Joshua Hildebrand
· 17.02.2022
Die Rallye Dakar 2022 ist vorüber. Was bleibt: Die Erinnerung an das härteste Offroad-Rennen der Welt und ein Stück neue Motorsportgeschichte. Alle drei Prototypen des Audi RS Q E-Tron haben ihre Feuertaufe bestanden: Audi ist das erste Team, das mit einem teilelektrischen Antriebskonzept den Sieg einer Tagesetappe erzielt hat
Es war ein Start-Ziel-Sieg für ihn. In der Wüste Saudi-Arabiens hat Nasser Al-Attiyah auf Toyota die 44. Rallye Dakar gewonnen. Mit knapp 28 Minuten Rückstand kam der neunmalige Rallye-Weltmeister Sebastien Loeb im BRX-Hunter-Buggy als Zweiter ins Ziel. Dritter wurde Yazeed Al-Rajhi, ebenfalls auf Toyota. Aus deutscher Sicht also eher eine durchwachsene Rallye? Nicht ganz. Denn Audi hat Motorsportgeschichte geschrieben: Der historische Sieg von Carlos Sainz mit dem elektrischen RS Q E-Tron bereits am dritten Wertungstag ist längst in die Geschichte des Motorsports eingegangen. Audi ist das erste Team, das mit einem Hybridantrieb den Sieg einer Tagesetappe erzielte. Nicht zuletzt damit habe der nach eigenen Angaben bislang komplexeste Rennwagen der Firmengeschichte seine Feuertaufe mit Bravour bestanden – und das bei der bekanntlich härtesten Offroad-Rallye der Welt.
Audi kehrt in den Rallye-Sport zurück
Insgesamt schickten die Ingolstädter drei Fahrzeuge sowie drei Fahrer-Beifahrer-Teams ins Rennen: Mattias Ekström glänzt mit seiner Vielseitigkeit. Zwei DTM- Titel und der Gewinn einer Rallycross-Weltmeisterschaft sind die Höhepunkte einer fast 30-jährigen internationalen Motorsportkarriere. Copilot Emil Bergkvist, ebenfalls Schwede, war selbst Junior-Rallye-Weltmeister, bevor er auf den Beifahrersitz wechselte.
Stéphane Peterhansel führt als 14-maliger Sieger die Bestenliste der Rallye Dakar an. Sein französischer Landsmann und Copilot Edouard Boulanger wies ihm 2021 bei seinem jüngsten Erfolg den Weg. Der Spanier Carlos Sainz hat die Rallye Dakar bereits drei Mal gewonnen und bringt mehr als zwei Jahrzehnte Erfahrung aus Sprint-Rallyes mit, in deren Verlauf er zwei Mal Rallye-Weltmeister war. Bei allen drei Dakar-Siegen saß sein Landsmann Lucas Cruz auf dem Beifahrersitz. Alle drei Audi RS Q E-Tron bewältigten bei ihrem Debüt in Saudi-Arabien in Summe rund 24.000 Wüstenkilometer, was das Dreifache jener 8.700 Testkilometer entspricht, die Audi zuvor absolviert hat. Bei der letzten Zieleinfahrt in Dschidda gehen vier Tagessiege, insgesamt 14 Podiums-Etappenergebnisse und letztlich der beste Gesamtrang neun aufs Audi-Konto.
„Audi ist seiner Pionierrolle bei der Rallye Dakar auf Anhieb gerecht geworden“, so der stolze Oliver Hoffmann, Audi-Vorstand für den Geschäftsbereich Technische Entwicklung. In nur etwas mehr als einem Jahr hatte Audi den RS Q E-Tron zur Einsatzreife entwickelt. Dank des Hybridantriebs starteten die drei Rennwagen in der neuen T1-Ultimate-Klasse für emissionsarme Fahrzeuge. Die Prototypen von Audi haben als erste Vertreter dieser neuen Klasse nicht nur einen bleibenden Eindruck hinterlassen, sondern auch Geschichte geschrieben und Bestzeiten erzielt.
