„Ein Golf muss allen gefallen“Im Interview mit dem Design-Chef Andreas Mindt von Volkswagen

Martin Wittler

 · 10.06.2024

„Ein Golf muss allen gefallen“: Im Interview mit dem Design-Chef Andreas Mindt von Volkswagen
Das Exterieur des Golf VII gestaltete er entscheidend mit, seit eineinhalb Jahren ist er Design-Chef von Volkswagen: Andreas Mindt sprach mit uns über das Lächeln von Autos, den kommenden E-Golf und was in seinem Geheimrezept steckt

ZUR PERSON

Andreas Mindt, 1969 in Bingen am Rhein geboren, stieg nach seinem Studium an der Fachhochschule für Gestaltung in Pforzheim 1996 bei Volkswagen ein. Sein erstes Projekt, das Concept Bentley Hunaudières, wurde 1999 auf dem Genfer Autosalon vorgestellt. Anschließend wirkte Mindt unter anderem beim Design der ersten Tiguan Generation und beim Exterieur-Design des Golf VII mit. Von 2014 bis 2021 kümmerte er sich um die Neuausrichtung des Exterieur-Designs von Audi. Danach zeichnete Mindt als Director of Bentley Design verantwortlich, bevor er im Februar 2023 zum Leiter Volkswagen Design ernannt wurde.

Herr Mindt, in einer Broschüre zum 50-jährigen Golf Jubiläum sagt Giorgio Giugiaro, der Erfinder des Golf Formats: „Den Golf I habe ich immer in Hellblau gesehen.“ Jetzt, 50 Jahre später, sind Sie für das Design des Autos verantwortlich. In welcher Farbe stellen Sie sich den Golf vor?

Auch in Hellblau. Die Farbe sieht brillant und optimistisch aus. Es sollte ein metallisches Hellblau sein. Das wirkt wertvoll, solide und stabil. Genau die Eigenschaften, die ein Golf verkörpern muss.

Sie haben ebenfalls Golf Design-Erfahrung, am Golf VII haben Sie mitgearbeitet. Damals versuchte man, dem Neuen von allen vorherigen Generationen etwas mitzugeben. Findet sich auch im aktuellen Golf VIII noch etwas aus den Anfangstagen wieder?

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Ja, die starke C-Säule zum Beispiel oder auch die ausgestellten Radläufe. Beides gehört zur Essenz des Golf.

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Kann 50 Jahre altes Design eigentlich zeitgemäß aussehen?

Absolut. Das Design folgt seit 50 Jahren den gleichen drei Werten: Stabilität, Sympathie und einer Art „Secret Sauce“. Der Golf I hat damals die C-Säule quasi erfunden. Sie wurde sehr stabil ausgelegt. Das haben wir beim Golf bis heute beibehalten. Stabilität ist etwas, wonach sich die Menschen sehnen. Ein Volumenauto wie der Golf muss vielen Leuten gefallen. Es darf nicht polarisieren, sondern muss sympathisch daherkommen.

Wie stellen Sie sicher, dass ein Auto dann nicht langweilig wird?

Eben mit der Secret Sauce. Die setzt sich aus drei Punkten zusammen. Nummer eins: Sinn für Humor. Der erste Golf GTI etwa hatte einen Golfball als Schaltknauf, heute haben die ID. Modelle eine Play-und Pausetaste als Pedale. Punkt zwei: die Werthaltigkeit. Wir müssen mehr Qualität liefern, als eigentlich erwartet wird. Und Punkt Nummer drei: die versteckte Sportlichkeit. Schauen Sie sich den ersten Golf GTI an. Mit dem schlanken Körper und der breiten Spur hatte man schon beim Anschauen Lust, mit ihm um die Kurven zu fahren.

Er zeichnet für ein Erfolgsmodell verantwortlich: Andreas MindtFoto: VolkswagenEr zeichnet für ein Erfolgsmodell verantwortlich: Andreas Mindt

Der aktuelle Golf VIII soll nun die letzte Verbrenner-Generation sein. Die nächste fährt dann vollelektrisch. Was bedeutet das fürs Design des künftigen Golf?

Das darf ich noch nicht verraten. Was ich aber versprechen kann: Unsere Grundwerte, also Stabilität, Sympathie und die Secret Sauce, bleiben auch dann erhalten.

„Ein Golf muss gefallen, darf aber nicht polarisieren.“ Der Satz von Ihnen klingt wie ein Naturgesetz. Bald stellt sich allerdings die Frage, ob bei einem elektrischen Golf nicht bereits der Antrieb polarisiert.

