Gute Fahrt
· 23.09.2025
Im Volkswagen-Konzern zeichnet sich ein bemerkenswerter Konflikt über die zukünftige Antriebsstrategie ab. Die Debatte um das für 2035 geplante Verbrenner-Aus in der Europäischen Union wird nun auch innerhalb des größten europäischen Automobilherstellers kontrovers geführt. Besonders bemerkenswert: Die beiden Hauptprotagonisten sind keine Geringeren als VW-Konzernchef Oliver Blume und Audi-Chef Gernot Döllner – zwei Führungskräfte, die eigentlich an einem Strang ziehen sollten.
Während Blume öffentlich mehr Flexibilität beim Verbrenner-Ausstieg fordert und damit die bisherige klare Elektro-Fokussierung des Konzerns in Frage stellt, positioniert sich Döllner genau entgegengesetzt. Der Audi-Chef hält ein Aufweichen der bestehenden EU-Regelung für kontraproduktiv. Diese unterschiedlichen Haltungen sind bemerkenswert, da der Volkswagen-Konzern in den vergangenen Jahren unter der Führung von Herbert Diess eine der ambitioniertesten Elektrostrategien der Branche verfolgt hatte.
Die Meinungsverschiedenheit zwischen den beiden Topmanagern spiegelt die Zerrissenheit wider, die derzeit die gesamte Automobilindustrie prägt. Auf der einen Seite stehen massive Investitionen in die Elektromobilität, auf der anderen Seite eine in Teilen Europas und besonders in Deutschland stockende Nachfrage nach E-Fahrzeugen. Diese Gemengelage stellt die Hersteller vor schwierige strategische Entscheidungen, die nun offenbar auch innerhalb des VW-Konzerns zu unterschiedlichen Einschätzungen führen.
Die Position von VW-Chef Oliver Blume erscheint auf den ersten Blick überraschend, führt er doch parallel als Vorstandsvorsitzender die Geschicke von Porsche – einer Marke, die bereits sehr erfolgreich mit dem Taycan ein rein elektrisches Modell etabliert hat. Dennoch plädiert Blume nun für einen technologieoffeneren Ansatz und mehr Flexibilität beim Verbrenner-Aus. Diese Haltung könnte mit den aktuellen Herausforderungen zusammenhängen, vor denen die Kernmarke Volkswagen steht, die unter Absatzproblemen und Kostendruck leidet.
Audi-Chef Gernot Döllner vertritt hingegen eine klare Pro-Elektro-Position. Für ihn scheint ein Aufweichen der bestehenden EU-Regelung kontraproduktiv. Diese Haltung passt zur Strategie der Ingolstädter Premiummarke, die bereits angekündigt hat, ab 2026 nur noch neue Modelle mit Elektroantrieb auf den Markt zu bringen. Ein Zurückrudern würde hier nicht nur Verwirrung stiften, sondern auch die bereits getätigten Milliarden-Investitionen in Frage stellen.
Die unterschiedlichen Positionen der beiden Konzernführer könnten auch mit den verschiedenen Zielgruppen ihrer Marken zusammenhängen. Während Audi als Premiumhersteller auf eine tendenziell technologieaffinere und kaufkräftigere Kundschaft setzt, muss die Kernmarke Volkswagen auch preissensiblere Käuferschichten bedienen, für die der Umstieg auf Elektromobilität eine größere finanzielle Hürde darstellt. Dennoch ist es ungewöhnlich, dass solch fundamentale strategische Differenzen so offen zutage treten.
In dieser Debatte meldet sich auch der renommierte Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer zu Wort, der in der Branche als "Autopapst" bekannt ist. Seine Einschätzung zur Diskussion um das Verbrenner-Aus dürfte für viele Beobachter von besonderem Interesse sein, da er als unabhängiger Experte gilt und die Entwicklungen der Automobilindustrie seit Jahrzehnten analysiert.
Dudenhöffer hat in der Vergangenheit wiederholt die Bedeutung eines klaren Kurses in Richtung Elektromobilität betont und vor einem "Schlingerkurs" der deutschen Automobilindustrie gewarnt. Die aktuelle Debatte innerhalb des VW-Konzerns könnte genau das widerspiegeln, was der Experte kritisiert: eine mangelnde Konsequenz bei der Transformation hin zur Elektromobilität. Für Dudenhöffer ist klar, dass die Zukunft elektrisch sein wird – unabhängig davon, ob einzelne Hersteller oder Politiker versuchen, den Wandel zu verlangsamen.
Die unterschiedlichen Positionen innerhalb des VW-Konzerns verdeutlichen die Herausforderungen, vor denen die gesamte Branche steht. Einerseits erfordern die Klimaziele und regulatorischen Vorgaben einen konsequenten Umstieg auf emissionsfreie Antriebe, andererseits bestehen Unsicherheiten bezüglich der Kundenakzeptanz und der Infrastrukturentwicklung. In dieser Situation müssen die Automobilhersteller milliardenschwere Entscheidungen treffen, deren Erfolg oder Misserfolg sich erst in Jahren zeigen wird.
Für den VW-Konzern kommt erschwerend hinzu, dass er mit seinen zahlreichen Marken unterschiedliche Kundensegmente bedienen muss und gleichzeitig eine einheitliche Strategie verfolgen sollte. Der nun öffentlich gewordene Dissens zwischen Blume und Döllner könnte ein Indiz dafür sein, dass diese Balance zunehmend schwieriger zu halten ist.