Porsche 911 - Die Wüste bebt

Arne Olerth

 · 25.01.2023

Porsche 911 - Die Wüste bebtFoto: Porsche

Porsche gewann 1984 die Rallye Paris-Dakar – mit einem stark modifizierten 911. Jetzt gibt es das passende Serienauto – für den Einsatz in der Wüste, auf der Nordschleife oder den Boulevards

Der 911 Dakar rollt mischbereift auf die Piste: 245/45 ZR 19 vorne und 295/40 ZR 20 an der Hinterhand
Foto: Porsche

Echt jetzt? Die Sportwagen-Ikone Porsche Neunelf als Offroader? Ehe Sie jetzt über den Einsatz bewusstseinserweiternder Substanzen in der Zuffenhausener Entwicklungsabteilung spekulieren, erinnern wir an dieser Stelle an den Gesamtsieg eines Porsche 911 bei der Rallye Paris-Dakar 1984. Bei der sechsten Ausgabe der 14.000-Kilometer-Hatz von der französischen Hauptstadt über Algier in die Hauptstadt des westafrikanischen Staates Sennegal standen final René Metge und Dominique Lemoyne in der Automobilwertung auf dem Siegerpodest. Es war dies das erste Mal überhaupt in der Geschichte des Langstreckenrennens, dass ein Sportwagen auf den ersten Platz fuhr. Zum Einsatz kam dabei eine stark modifizierte Version des Porsche 911 G-Modells, der 953.

Der 3,2-Liter-Boxer mit 225 PS wurde durch eine reduzierte Verdichtung auf niedrigoktanigen Kraftstoff vorbereitet, das Chassis durch massive Verstärkungen auf die enormen einwirkenden Kräfte. Stark modifizierte Achsen mit satten 270 Millimetern Federweg, ein großer 120-Liter-Tank nebst 150-Liter-Ersatztank und der Einsatz von Polycarbonat-Kunststoff für weite Teile von Karosserie und Verglasung zeugen von dem immensen Aufwand, den die Ingenieure trieben, um den Elfer Rallye-tauglich auszurüsten. Kernelement aber war ein neu entwickelter Allradantrieb mit einer Kraftübertragung im Verhältnis von 31 zu 69 und einem manuell sperrbaren Mittendifferential. Insgesamt drei Fahrzeuge des Typs 953 wurden gebaut, die allesamt im Januar 1984 zum Einsatz kamen und die Ausnahme-Rallye dominierten. Alle drei Autos kamen nach mehr als 14.000 Kilometern Rallye-Strapazen in Dakar an. Bereits im Folgejahr war der Porsche 911 (953) Geschichte, Porsche setzte bei der Rallye Dakar 1985 auf den Porsche 959. Und heute, 39 Jahre später, feiert die Stuttgarter Sportwagenschmiede den Erfolg des Elfers bei der Rallye Dakar mit einem Sondermodell des 992 – dem 911 Dakar.

Bodenfreiheit eines SUV

Basis ist der 911 Carrera 4 GTS mit einem drei Liter großen Biturbo-Sechszylinderboxer mit 480 PS und maximal 570 Newtonmeter Drehmoment. Der Motor ist an ein Achtgang-PDK (DSG) gekoppelt und überträgt seine Momente auf alle vier Räder. Weitere Goodies sind eine Hinterachslenkung, Motorenlager aus dem 911 GT3 und die Wankstabilisierung PDCC. Für den Einsatz im Gelände wurde die Trimmlage des Porsche 911 um 50 Millimeter erhöht. Noch dazu verfügt der Dakar-Elfer über ein Liftsystem, das den Porsche auf Knopfdruck um weitere 30 Millimeter anheben kann. Im Verbund mit den speziell geschnittenen Schürzen sorgt dies für Bodenfreiheit und Rampenwinkel auf dem Niveau eines SUV. Die Fahrwerkseinstellung „Hochniveau“ ist bis Tempo 170 zulässig und erlaubt damit ambitionierte Offroad-Fahrten. Die neue Ausrichtung des Elfers erforderte auch die Entwicklung ganz neuer Reifen.

