Gute Fahrt
· 12.11.2025
Die Eröffnung des Forschungs- und Entwicklungszentrums am 6. November markiert einen Wendepunkt in der China-Strategie des Stuttgarter Sportwagenherstellers. Erstmals bündelt das Unternehmen seine gesamten Entwicklungsaktivitäten außerhalb Deutschlands in einer einzigen, 10.000 Quadratmeter großen Einrichtung im Shanghaier Geschäftsviertel Hongqiao. Der Standort vereint die bisherigen Aktivitäten von drei Unternehmenseinheiten: die technische Entwicklung der lokalen Tochtergesellschaft, die Engineering-Sparte sowie die Digitaleinheit.
Vorstandschef Dr. Oliver Blume unterstrich bei der Eröffnungsfeier die strategische Bedeutung: "China ist Vorreiter in der Mobilität der Zukunft – mit Elektrifizierung, Digitalisierung und neuen Luxuskonzepten. Die Herausforderungen dieser Transformation lassen sich nicht aus der Ferne lösen." Diese Aussage verdeutlicht den Paradigmenwechsel von einer zentral gesteuerten zu einer dezentralen Entwicklungsstrategie. Statt Lösungen in Weissach zu entwickeln und für den chinesischen Markt anzupassen, entstehen nun maßgeschneiderte Innovationen direkt vor Ort.
Die "In China für China"-Philosophie spiegelt sich in der Personalstruktur wider. Über 300 Ingenieure, Entwicklungsexperten sowie Fachkräfte aus Beschaffung und Qualitätssicherung arbeiten künftig mit größerer Autonomie und Agilität. Diese lokale Verankerung ermöglicht es, schneller auf Marktveränderungen zu reagieren und kulturelle Besonderheiten bei der Produktentwicklung zu berücksichtigen. Alexander Pollich, Präsident und CEO von Porsche China, betonte: "Dieses Zentrum ist unser Versprechen, intelligente Lösungen zu liefern, die tief mit dem digitalen Leben und den spezifischen Bedürfnissen unserer chinesischen Kundinnen und Kunden verbunden sind."
Das neue Entwicklungszentrum liefert bereits konkrete Ergebnisse, noch bevor alle Prozesse vollständig etabliert sind. Als erstes Großprojekt entsteht ein exklusives Infotainmentsystem der nächsten Generation, das ab Mitte 2026 in mehreren Modellreihen des Herstellers zum Einsatz kommen wird. Diese Entwicklung demonstriert eindrucksvoll die Geschwindigkeit, mit der das Team arbeitet – ein entscheidender Vorteil in Chinas dynamischem Technologieumfeld.
Sajjad Khan, Vorstandsmitglied für Car-IT, erläuterte die dramatische Beschleunigung der Entwicklungsprozesse: "Das F&E-Zentrum in China ermöglicht uns den direkten Zugang zum schnelllebigen Innovationsökosystem des Marktes. Dadurch konnten wir unsere Entwicklungszyklen drastisch verkürzen – von Jahren auf Monate." Diese Zeitersparnis resultiert aus der direkten Zusammenarbeit mit lokalen Technologieunternehmen und der unmittelbaren Nähe zu Zulieferern und Entwicklungspartnern.
Das neue Infotainmentsystem basiert auf modernster Künstlicher Intelligenz und verfügt über einen Sprachassistenten, der auf Large Language Models (LLM) aufbaut. Li Nan, Leiter des F&E-Zentrums China, beschreibt weitere Innovationen: "Das neue System verfügt über immersive 3D-Fahrzeugsteuerung und eine tiefe Integration in Chinas digitales Ökosystem." Diese Funktionen ermöglichen es den Nutzern, Fahrzeugfunktionen intuitiv über dreidimensionale Darstellungen zu steuern und nahtlos mit lokalen Diensten wie Zahlungssystemen, Navigationsdiensten und sozialen Netzwerken zu interagieren.