Da haben wir derzeit einen Fehler im System, ja. Der Elektroantrieb polarisiert die Gesellschaft. Unsere Aufgabe ist es, gerade beim Golf, wie gesagt, ein Auto zu bauen, das weder beim Design noch beim Antrieb polarisiert. Vielleicht können wir mit einem elektrischen Golf sogar dazu beitragen, die Gesellschaft zu einen – nicht zuletzt durch ein gelungenes Design.

Wie sieht das aus?

Indem wir den Wagen extrem sympathisch gestalten, dem Fahrzeug keine aggressiven Züge verpassen. Ein elektrischer Golf darf niemanden angreifen.

Der elektrische Antrieb verändert die Proportionen des Autos. E-Autos haben einen längeren Radstand, damit die Batterie zwischen den Rädern untergebracht werden kann. Das bedingt wiederum, dass die Überhänge deutlich kürzer werden. So lassen sich die Autos also durchaus kompakter gestalten.

„DER GOLF IST NICHT FÜR MICH – SONDERN FÜR MILLIONEN MENSCHEN“

Ist es möglich, bei einem Klassiker wie dem Golf als Designer eine eigene Note, eine stilistische Handschrift unterzubringen?

Da muss man in der Tat vorsichtig sein. Der Golf ist ja nicht das Auto für mich selbst, sondern für Millionen Menschen. Bei Nischenprodukten ist es deutlich einfacher, die eigene Stilistik unterzubringen.

Sie haben mal gesagt, der Golf müsse immer lächeln. Wie aber lächelt ein Golf ohne Kühlergrill, den man ja bei einem Elektroauto nicht mehr braucht?

Ein Kühlergrill ist nicht nötig, damit ein Auto sympathisch ausschaut. Das haben wir schon mit dem Konzeptauto VW ID. 2all gezeigt. Die Lichtsignatur etwa hat aufsteigende Linien. Das erzeugt einen glücklichen, zufriedenen Eindruck.

Der VW ID. 2all, eines Ihrer ersten Projekte als VW Chefdesigner, hat die Außenmaße des VW Polo, bietet innen aber so viel Platz wie ein Golf. Könnte ein neuer E-Golf unter Ihrer Regie also wieder auf die Maße des Urmodells von Giugiaro zurückschrumpfen?

Wie blicken Sie denn als vormaliger Chefdesigner der Luxusmarke Bentley auf Massenmarkt-Modelle wie den Golf?

Ich suche nach Gemeinsamkeiten. Die positiven Eigenschaften von einem Bentley tun zum Beispiel auch dem Golf gut.

Und welche sind das?

Etwa die lange Haube, so zu sehen beim ID.2. Obwohl das ein E-Auto ist, hat das Modell eine richtig schön überspannte und lang gezogene Haube erhalten. Auch beim Interieur profitiert der ID.2 vom Know-how bei Bentley. Das von dort bekannte Wohlfühl-Ambiente wollen wir in den Innenraum des ID.2 integrieren, zum Beispiel durch hochwertige Materialien.

Ist es einfacher oder schwerer, einen Golf zu gestalten als etwa die Bentley-Ikone Continental?

Das ist etwas fundamental anderes. Und ich sage Ihnen auch, warum: Bei Bentley muss der Invest sehr gering sein, die Einzelteilkosten dürfen aber sehr hoch ausfallen. Beim Golf ist es genau umgekehrt. Ein Beispiel: Für Bentley haben wir mal einen goldenen Drehschalter entwickelt. Der kam letztlich aus dem 3-D-Drucker, aber wir haben ihn sehr erfolgreich für 18.000 Euro Aufpreis verkauft. Bei Volkswagen natürlich undenkbar.

Spitzenklasse vor Bergspitzen: Mindt und ein Golf GTIFoto: VolkswagenSpitzenklasse vor Bergspitzen: Mindt und ein Golf GTI

Eines Ihrer ersten Projekte, an dem Sie als Designer mitgewirkt haben, war 1999 das spektakuläre Concept-Car Bentley Hunaudières: ein Sportcoupé mit W-16-Ottomotor, 630 PS und 320 km/h Spitzengeschwindigkeit. Es macht wahrscheinlich richtig Laune, so ein Ding zu gestalten, oder?

Das ist natürlich fantastisch, ja. Den Wagen zu designen, hat sich angefühlt wie Elfmeterschießen ohne Torwart. Und das Ding war auch ein echter Volltreffer, wie ich finde.

Nun also 50 Jahre Golf. Denken Sie, der Golf wird auch in 50 Jahren zum 100. Geburtstag noch gebaut?

Auf jeden Fall. Und er wird auch dann noch auf denselben drei Grundwerten beruhen: Stabilität, Sympathie und Secret Sauce.