Die AT-Pneus des Typs „Pirelli Scorpion All Terrain Plus“ kommen vorne in der Dimension 245/45 ZR 19 und hinten in 295/40 ZR 20. Die verstärkten Seitenwände und die Laufflächen bestehen aus gleich zwei Karkassenlagen, das grobe Profil weist eine Tiefe von neun Millimetern auf. Der Reifen bietet eine erhöhte Resistenz gegen Schnitte und eignet sich auch für herausfordernde Geländebedingungen. Optional liefert Porsche den 911 Dakar auch mit Pirelli-P-Zero-Straßenreifen aus, die ebenfalls mit zwei Karkassenlagen besonders strapazierfähig ausgelegt sind. Porsche verspricht, dass die AT-Bereifung auch auf Asphalt eine sportwagentypische Dynamik ermöglicht, dennoch ist die Höchstgeschwindigkeit auf 240 km/h begrenzt. Der Sprint auf Landstraßentempo wird in 3,4 Sekunden abgehakt – nur ein Zehntel langsamer als beim 911 Carrera 4 GTS. Möglich wird dies durch die Kompensation des Zusatzgewichts etwa der Fahrwerkssysteme durch Leichtbaumaßnahmen. So entfällt die Rückbank, eine Leichtbaubatterie und -verglasung drücken das Gewicht zusätzlich. Unterm Strich wiegt der 911 Dakar gerade einmal zehn Kilo mehr als der GTS 4.

Rallye-Aficionados werden sich über die zusätzlichen Fahrmodi freuen, die sich über den Drehschalter am Lenkradsatelliten wählen lassen: „Rallye“ und „Offroad“. Ersterer bietet eine extra-hecklastige Auslegung des Allradantriebs für Fahrten auf losem, unebenem Untergrund, letzterer eignet sich für anspruchsvolles Gelände und Sand. Hier wird automatisch das Hochniveau aktiviert. Zusätzlich gibt es auch eine speziell für losen Untergrund komponierte Katapultstart-Funktion, die etwa 20 Prozent Radschlupf zulässt.

Der ausfahrbare Heckspoiler musste einem feststehenden Pendant aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK) weichen, die Haube aus dem gleichen Material stammt vom GT3. Rote Bergeösen aus geschmiedetem Aluminium dürfen genauso wenig fehlen wie Schutzbeplankungen aus Edelstahl an den Schürzen und Schwellern. Edelstahlgitter schützen die Lufteinlässe am Bug. Optional liefert Porsche den 911 Dakar mit einem Dachträger aus, der 42 Kilogramm Zuladung bietet. Die integrierten Zusatzscheinwerfer werden über eine Steckdose im Dach angeschlossen. Auch ein Dachzelt ist lieferbar.

Politisch korrekt: Aus Rothmans wird Roughroads

Das Cockpit wird geprägt von zwei Vollschalensitzen, die Porsche mit der Mikrofaser Racetext bezieht. Überrollbügel, Sechspunkt-Gurte und ein Feuerlöscher sind optional lieferbar.

Geradezu ein Muss für den Porsche 911 Dakar aber ist das optionale Rallye Design Paket – eine Reminiszenz an das Dakar-Siegerauto von 1984. Der Elfer wird dabei zweifarbig lackiert und zudem foliert. Rotgoldene Rallyestreifen schärfen den Auftritt genauso wie die Startnummer auf den Türen von Pilot und Co-Pilot, die der Kunde frei wählen kann. Im Gegensatz zum damaligen Sponsor-Aufkleber des Tabak-Herstellers Rothmans ziert heute der Schriftzug „Roughroads“ im gleichen Stil politisch korrekt die Flanken des 911 Dakar. Porsche hat sich den Begriff als Markennamen schützen lassen. Weiß lackierte Fünfspeichen-Felgen im Design „Dakar“ und ein rotes Heckleuchtenband komplettieren das Ausstattungspaket am Exterieur, innen gibt es erweiterte Leder- und Racetex-Umfänge sowie Sicherheitsgurte und weitere feine Akzente im Farbton Sharkblue.

Exklusiver Porsche-911-Dakar-Farbton: Shadegreen | een
Exklusiver Porsche-911-Dakar-Farbton: Shadegreen | een

Der 911 Dakar ist limitiert auf 2.500 Einheiten – Gerüchten zufolge war eine deutlich geringere Stückzahl geplant, bis das Projekt publik wurde und die Fans den Hersteller mit Nachfragen überrollten. Kostenpunkt? 222.020 Euro – zuzüglich weiterer 26.061 Euro für das kultige Rallye-Design-Paket, das den Youngster optisch nah heranrückt an Metges und Lemoynes’Siegerauto von 1984. Das sind rund 90.000 Euro mehr, als ein 911 Carrera 4 GTS PDK kostet. Gleichwohl wird die Auflage in Rekordtempo vergriffen sein, verlassen Sie sich darauf!