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Fahrzeugentwicklung ist der best- mögliche Schutz anderer Verkehrsteilnehmer, besonders für Fußgänger und Radfahrer. Dabei helfen intelligente Assistenzsysteme und spezielle Konstruktionsmerkmale der Karosserie. Bereits in der Entwicklungsphase eines neuen Modells werden mehr als 200 verschiedene Tests für den Fußgängerschutz durchgeführt. Dazu zählen etwa vorgeschriebene sogenannte Impaktor-Tests, die den Aufprall eines Prüfkörpers in Form eines Oberschenkels auf die Fronthaube oder eines Unterschenkel-Modells gegen die vordere Stoßstange simulieren; ebenso Kopfaufpralltests für Erwachsene und Kinder für eine Kollision mit der Motorhaube oder der Frontscheibe. Um Fußgänger im Falle einer Kollision so gut wie möglich zu schützen, muss bei der Karosseriekonstruktion zudem zwischen Bauteilen wie Motor, Stoßdämpfern, Haubenscharnier, Haubenschloss und den Scheibenwischerachsen ausreichend Platz vorhanden sein. Die Motorhaube bremst einen Aufprall durch gezielte Verformung ab und verfügt an der Front über keine scharfe Kanten oder harte Strukturen, die nicht unbedingt erforderlich sind. Den Schutz von Personen erhöht auch ein energieabsorbierendes Material, das vor der Stahlverstärkung des vorderen Stoßfängers angebracht ist.

Darüber hinaus ergänzen moderne Assistenzsysteme die mehrfach getesteten Konstruktionsmerkmale der Karosserie und sorgen im Miteinander für das top Sicherheitsniveau eines modernen Skodas – ganz ohne Wasserdampfrakete auf einem Rollfeld hinter dem Eisernen Vorhang.

Das Ende vieler Crashtest-Fahrzeuge: Der massive Einschlagblock der finalen Messwand | ndFoto: Skoda
Das Ende vieler Crashtest-Fahrzeuge: Der massive Einschlagblock der finalen Messwand | nd