Arne Olerth
· 09.10.2023
Alles richtig gemacht! Unkten die Ewignörgler bei Vorstellung des ersten Tiguan 2007 noch, Volkswagen hätte durch den späten Aufschlag im boomenden Segment der Kompakt-SUV den Zug bereist verpasst, so sorgte die ausgereifte, pfiffige Konzeption von Anfang an für eine überragende Kunden-Resonanz. Bis heute wurden mehr als 7,5 Millionen Einheiten gebaut. Der Tiguan hält damit zusammen mit seinen Derivaten für den internationalen Markt den Titel des meistverkauften Volkswagen weltweit. Wohlgemerkt: Nicht etwa der Marke, sondern des gesamten Konzerns. Und das seit 2018 schon. Der Wechsel auf die zweite Generation drei Jahre zuvor hatte maßgeblichen Anteil am Erreichen des Ausnahme-Titels. Jetzt ist es wieder so weit: Volkswagen präsentiert stolz Generation drei des Weltbestsellers. Und der hat ganz klar das Zeug, den Titelanspruch auch in der Zukunft zu behaupten.
Das beginnt bereits beim wertigen Design des SUV-Youngsters: Präsent, ausgewogen und charakterstark – der neue Tiguan beweist einen starken Auftritt, ganz ohne kurzlebige Effekthascherei. Trotz des Neubeginns mit einem weißen Blatt Papier hielten die kreativen Köpfe in Wolfsburg zudem an Attributen fest, für die seine Fans den Tiguan lieben. Etwa die perfekte Größe: Schmeichelte die letzte Generation innen auf der Langstrecke mit komfortablem Platz für die ganze Familie nebst Gepäck, so eckte sie doch in der City niemals an. Wohlweislich hat Volkswagen die Abmessungen beim Nachfolger kaum verändert. In der Länge legt Generation drei nur um drei Zentimeter auf 4,54 Meter zu, liegt in Sachen Radstand (2,68 Meter) und Breite (1,84) mit dem Vorgänger aber gleichauf. Um zarte vier Millimeter überragt er diesen (1,64 Meter, ohne Dachreling). Dennoch kann der neue Tiguan seinen Vorgänger in Sachen Stauraum deutlich übertreffen, fällt sein Gepäckabteil mit 652 Liter doch 37 Liter größer aus als bisher. Auch die bisher schon großzügig realisierte Kopffreiheit konnte weiter ausgebaut werden: vorne um neun und im Fond um zehn Millimeter.
Auf diesen Eckdaten formten die Designer ein schmuckes SUV, das gerade an der Front mit spürbar mehr Selbstbewusstsein auftritt. Die Motorhaube zeigt mehr Höhe, fällt weniger stark nach vorne hin ab als bisher. Auch die seitlichen Einzüge sind fast verschwunden, das Bauteil geht jetzt weich in die Kotflügel über. Neu gestaltet wurden auch die Scheinwerfer, die wesentlich flacher bauen. Sie sind leicht nach innen gepfeilt und laufen seitlich weit in die Kotflügel hinein, verzichten aber auf den schmalen äußeren Lidstrich des Vorgängers. LED-Technik ist Serienstandard, HD-Matrixscheinwerfer (IQ. Light) sind optional verfügbar. 19.200 einzeln ansteuerbare Multipixel-LED je Scheinwerfer machen zahlreiche neue Lichtfunktionen möglich, generieren ein Lichterlebnis der besonderen Art. Volkswagen hat das interaktive Lichtsystem parallel auch für den Luxus-Bruder Touareg entwickelt. Logisch, dass je nach installiertem Scheinwerfer auch der Tiguan in den Genuss der kultigen Lichtleiste an der Front kommt.
Sie wurde in eine glasüberbaute Querspange integriert, die den Kühlergrill nach unten verbannt. Links und rechts des zentralen Lufteinlasses sorgen Air Curtains für eine optimale Führung der Luft um die Vorderräder herum. Der enorme Aufwand, der in Sachen Aerodynamik getrieben wurde, hat sich gelohnt: Mit einem klasse cW-Wert von 0,28 deklassiert der neue Tiguan seinen Vorgänger (cW: 0,33) eindrucksvoll.
Deutlich athletischer präsentiert sich der Tiguan in der Seitenansicht. Die A-Säule steht steiler, betont damit die Länge der Motorhaube. Hinten wurde dafür die C-Säule stärker geneigt, was mit der aufsteigenden Fensterlinie für ein Plus an Dynamik sorgt. Die Dachlinie fällt darüber coupéartig ab, läuft weit in einem großen Dachkantenspoiler aus. Große Radhäuser sorgen für einen standesgemäßen Auftritt, nehmen neu gestaltete Räder in den Felgenformaten 17 bis 20 Zoll auf. Darüber wölben sich athletisch modellierte Schultern. Die bisherige, über die komplette Flanke laufende Charakterlinie ist verschwunden, bogenförmig geschwungene Undercuts, die sich von den Leuchteinheiten zur Mitte hin spannen, ersetzen sie. In diesem Zuge wurden auch die Türgriffe nach unten versetzt, der Tiguan zeigt sich sportlich tailliert. Achtern betont eine horizontale Linienführung die optische Breite. Zentrales Element bildet dabei die durchgängige Querspange der LED-Rückleuchten, die je nach Ausstattungslinie mit einer Lichtleiste glänzen kann. Darüber prägt ein großer Spoiler mit seitlichen Luftleitelementen die Optik, unten rundet eine markante Chromleiste den gelungenen Auftritt ab.
