Gute Fahrt
· 05.11.2025
Das 8-Stunden-Rennen von Bahrain markiert das Ende einer Ära für den Stuttgarter Sportwagenhersteller. Nach drei Jahren intensiver Entwicklungsarbeit und beeindruckenden Erfolgen verabschiedet sich das Werksteam aus der Langstrecken-Weltmeisterschaft. Die Bilanz kann sich sehen lassen: Seit dem Debüt 2023 sammelte der Hybridprototyp drei Siege, 15 Podestplätze und drei Pole-Positions in 22 Rennen auf elf verschiedenen Strecken.
Thomas Laudenbach, Leiter des Motorsportbereichs, betont die Ambitionen für das Finale: "Uns mit weiteren Titelgewinnen aus der FIA WEC zu verabschieden, wäre großartig. Wir starten als Außenseiter, aber wir setzen alles daran, unsere Chancen maximal zu nutzen." Der 963 hat sich als erfolgreichstes LMDh-Fahrzeug seit Einführung des Reglements etabliert und wird diese Position auch nach dem Rückzug behalten.
Die Punktevergabe beim Finale erfolgt mit dem Faktor 1,5, wodurch sich die Abstände dramatisch verändern können. Maximal 66 Punkte sind in der Herstellerwertung noch zu holen, bei den Fahrern 39 Zähler. Estre und Vanthoor liegen aktuell 21 Punkte hinter der Spitze und benötigen eine fehlerfreie Leistung sowie Unterstützung durch die Konkurrenz.
Jonathan Diuguid, Leitender Direktor der Einsatzmannschaft, reflektiert über die gemeinsame Zeit: "Zum zweiten Mal in Folge geht das Team als Titelanwärter in das letzte Rennen der Saison. Die Geschichte unseres Teams nimmt eine Wendung, aber sie ist noch nicht zu Ende." Die Kooperation zwischen dem deutschen Hersteller und dem amerikanischen Traditionsteam Team Penske hat in drei Jahren beeindruckende Erfolge hervorgebracht.
Eine besondere Geschichte schreibt Laurin Heinrich, der sein Hypercar-Renndebüt feiert. Der ehemalige Junior-Pilot teilt sich das Auto mit der Startnummer 5 mit den erfahrenen Franzosen Julien Andlauer und Mathieu Jaminet. "Vor drei Jahren war ich Junior, jetzt fahre ich für das Werksteam im 963 ein WM-Rennen – das ist unfassbar und macht mich sehr stolz", erklärt der Deutsche.
Heinrich steht vor einer enormen Herausforderung: Die Strecke in Sakhir ist für ihn Neuland, ebenso wie das komplexe Hybridsystem des Prototyps und die Arbeitsweise der WEC-Mannschaft. Dennoch zeigt sich der Nachwuchspilot optimistisch: "Ich habe mich gemeinsam mit der Mannschaft bestmöglich auf die bevorstehenden Aufgaben vorbereitet. Ich hoffe, dass ich der Marke und meinen Fahrerkollegen im Kampf um die Titel helfen kann."
Im Schwesterfahrzeug setzen die amtierenden Weltmeister Estre und Vanthoor auf ihre bewährte Partnerschaft mit Matt Campbell. Der Franzose Estre bringt die Motivation der Crew auf den Punkt: "Für große Wehmut ist kein Platz: Wir kämpfen noch um den Herstellertitel und die Fahrermeisterschaft. In den vergangenen Rennen haben wir als Team jederzeit das Maximum aus unserem Paket herausgeholt."
Die Erfahrung der Stammbesatzung könnte den entscheidenden Unterschied machen. Estre holte bereits die Pole-Position bei den 24 Stunden von Le Mans und führte das Team zu wichtigen Siegen in Katar, Fuji und Austin. Campbell komplettiert das Trio mit seiner Konstanz und Geschwindigkeit, die bereits 2024 zum Titelgewinn beitrugen.
Die Entwicklungsgeschichte des 963-Programms begann am 16. Dezember 2020 mit der Ankündigung des LMDh-Einstiegs. Die Entscheidung für das neue Hypercar-Reglement ermöglichte den Einsatz baugleicher Rennwagen in der WEC und der amerikanischen IMSA-Serie. Ein V8-Biturbo-Motor kombiniert mit Standard-Hybridelementen bildete die technische Basis für den Rennwagen aus Weissach.
Die Partnerschaft mit Team Penske wurde am 4. Mai 2021 offiziell besiegelt. Basierend auf erfolgreichen Kooperationen mit dem 917 in den 1970er-Jahren und dem RS Spyder nach der Jahrtausendwende entstand eine globale Einsatzorganisation. Die WEC-Mannschaft fand ihre Heimat in Mannheim, während das IMSA-Team in Mooresville stationiert wurde.
Das Rollout am 14. Januar 2022 in Weissach markierte den ersten öffentlichen Auftritt des 963. Nach über 30.000 Testkilometern folgte am 17. März 2023 das Renndebüt beim 1.000-Meilen-Rennen in Sebring. Bereits beim zweiten WEC-Einsatz in Portimão erreichte der Hybridprototyp das Podest und kündigte die kommenden Erfolge an.
Der erste WEC-Sieg ließ bis zum 2. März 2024 in Katar auf sich warten, doch dann folgte eine beeindruckende Serie. Siege in Fuji und Austin, Podestplätze in Le Mans und die Fahrer-Weltmeisterschaft 2024 krönten die Entwicklungsarbeit. Insgesamt spulten die Werkswagen 78.289 Rennkilometer ab und sammelten weitere 36.754 Kilometer in Training und Qualifying.
Neben dem Werksteam kämpfen auch die Kundenmannschaften um wichtige Titel. Das Team Manthey 1st Phorm reist als Tabellenführer in der FIA Endurance Trophy nach Bahrain. Die Mannschaft aus der Eifel geht mit einem komfortablen Vorsprung von elf Punkten in das Finale und könnte der Marke einen weiteren Titel bescheren.
Richard Lietz, der erfahrene Österreicher im 911 GT3 R mit der Startnummer 92, kennt die Herausforderungen des Wüstenrennens: "Das lange Rennen über acht Stunden führt vom heißen Nachmittag in den kühleren Abend. Wir müssen ein möglichst optimales Setup für die fallenden Asphalttemperaturen finden." Die LMGT3-Klasse verspricht einen spannenden Titelkampf.
Das Team Iron Dames mit Michelle Gatting kehrt an den Schauplatz ihres WEC-Sieges 2023 zurück. Die dänische Pilotin erinnert sich gerne an den historischen Triumph: "Dieser Erfolg bleibt für immer in unseren Köpfen und Herzen. Wir wissen, dass wir in Bahrain stark und schnell sind." Die reine Frauenmannschaft möchte die Saison mit einem Highlight beenden.
Auch Proton Competition mit Neel Jani im 963 hofft auf einen versöhnlichen Saisonabschluss. Der Schweizer blickt optimistisch auf das Finale: "Im vergangenen Jahr waren wir in Bahrain stark unterwegs und lange Zeit in der Spitzengruppe gefahren. Die Strecke liegt uns." Nach einer schwierigen Saison könnte ein Podestplatz die Moral für kommende Projekte stärken.