B.-L. Blank
· 01.10.2021
Die Extreme E ist eine Rennserie für Elektro-SUV und will Umweltschutz in den Vordergrund rücken. Das Cockpit teilen sich immer eine Frau und ein Mann. Beim ersten X-Prix in AlUla, Saudi-Arabien, produzierte die neue Rennserie vor allem eines: spektakuläre Bilder
Heute ist ein glücklicher Tag für mich.“ Das breite Grinsen von Alejandro Agag war auch unter der Mund-Nasen-Bedeckung deutlich auszumachen, als die Extreme E in AlUla ihr Debüt feierte. Agag ist der Macher der neuen Rennserie. Schon die Formel E hatte der umtriebige Spanier aus der Taufe gehoben. Sein neues Rezept: Elektro- SUV, Gleichstellung und eine grüne Note. Nach jeweils einer Runde kommt es zum Pflicht-Fahrerwechsel. Es ist den Teams freigestellt, wann Frau oder Mann an der Reihe ist. Gefahren wird an abgelegenen Orten der Erde, um auf die Folgen des Klimawandels hinzuweisen. Das klingt paradox. Doch die Serie selbst will einen Beitrag leisten, indem sie keinen CO2-Fußabdruck hinterlässt. Mit der reichenweitenstarken Plattform will Agag das Bewusstsein für den Klimawandel schärfen. So viel zu seinem Plan.
Stelldichein der Formel 1-Stars
Das Teilnehmerfeld der Extreme E ist gespickt mit großen Namen. Seats Performancemarke Cupra schickt zusammen mit dem Rennteam Abt Sportsline aus Kempten einen Boliden an den Start. Für eine starke Formel 1-Note sorgen die Teambesitzer Nico Rosberg, Lewis Hamilton und Jenson Button. Button, sonst nur Rundstrecke auf Asphalt gewöhnt, setzt sich sogar persönlich an das Volant: „Das ist hier schon ein kleiner Schock für mich“. Hamilton vertraut auf das Fahrerduo aus Rallyelegende Sebastien Loeb und Cristina Gutierrez. Stichwort Rallye: Auch Carlos Sainz ist mit einem eigenen Team dabei. Strahlender Sieger beim Debüt war aber Nico Rosberg. Sein Rennstall RXR gewann die Premierenveranstaltung und durfte sich so in den Annalen des Motorsports verewigen. Mit Molly Taylor (Australien) und Johan Kristoffersson (Schweden) hatte Rosberg das stärksteDuo auf seiner Seite.
Crash und Nachtschicht
Für die spektakulärsten Rennszenen sorgte das Team Abt Cupra XE, wenngleich unfreiwillig. Im ersten Qualifikationslauf verunfallte Pilotin Claudia Hürtgen. Das Elektro-SUV überschlug sich mehrfach, Sand wirbelte meterhoch durch die Luft. Glück im Unglück: Sie konnte kurz darauf auf eigenen Beinen das Fahrzeug verlassen und überstand den Crash ohne Blessuren. Beim Anblick des spektakulären Überschlags erinnerte sich der geneigte Rennsport-Fan an die Weisheit: „Motorsport is dangerous“, Motorsport ist gefährlich. Statt Halbfinale hieß es nun Nachtschicht. Mattias Ekström packte höchstpersönlich mit an. Mit dem Vorschlaghammer bewaffnet beulte er den Odyssey 21-Rennwagen aus und verdingte sich als Mechaniker. Jede helfende Hand war nötig, um den stark demolierten Elektro-Boliden für den nächsten Wettkampftag wieder einsatzbereit zu machen. Pünktlich zum „Shoot-out“, der Platzierungsrunde, rollte der Cupra wieder durch den Wüstensand. In Führung liegend kam es kurz vor Ende zu einem weiteren Unfall. Der US-
Amerikaner Kyle Leduc (Ganassi) krachte am Fuße einer Sanddüne mit seinem Wagen in den von Claudia Hürtgen gesteuerten Cupra. Eine Weiterfahrt war für beide nicht möglich, der Lauf wurde abgebrochen. Trost für das vom Pech geplagte Abt-Team: Immerhin wurde das Ergebnis gewertet, man sammelte trotz allem 13 Meisterschaftspunkte.
Einheitliches Auto, Spielraum beim Setup
Gefahren wird in der Extreme E mit einem einheitlichen Fahrzeug namens Odyssey 21. Das Elektro-SUV leistet in der Spitze 400 kW, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 200 Stundenkilometern. Tempo 100 ist nach 4,5 Sekunden erreicht. „Zuerst habe ich gedacht, das wird langweilig, weil alle das gleiche Auto haben. Aber innerhalb dieses Rahmens gibt es viel Spielraum“, meint Cupra-Pilot Ekström. Der Schwede, zweifacher DTM-Champion und Rallye-Cross Experte, geht ins Detail: „Beim Differential, den Stoßdämpfern, der Federung, der Fahrzeughöhe, dem Reifendruck und auch bei den Software-Einstellungen gibt es relativ viele Möglichkeiten. Es wird sehr darauf ankommen, die Strecken so schnell wie möglich zu lesen und zu verstehen. Obwohl alle das gleiche Auto haben, gibt es genug Einstellmöglichkeiten, so dass man als Team den Unterschied machen kann.“ Das Laden der Rennfahrzeuge erfolgt über eine emissionsfreie Fuel Cell-Technologie. Als Fahrerlager und Transportmittel dient das Schiff St. Helena, ein ehemaliger britischer Postfrachter.
Extrem spontan, extrem unkonventionell
Ein finaler Beweis gefällig, dass die Extreme E Dinge anders handhabt? Am Vortag des Auftakts wurde das Reglement geändert. Statt Quali-Rennen, um das Halbfinale zu erreichen, gab es Einzelzeitfahren. Im Verlauf des X-Prix wurde schließlich von der Rennleitung auch die Leistung auf 225 kW pro Fahrzeug begrenzt. Dass die Webstreams zumindest beim Auftakt- rennen nur teilweise live waren, sorgte derweil in den Kommentarspalten auf den sozialen Netzwerken für einigen Unmut. Insgesamt erfreute sich die Extreme E aber eines großen medialen Echos. Die Neugier ist geweckt.
Der nächste X-Prix führt in den Senegal (29./30. Mai), wo auf Salzböden gefahren wird. Die weiteren Stationen: Grönland (28./29. August), der Amazonas in Brasilien (23./24. Oktober) und zu Füßen eines Gletschers in Feuerland (11./12. Dezember). Nicht auszuschließen, dass die Regeln auch hier flexibel an die Bedingungen vor Ort angepasst werden. Extrem, in jeder Hinsicht.