Bei der Interieurgestaltung entfaltet der Tiguan die Ganze Wucht seiner jugendlichen Frische, gerade in der ersten Reihe: Das Cockpit wurde völlig neu gestaltet, wirkt ausgesprochen clean und hochwertig. Ein digitales Cockpit ist Serienstandard, wurde optisch scheinbar nahtlos in eine edle Klavierlackblende integriert, die sich über die gesamte Breite und bis weit in die Türverkleidungen spannt. Auch die seitlichen Lüftungsdüsen sind darin integriert. Zentrales Element ist ein bis zu 15 Zoll messender Touchscreen, der sich auf gleicher Sichtachse wie das Cockpit platziert und leicht zum Fahrer geneigt wurde – ergonomisch perfekt. Die MIB4-Unit mit Sprachbedienung (S. 32) feierte im ID.7 ihren Ersteinsatz, wird jetzt sukzessive auf weitere Modelle ausgerollt. Bedienqualität wird hier großgeschrieben, weshalb etwa die integrierte Steuerung der Climatronic stets auf der untersten Leiste im Zugriff ist.
Aus demselben Grund wurde auch das Touchlenkrad aussortiert: Der neue Tiguan kommt mit einem Multifunktionslenkrad mit haptischen Tasten, die intuitiver bedienbar sind. Auch das flimmsige Head-up-Display mit ausfahrender kleiner Scheibe ist Geschichte: Ab sofort projiziert der Tiguan auf Wunsch direkt in die Windschutzscheibe – größer, brillanter und besser im Blickfeld des Fahrers gelegen. Ungemein aufgeräumt präsentiert sich die Mittelkonsole, da die DSG-Bedienung auf den rechten Lenkstockhebel verlegt wurde. Zentrales Element ist der Fahrerlebnisschalter, auf dessen Bedienung im Alltag wir uns heute schon freuen. Drehen, Drücken und Wischen – hier darf sich der Nutzer austoben. Lautstärke, Fahrmodus und Ambientebeleuchtung können damit blitzschnell verändert werden. Ein tolles Gimmick ist das integrierte Farbdisplay – kurz: Der Schalter sorgt für ein ganz neues Bedienerlebnis. Daneben gibt es die Knöpfe für Start/Stopp und die Handbremse, das war´s in Sachen Bedienelemente. Neben praktischen Ablagen kann man auf der Mittelkonsole gleich zwei Smartphones induktiv laden – ein prima Feature, gerade im Familienbetrieb.
Die Sitzposition ist SUV-typisch erhaben, gewährt einen guten Überblick über das Geschehen. Kopf-, Seiten und Beinfreiheit sind tadellos – nichts zwackt oder engt ein. Langstreckenpiloten seien die neuen ergo-Active-Plus-Sitze ans Herz gelegt, die nicht nur 14-fach elektrisch verstellt werden können, sondern auch eine kompetente Massagefunktion bieten. Dazu sind nicht weniger als 10 pneumatische Kammern integriert, Heizung und Lüftung erhöhen das Wohlbefinden zusätzlich. Die Fauteuils bringen Oberklasse-Komfort an Bord, der mit einem zusätzlichen Dämmpaket mit etwa einer aufwendigen Akustikverglasung weiter ausgebaut werden kann.
Nicht gerüttelt wurde an der genialen Sitzbank im Fond. Sie kann nach wie vor zweigeteilt längs verschoben werden, um etwa blitzschnell den Transport von zusätzlichem Gepäck möglich zu machen. Zudem können beide Lehnenteile in ihrer Neigung verstellt werden, um den Reisenden den bestmöglichen Komfort zu bieten. Das üppige Raumangebot unterstreicht die Reisekompetenz des Tiguan auf der Langstrecke. In Sachen Antrieb ist der Tiguan ausgesprochen breit aufgestellt, hier findet jeder den passenden Motor. Die Leistungen reichen von vernünftigen 130 bis zu sehr souveränen 272 PS, die via Front- oder 4-Motion-Allradantrieb auf die Straße gebracht werden. Portioniert werden sie stets von einem DSG, das Handschaltgetriebe wurde gestrichen. Vier Motor-Konzepte in jeweils zwei Leistungsstufen sind wählbar (S. 28): Diesel (TDI), Benzin-Motor (TSI), Mild-Hybrid (eTSI) und Plug-in-Hybrid (eHybrid). Gerade letztere bieten deutlich mehr als bisher: etwa E-Reichweiten von 100 Kilometern und eine DC-Schnellladefähigkeit.
Noch Fragen? Antworten gibt es etwa zum Basispreis, der bei 36.600 Euro fixiert wurde. Und: Die Markteinführung erfolgt im Frühjahr 2024.