Joshua Hildebrand
· 30.03.2023
Die zweite Generation des VW ID.3 erhält eine geschärfte Optik, neue Software, mehr Serienausstattung sowie wertigere Innenraum-Materialien. Ende 2023 kommt sie auf den Markt – wir haben für Sie schon einmal Probe gesessen
Es kommt uns vor, als wäre es erst gestern gewesen: Seit der VW ID.3 Weltpremiere feierte, sind schon wieder dreieinhalb Jahre ins Land gegangen. Damals, im Jahr 2019, war er das erste Elektrofahrzeug auf Basis des Modularen Elektrobaukastens von Volkswagen, kurz MEB. Heute bekommt die erste Generation des elektrischen Bestsellers ein umfangreiches Upgrade verpasst und in die Generation zwei überführt. Neben der neuesten Software mit allen Komfort- und Assistenzsystemen soll vor allem das neue geschärfte Exterieur- und das verfeinerte Interieur-Design überzeugen.
Volkswagen habe nach eigenen Angaben auf die Kritik von Kunden und Fans reagiert und an entsprechenden Stellen nachgebessert: „Wir haben die Vorschläge von Kundinnen und Kunden aufgenommen und umgesetzt“, erklärt man uns bei der Vorstellung. Ob’s stimmt – und ob wirklich alles verbessert wurde – das schauen wir uns jetzt an!
Nein, nicht in Wolfsburg, obwohl der ID.3 ab sofort auch hier gefertigt wird – nach Zwickau, Dresden und dem südchinesischen Anting. Wir befinden uns in Hannover. Als sich die Pforten der Eventhalle öffnen, stellt sich der „Aha“-Effekt ein. Da steht er nun, der neue alte Stromer. Auf den ersten Blick dürften Laien wohl kaum einen Unterschied feststellen. Doch auf den zweiten Blick werden einige Details sichtbar, die den ID.3 maskuliner wirken lassen. Am auffälligsten ist wohl das neue Frontschürzendesign mit seitlichen Air Curtains, die für einen sportlicheren Look sorgen und auch der Aerodynamik (cW: 0,263) zugutekommen sollen. Bei der Gestaltung der neuen
Fronthaube wurde mehr Wagenfarbe eingesetzt, Vertiefungen an den Seiten erzeugen zusätzlich eine optische Streckung. Die schwarze Designhaube des aktuellen Modells ist passé. Ansonsten bleibt es beim eigenständigen Look mit stark geneigten A-Säulen, der fließenden Dachlinie und den eingezogenen C-Säulen. Neben dem neuen Farbton „Dark Olivine Green“ gibt es künftig auch ein neues Blau (siehe oben) sowie einen Schwarz-Ton. Für den Kontrast sorgt das immer schwarzglänzende Dach, dafür ist nun die Seitenleiste serienmäßig in Silber-Matt ausgeführt. Die bisherige schwarze Leiste soll es beim normalen Modell auch nicht mehr optional geben. „Jene könnte künftig einem ID.3-Sportmodell vorbehalten sein“, erklärt man uns auf Nachfrage. Neben neuen Farben gibt es auch ein frisches Felgendesign in 19 Zoll. Auch am Heck bleibt das Meiste wie gewohnt. Allerdings strahlt nun auch jener Teil der Rückleuchten, der in der Heckklappe liegt. Dazu gibt es bei Wahl des optionalen Matrix- LED-Lichts eine neue Animation beim Öffnen und Schließen des Fahrzeugs. In jeder Einheit der 3D-LED-Rückleuchten stehen neun Flächenlichtleiter frei im Raum, die aus mehreren dünnen Schichten aufgebaut sind. Sie erzeugen ein bogenförmiges Schlusslicht. Das Bremslicht leuchtet weiterhin in Form eines „X“, dazu gibt es weiterhin dynamische Blinker. Fahrrad-Fans dürfen sich im Übrigen wie gehabt an der in der Heckschürze untergebrachten Fahrradträger-Kupplung (optional) erfreuen. Sie ist hinter dem Kennzeichen-Halter versteckt und bietet eine Stützlast von bis zu 75 Kilogramm.
