Reportage VW ID. Buzz ADDer Robo-Bulli kommt

Arne Olerth

 · 01.07.2021

VW ID. Buzz AD
Foto: VW / Aigo ID

Bereits 2025 will die VW-Tochter MOIA in Hamburg autonom fahrende E-Taxis auf Basis des ID. Buzz bereit stellen. Erste Testfahrten sollen noch diesen Sommer in München starten

Volkswagen meint es ernst – nicht nur mit der Elektromobilität, sondern auch mit dem automatisierten Fahren. Der Serien- einsatz von Level 4 soll bereits 2025 erfolgen. Das ist in etwa nur noch so lange hin, wie der Amtsantritt von Donald Trump zurückliegt. Frappierend. Die Ehre des Ersteinsatzes wird der kommenden Stil-Ikone des Volkswagenkonzerns gebühren: dem ID. Buzz von Volkswagen Nutzfahrzeuge, dem elektrischen Bulli. Doch steht dabei zu Beginn weniger der private Nutzer im Fokus, vielmehr soll der vollautomatisierte ID. Buzz AD zuerst bei Volkswagens Ridepooling-Dienst MOIA in Hamburg eingesetzt werden.

Ridepooling? Der professionelle Fahrdienst, den die Kunden via App ordern, zählt zum ÖPNV. Ein Algorithmus bündelt die Ziele der Fahrgäste und plant die Fahrten so, dass Fahrgäste mit ähnlichem Weg gemeinsam fahren. MOIA startete 2019 in Hamburg, verfügt aktuell über eine Flotte von 500 elektrischen Shuttle-Fahrzeugen auf Crafter-Basis. Der Lohn der festangestellten Fahrer macht derzeit 60 Prozent der Gesamtkosten aus. Das könnte sich mit der Umstellung auf den autonomen ID. Buzz AD gleichwohl ändern.

Volkswagen ist dazu eine Beteiligung in Höhe von 2,6 Milliarden US-Dollar am Selbstfahr-Startup Argo AI eingegangen. Dessen Masterminds sind keine Unbekannte, stammen sie doch aus dem Umfeld der autonomen Fahrprogramme von Google und Uber. „Wir betrachten das Argo-Testprogramm als das größte für innerstädtisches Fahren, mit sechs Standorten allein in den USA“, berichtet Argo-CEO Bryan Salesky.

Das unentwegte Testen sichert Argo einen enormen Erfahrungs- und Datenschatz und bietet bestmögliche Sicherheit. Bewusst wurde das Training im schwierigsten Raum begonnen – der städtischen Metropole. Ein späteres Ausweiten auf weniger verdichtete Räume ist einfach möglich. Der in Miami gepflegte, aggres­sive Fahrstil wurde dabei genauso erfasst wie das Nichtbeachten roter Ampeln von Fußgängern anderenorts. „Jetzt freuen wir uns, auf Basis dieser Entwicklungsarbeit an unserem Standort München die Tests für den Einsatz im europäischen Verkehr durchzuführen.“

Sensor-Kluster mit Super-Lidar

Schon diesen Sommer soll es losgehen – mit einem modifizierten T6.1. Dieser wurde mit MEB-Komponenten auf E-Antrieb umgerüstet und mit Argos „Self-Driving-System“ ausstaffiert. Dieses verfügt über ein beeindruckendes Arsenal an Sensoren zur Orientierung im Raum – schließlich ist Sicherheit die oberste Maxime beim automatisierten Fahren. Neben Kamera-, Radar- und Ultraschallsensoren kommt auch Argos flammneuer Lidar-Scanner (Light dectection and ranging) zum Zuge, der bis zu 400 Meter Reichweite bietet. Er arbeitet mit Licht und kann selbst kleinste Partikel in der Größenordnung eines Photons erfassen. Dadurch stellen auch schwach reflektierende Oberflächen wie schwarze Lackierungen kein Problem dar, die Umgebung kann photorealistisch abgebildet werden. Durch den neuen Sensor ist Tempo 100 im autonomen Fahrbetrieb in greifbare Nähe gerückt. „Diese Technologie setzen wir auch bei den Fahrzeugen von Volkswagen Nutzfahrzeuge ein“, berichtet Salesky.

Die Serien-Fahrzeuge des Robo-Bulli werden anfangs exklusiv auf die Beförderung von Passagieren ausgelegt sein. Das ist einfacher als der später folgende Gütertransport, da die Fahrgäste selbständig ein- und aussteigen. Christian Senger, Bereichsleiter Autonomes Fahren bei VW Nutzfahrzeuge, erklärt: „Unser Ziel ist es, mit der autonomen Version des ID. Buzz ab 2025 kommerzielle Einsätze bei Fahr- und Zustelldiensten zu ermöglichen. Kunden können sich dann in ausgewählten Städten mit autonomen Fahrzeugen sicher zu ihrem Ziel bringen lassen, und auch Zusteller bei Paketdiensten werden durch das Autonome Fahren deutlich entlastet.“

Sicherheit ist oberste Maxime

Die Bedeutung des Themas „Autonomes Fahren“ für Volkswagen zeigt sich auch an anderer Stelle: Laut Informationen des Handelsblatts will VW-Chef Herbert Diess jährlich 2,5 Milliarden Euro in Cariad, die ehemalige „Car.Software-Organisation“, investieren. Volkswagens hauseigene Softwaretochter entwickelt assistierte und automatisierte Fahrfunktionen für Konzern-Fahrzeuge – parallel und völlig unabhängig von Argo. Die Zukunft hat begonnen.