Die technische Umsetzung kombiniert bewährte deutsche Ingenieurskunst mit den digitalen Stärken des chinesischen Marktes. Dabei bleibt die charakteristische Designphilosophie der Marke erhalten: "Mit unserem neuen Hub bringen wir Porsches ikonische Designphilosophie in die digitale Welt – mit Mut, Klarheit und Präzision", so Li Nan.
Die Eröffnung des integrierten Zentrums markiert den vorläufigen Höhepunkt einer über ein Jahrzehnt währenden Entwicklung lokaler Kompetenzen. Bereits 2014 etablierte die Engineering-Sparte ein Büro in Shanghai und legte damit den Grundstein für die heutige Präsenz. Diese frühe Investition erwies sich als weitsichtig, da sie dem Unternehmen ermöglichte, Erfahrungen im chinesischen Markt zu sammeln und lokale Talente zu gewinnen.
2021 folgte die Gründung der Digital-Einheit in China, die sich auf die Entwicklung digitaler Lösungen und Services konzentriert. Ein Jahr später, 2022, kam die Eröffnung eines lokalen F&E-Satelliten hinzu. Diese schrittweise Expansion ermöglichte es, Kompetenzen aufzubauen und Prozesse zu etablieren, bevor alle Aktivitäten in dem neuen Zentrum gebündelt wurden.
Dr. Michael Steiner, Vorstandsmitglied für Forschung und Entwicklung, erläuterte die strategische Einbindung: "Unsere Forschung und Entwicklung in China basiert auf vielen Jahren Innovation in diesem Land. Sie wird unser F&E-Zentrum in Weissach ergänzen und als zusätzlicher Innovations-Hub agieren." Diese Aussage verdeutlicht, dass das Shanghaier Zentrum nicht in Konkurrenz zum deutschen Stammwerk steht, sondern als komplementäre Einrichtung fungiert.
Die Arbeitsteilung zwischen beiden Standorten orientiert sich an den jeweiligen Stärken: Während Weissach weiterhin die globale Entwicklungsführerschaft innehat und grundlegende Technologien vorantreibt, konzentriert sich Shanghai auf marktspezifische Anpassungen und die Integration lokaler Technologien. Diese Struktur ermöglicht es, sowohl die bewährte Qualität und Zuverlässigkeit der deutschen Ingenieurskunst zu bewahren als auch von Chinas Innovationsdynamik zu profitieren.
Das Shanghaier Zentrum fungiert als Blaupause für die künftige globale Entwicklungsstrategie des Unternehmens. Die dort erprobten Prozesse und Arbeitsweisen könnten auf andere wichtige Märkte übertragen werden und die traditionelle, zentral gesteuerte Entwicklung ergänzen. Besonders die Erfahrungen mit der Integration lokaler digitaler Ökosysteme dürften für andere Regionen wertvoll sein.
Die Investition in das chinesische Zentrum unterstreicht die strategische Bedeutung des Marktes für den Sportwagenhersteller. China ist nicht nur der größte Einzelmarkt des Unternehmens, sondern auch ein Innovationslabor für Technologien, die später global zum Einsatz kommen könnten. Die dort entwickelten Lösungen für Elektrifizierung, Digitalisierung und vernetzte Mobilität haben das Potenzial, die gesamte Produktpalette zu beeinflussen.
Die Präsenz hochrangiger Vorstandsmitglieder bei der Eröffnungsfeier – darunter CEO Dr. Oliver Blume, Entwicklungsvorstand Dr. Michael Steiner und Car-IT-Chef Sajjad Khan – signalisiert die hohe Priorität des Projekts. Auch die Teilnahme von Vertretern der Shanghaier Stadtregierung und strategischen Partnern verdeutlicht die lokale Verankerung und politische Unterstützung.
Mit der Bündelung von über 300 Experten einem Dach schafft das Unternehmen die Voraussetzungen für interdisziplinäre Zusammenarbeit und beschleunigte Innovationszyklen. Diese Struktur ermöglicht es, komplexe Projekte effizienter zu bearbeiten und Synergien zwischen verschiedenen Entwicklungsbereichen zu nutzen. Das erste Infotainmentsystem ist dabei nur der Auftakt für eine Reihe weiterer lokaler Innovationen, die in den kommenden Jahren folgen sollen.