Ab in den durchgängig tierfreien Innenraum: Eines vorweg: die knopflose Bedienung bleibt, geht aber nun flüssiger von der Hand. Weiterhin haben Kunden je nach Ausstattungsvariante die Wahl zwischen den Komfort- und Integralsitzen, letztere werden im VW-Speech auch „Top-Sportsitz“ genannt.
Beim Griff ans Lenkrad spüren wir eine deutliche Veränderung. Auch hier wird fortan auf tierische Materialen verzichtet, so dass ein Lederimitat zum Einsatz kommt. Es fühlt sich etwas rauer an als die Glattleder-Variante von Generation eins. Weicher hingegen fassen sich die neu modellierten Türverkleidungen und der Armaturenträger an – hier wurden die Oberflächen weich unterschäumt, was sich merklich positiv auf Optik, Haptik und auch Akustik des ID.3-Interieurs auswirkt. Zudem bedeckt eine weiche Oberfläche den unteren Bereich der Instrumententafel. Und weil nun mehr Wert auf Details gelegt wurde, finden sich im Innenraum einige farblich abgesetzte CNC-Nähte an der Türverkleidung, dem Armaturenträger und den Sitzen. Eine Plakette unterhalb des Infotainments trägt dazu den Modellnamen „ID.3“ offen zur Schau – das kennt man in ähnlicher Form etwa vom Passat.
Die Handablagen in den Türen wurden großzügiger und klarer gestaltet. Leider aber hält VW weiterhin an der umständlich Touch-Bedienung für die hinteren Seitenscheiben fest. Bei Dunkelheit sorgt nach wie vor die zehn- (Serie) bis 30-farbige Ambiente-Beleuchtung für Stimmung. In Sachen Abmessungen und Kofferraumvolumen bleibt der ID.3 auch in Generation zwei unverändert: Mit 385 bis 1.267 Litern bietet er jedenfalls genug für die meisten alltäglichen Erledigungen. Größer wird das Infotainment, das ab sofort in Serie 12 Zoll groß ist. Die kleinere 10-Zoll-Variante fällt somit aus dem Programm. Aber nicht nur die Hardware wurde verbessert, sondern auch die Software. Ein Blick in die Systeminformationen zeigt den Softwarestand „3.5“. Jedenfalls äußert sich dieses Update in einer deutlich flotteren Bedienung und schnelleren Reaktionszeiten des HMI (Human Machine Interface). Ist der Touch-Bedienslider des Infotainmentsystems jetzt auch beleuchtet? Leider nein, noch nicht. Dieser besonders bemängelte Punkt soll aber zeitnah aus der Welt geschafft werden, wie man uns verspricht: Eine Beleuchtung des Sliders sei bereits in Arbeit und werde kommendes Jahr nachgereicht – mit weiteren Features. Wir sind gespannt.
Die gesteigerte Wertigkeit des Innenraums merkt man sofort und ist nun noch mehr VW-like. Das Lenkrad ist fortan mit Lederimitat bezogen und fühlt sich deshalb etwas rauer an
Dafür wurden bei der Menüstruktur bereits diverse Kundenwünsche umgesetzt. Tatsächlich befindet sich unter anderem das Lademenü nun auf der ersten Ebene des großen Touchdisplays, welches informativer und aufgeräumter strukturiert ist.
Natürlich hat auch der Newcomer wieder das sogenannte ID. Light an Bord, welches Bestandteil des Assistenzpakets Plus ist: Das Lichtband unterhalb der Windschutzscheibe unterstützt den Fahrer oder die Fahrerin in vielen Situationen mit leicht verständlichen Lichteffekten. Auch darf weiterhin das Augmented- Reality-Head-up-Display nicht fehlen, das zusätzlich zu den Informationen über Geschwindigkeit und diverse Fahrzeugfunktionen auch aktive und dynamische Navigationsanweisungen anzeigt. Sie erscheinen visuell in scheinbar zehn Metern Entfernung vor dem Fahrzeug – eine echte Entlastung.