Technik aus der DTM und der Formel E
Kommt Ihnen bekannt vor? Uns auch. Jene Revolution erinnert ein bisschen an die 1980er-Jahre, als der Audi Quattro den internationalen Rallye-Sport auf den Kopf stellte. Weltweite Erfolge kamen zwar auch nicht sofort über Nacht, doch schnell galt Audis neue Technik als das Maß aller Dinge. Nicht zuletzt weil unzählige Erfolge eingefahren wurden. Eine Epoche, die den Mythos des damals revolutionären Antriebskonzepts von Audi begründete und die Audi-DNA „Vorsprung durch Technik“ bis heute prägt.
Mit der Entwicklung des RS Q E-Tron und dessen Teilnahme an der Rallye Dakar kehrte Audi nach vielen internationalen Motorsporterfolgen in den Rallye-Sport zurück. „Ein vielfältiges Engagement im Motorsport fester Bestandteil der Audi-Strategie“, so Audi-CEO Markus Duesmann. Audi bekennt sich als erster Automobilhersteller zur Entwicklung eines siegfähigen Prototyps mit alternativem Antriebskonzept bei der Rallye Dakar und ist damit im Motorsport einmal mehr Pionier.
Weil es in der Wüste keine Ladesäulen gibt, hat Audi folgendes Ladekonzept gewählt: An Bord des Audi RS Q E-Tron befindet sich der TFSI-Motor aus der DTM. Er ist Teil eines Energiewandlers, der die Hochvoltbatterie während der Fahrt auflädt. Da der Verbrennungsmotor im besonders effizienten Drehzahlbereich zwischen 4.500 und 6.000 Umdrehungen pro Minute betrieben wird, liegt der spezifische Verbrauch deutlich unter 200 Gramm pro kWh. Der Antriebsstrang des Audi RS Q E-Tron ist hingegen rein elektrisch. An der Vorderachse und der Hinterachse sitzt jeweils eine Motor-Generator-Einheit (MGU) aus dem aktuellen Audi-Formel-E-Boliden E-Tron FE07, die von Audi Sport für die Saison 2021 entwickelt wurde. Für den Einsatz bei der Rallye Dakar mussten nur kleinere Modifikationen vorgenommen werden. Eine baugleiche dritte MGU ist Teil des Energiewandlers und dient dazu, die Hochvoltbatterie während der Fahrt wieder aufzuladen. Zusätzlich wird Energie beim Bremsen rekuperiert. Die Batterie wiegt etwa 370 Kilogramm und hat eine Kapazität von 52 kWh. Insgesamt könnte der Bolide 680 PS leisten, das Reglement erlaubt aber nur knapp 400 PS.
„Erwartungen übertroffen“
Das Team Audi Sport hat die Vorbereitung und den erfolgreichen Einsatz in Zusammenarbeit mit Q-Motor- sport verwirklicht. Die Mannschaft von Sven Quandt bringt mehrere Jahrzehnte Dakar-Erfahrung mit. „Ich bin Audi dankbar dafür, dass wir dieses ehrgeizige Projekt verwirklichen können und auf Anhieb gemeinsam diese Ergebnisse erzielt haben“, so Quandt, Geschäftsführer und Teamchef Q-Motorsport.
Neues Wissen für neue E-Autos
Auch Julius Seebach, Geschäftsführer der Audi Sport GmbH und verantwortlich für den Motorsport bei Audi, zeigt sich begeistert: „Das Ergebnis bei der ersten Dakar-Teilnahme übertrifft unsere Erwartungen deutlich.“ Der historische Sieg von Carlos Sainz mit dem Audi RS Q E-Tron bereits am dritten Wertungstag sei der Lohn dieser harten Arbeit und unterstreiche die Siegfähigkeit des Konzepts. Zurück in Deutschland werde der Audi RS Q E-Tron weiter optimiert und in mehreren Rennen eingesetzt.
Ziel sei es, die Leistungsfähigkeit des Elektroantriebs und der Batterie in den kommenden Jahren permanent zu verbessern. Das bei der Dakar gesammelte Wissen wird in die Weiterentwicklung zukünftiger Elektro-Serienmodelle einfließen. Schon alleine deshalb hat Audi gewonnen. Außerdem: Nach der Dakar ist bekanntlich vor der Dakar …