Ein großer Pluspunkt des ID.3 war schon immer seine gute Ausstattung und insbesondere die serienmäßige Konnektivität. Nun aber haben die Wolfs-burger noch einen draufgepackt: Mit der neuen Generation des ID.3 bietet Volkswagen nicht nur neue Optionen an, sondern verbessert auch die Serienausstattung. So kommen nun Goodies wie elektrisch anklappbare und beheizbare Spiegel aufpreisfrei ins Auto. Als künftige Serienausstattung sei auch die bessere Mittelkonsole mit Rollo, induktiver Ladestation (Telefonschnittstelle Comfort) und USB-C- Power-Delivery-Anschlüssen erwähnt.
Sowieso bietet die serienmäßige Funktion „App Connect“ das Medienstreaming über das Smartphone, das sich via Android Auto, Apple CarPlay und MirrorLink in seine native Umgebung einbetten lässt. Zum Infotainment-Paket gehören auch die Navigationsfunktion und die Services von We Connect Plus. Sie vernetzen den ID.3 mit dem Smartphone und der Verkehrsinfrastruktur. Die wichtigsten von ihnen sind die Navigationsdienste, unter anderem Online-Verkehrsinformationen, Online-Kartenupdates und der Service Ladestationen, der über Ladesäulen in der Umgebung informiert. Der E-Routenplaner präsentiert sich im ID.3 auf einem neuen, weiter verbesserten Stand. Auf einer längeren Strecke plant er die Ladestopps so, dass das Ziel möglichst schnell erreicht wird – dabei bezieht das System neben dem Ladezustand der Batterie auch die aktuelle Verkehrslage und die Prognosen ein. Die Bewertung der Ladestopps erfolgt dynamisch und richtet sich nach der Leistung oder Auslastung der Säulen. Im Ergebnis kann die Routenplanung zwei kurze Ladevorgänge mit hoher Leistung statt eines einzigen langen mit niedriger Leistung vorschlagen. Sonderziele lassen sich über die kostenlose „We Connect ID.“-App ins Auto übertragen. Außerdem ermöglicht das Webradio den Zugriff auf viele Sender und Podcasts.
Den zweiten Bereich von We Connect Plus bilden die fahrzeugbezogenen Dienste, die über die erwähnte App laufen. Mit ihnen können ID.3-Kunden das Laden und die elektrische Standklimatisierung aus der Ferne steuern und den Ladezustand der Batterie oder die Reichweite des Fahrzeugs abfragen. Auch ist der ID.3 over-the-air updatefähig, was bedeutet, dass der Kunde die Software von überall aktualisieren kann, ohne dabei zum Händler fahren zu müssen.
Nach dem Produkt-Update zieht der Kompakt-Stromer auch bei den Assistenten mit neueren ID.-Modellen gleich – dies liegt vor allem am neuen Softwarestand. So kann das Fahrerassistenzsystem „Travel Assist“ nun auch im ID.3 auf Schwarmdaten zurückgreifen. So ist das teilautonome System in der Lage, auch auf Straßen mit nur einer erkannten Fahrbahnbegrenzung die Spur zu halten. Mit der Einbindung von Navigationsdaten und Verkehrszeichenerkennung erfolgt beim neuen ID.3 zusätzlich eine dynamische Anpassung an die Umgebung des Fahrzeugs. Zudem unterstützt der Travel Assist auf der Autobahn auf Wunsch auch aktiv beim Spurwechsel. Das Assistenzsystem bietet dabei der Fahrerin oder dem Fahrer im digitalen Cockpit ab Geschwindigkeiten von 90 km/h einen automatisierten Spurwechsel an, sofern das relevante Umfeld des Fahrzeugs frei ist. Tippt der Fahrer dann den Blinker, kann der neue ID.3 eigenständig den Spurwechsel durchführen. An der Car2X-Kommunikation hält Volkswagen weiterhin fest.
Kleines, aber feines Detail: Dass nun auch der zweite Teil des Rücklichts leuchten darf, tut dem ID.3-Heck sichtlich gut
Bedeutet: Daten von kompatiblen Fahrzeugen der Volkswagen-Flotte und Signale der Infrastruktur im Umkreis von bis zu 800 Metern können lokal in Sekundenbruchteilen umgesetzt werden und warnen vor Gefahrenstellen, Unfallsituationen und stehendem Verkehr. Das ID. Light im Cockpit unterstützt die Warnungen dabei visuell.
Auch das Parken kann dank Park Assist Plus mit Memory-Funktion zukünftig automatisch geschehen: Zusätzlich zur Unterstützung bei der Parkplatzsuche und der Lenkunterstützung beim Ein- und Ausparken kann der intelligente Parkassistent individuelle, einmal gelernte Manöver reproduzieren. Der Assistent parkt den ID.3 mithilfe der Umfeldsensoren ein – er lenkt, beschleunigt, bremst und schaltet selbstständig. Den ID.3 wird es (wieder) als „Pro“ und „Pro S“ geben. Unterschied beider Versionen wird die Batterie sein, die entweder über 58-kWh- (Pro) oder 77-kWh-Nettokapazität (Pro S) verfügt. Beiden gemein ist die permanent erregte Synchronmaschine im Heck des Kompakten, die 204 PS leistet und 310 Newtonmeter Drehmoment an die Hinterräder überträgt. Eine kleinere Batterie soll später folgen.
Die Beschleunigung auf Tempo 100 sowie die Höchstgeschwindigkeit bleibt bei beiden Ausführungen wie gehabt: 7,3 (Pro, 58 kWh) und 7,9 Sekunden (Pro S, 77 kWh), 160 km/h Spitze.
Alle leichten und viele mittlere Verzögerungen werden mittels Rekuperation über die E-Maschine vollzogen. Die ID.3-Modelle können bis etwa 0,3 g Verzögerung rein elektrisch bremsen. Das entspricht mehr als 100 kW Rekuperationsleistung. Erst darüber greifen die hydraulischen Radbremsen ein. Der Übergang verläuft nahezu unmerklich, die Rekuperation bleibt fast bis zum Stillstand aktiv. Die WLTP-Reichweite gibt Volkswagen mit bis zu 426 (Pro) respektive 546 Kilometern (Pro S) an. Zur Freude der Kunden steigern die Wolfsburger die Ladeleistung des Pro S auf maximal 170 kW Gleichstrom. Damit soll er in rund 30 Minuten von fünf auf 80 Prozent geladen werden können. Beim Pro-Modell mit 120 kW maximaler Ladeleistung dauert es mit 35 Minuten kaum länger. Der Vorteil der höheren Ladegeschwindigkeit des Pro-S-Modells mache sich laut Volkswagen jedoch vor allem für Kurzlader bemerkbar, da der Stromfluss zugunsten der Batterie-Haltbarkeit nach einigen Minuten herunter geregelt wird. Im Übrigen ist der ID.3 nun „Plug & Charge“-tauglich. Der Volkswagen autorisiert sich selbst an einer passenden Ladesäule und schaltet sie frei – der Ladevorgang beginnt automatisch. Voraussetzung hierfür sei ein kompatibler Ladestromvertrag. Zukünftig soll auch bidirektionales Laden möglich sein: Im Zusammenspiel mit einem geeigneten Heimenergie-Managementsystem (HEMS) kann der ID.3 also bald auch Strom ins Hausnetz einspeisen. Generation zwei kommt im vierten Quartal 2023 auf den Markt, der Vorverkauf startet bereits Ende März. Jüngst haben die Niedersachsen auch den Basispreis für die Einstiegsvariante (58 kWh, 204 PS) bekanntgegeben: 39.995 Euro. Damit werde er tatsächlich günstiger angeboten als die aktuelle Version, die es zurzeit ab 43.990 Euro gibt – abzüglich der aktuellen E-Auto-Förderung von 7.180 Euro, bestehend aus Herstelleranteil (2.680 Euro) und Zuschuss vom Staat (4.500 Euro).