Freunde des sportlichen Fahrens waren lange Zeit skeptisch gegenüber E-Antrieben. Der Sound eines Sechs- oder Achtzylinders sei unverzichtbar, hörte man noch manchmal raunen. Und auch der Autor dieser Tests vermisst manche Eigenschaften der Verbrenner. Doch die Vorteile von E-Autos sind nicht wegzudiskutieren: viel Platz im Innenraum, emissionsfreies und spritziges Fahren aufgrund des von der ersten Sekunde an zur Verfügung stehenden Drehmoments – alles Dinge, mit denen diese Antriebsart zweifelsohne punkten kann. Die Leidenschaft und Freude am Fahren? Blieb, abgesehen von echten E-Sportwagen, oft aus.
In den Hügeln nördlich von Antibes in Südfrankreich konnte man jedoch ein Knistern vernehmen. Denn der Funke war beim Test des neuen, über alle vier Räder angetriebenen Macan E – als Macan 4 und Turbo – nun endgültig übergesprungen. Der elektrische Macan lässt nichts, aber auch gar nichts vermissen im Vergleich zu den Verbrennervarianten. Das 2014 eingeführte SUV ist mit seither weltweit etwa 850.000 verkauften Einheiten Porsches Bestseller. Und das soll es auch in Zeiten der Elektromobilität bleiben.
Schon der Macan 4 performt sportlich mit seinen 285 kW (387 PS) und seiner Overboost-Leistung mit Launch Control von 300 kW (408 PS). Das maximale Drehmoment von 650 Newtonmetern beschleunigt ihn in 5,2 Sekunden von null auf 100. In der Spitze sind 220 Kilometer pro Stunde mit den beiden permanenterregten Synchronmaschinen an den beiden Achsen machbar. Doch Beschleunigungswerte und Höchstgeschwindigkeit sind nur die eine Seite der Medaille. Wirklich klasse ist zudem die enorm breite Spreizung des Fahrwerks zwischen Komfort und Sportlichkeit. Das gilt vor allem dann, wenn eine Luftfederung mit der elektronischen Dämpferregelung Porsche Active Suspension Management (PASM) verbaut ist. Die zählt im Turbo ebenso zum Serienumfang wie die elektronisch geregelte Quersperre an der Hinterachse, das sogenannte Porsche Torque Vectoring Plus. Neu im PASM sind Dämpfer mit Zweiventil-Technik.
So passiert der Macan souverän selbst schlechteste Fahrbahnabschnitte, ohne dass die Insassen durchgeschüttelt werden. Lediglich ganz kurze Stöße machen sich bemerkbar. Auf der zugegebenermaßen rasanten Fahrt über die engen Bergstraßen in Richtung Grasse und zurück zum Meer aber unterstreicht der Macan 4 die Fertigkeiten von Porsches Ingenieurskunst: Das Handling des SUVs ist bestens. Dazu trägt die sehr direkt reagierende Lenkung ebenso bei wie die in diesem Fall montierten 22-Zoll-Räder.
Der Macan Turbo setzt noch einen drauf: 430 kW (584 PS) und eine Overboost-Leistung von 470 kW (639 PS) bei einem maximalen Drehmoment von 1.130 Newtonmetern. Eine Hausnummer. Damit gelingt der Sprint von null auf Tempo 100 in 3,3 Sekunden. Die Höchstgeschwindigkeit gibt Porsche mit 260 Kilometern pro Stunde an. Die unzähligen Serpentinen auf den engen Straßen in den Hügeln oberhalb von Antibes sind ein ideales Terrain, um dem Turbo die Sporen zu geben. Beeindruckend, mit welcher Präzision der Macan selbst bei wirklich flottem Tempo um die Ecken fegt und sich dabei nicht einen Deut von der vorgegebenen Linie verabschiedet. Die Mundwinkel gehen hier von ganz allein nach oben. Im Unterschied zum Macan 4 mit 50 : 50 hat der Turbo eine Gewichtsverteilung von 48 : 52, ist also ein wenig hecklastiger ausgelegt.
Die Antriebskraft wird je nach Bedarf um bis zu 100 Prozent auf eine der beiden Achsen des Allradantriebs geleitet. Außerdem steht auf Wunsch erstmals im Macan eine Hinterachslenkung mit einem maximalen Einschlagswinkel von fünf Grad zur Verfügung. Wir konnten spürbar erfahren, wie sich das in den schnell genommenen Kurven mit einem deutlichen Plus an Fahrstabilität und damit mehr Performance bemerkbar macht. Die Abstimmung des Fahrwerks ist zudem beim Turbo eine Spur härter. Antritt und Durchzug sind beim Turbo nochmals merklich knackiger als beim Macan 4.
Beide Versionen stehen auf der gemeinsam mit Audi entwickelten Premium Platform Electric (PPE). Eine Lithium-Ionen-Batterie mit einer Gesamtbruttokapazität von 100 kWh befindet sich im Unterboden. Der Schwerpunkt des E-Macan liegt damit um 140 Millimeter tiefer als beim Verbrenner. Dank 800-Volt-Technik ist eine maximale Ladeleistung von 270 kW möglich. An der Schnellladesäule dauert es laut Porsche dann 21 Minuten, um den Akku von zehn auf 80 Prozent mit neuer Energie zu versorgen. Und: Nur vier Minuten soll es dauern, um Strom für 100 Kilometer in die Batterie zu leiten. Wenn die Ladesäule nur mit 400-Volt-Technik arbeitet, beschleunigt das sogenannte Bank-Laden den Vorgang. Dabei wird der Akku in zwei Teilbatterien mit halber Nennspannung geteilt, die parallel geschaltet mit je 400 Volt geladen werden.
Der On-Board-Lader hat lediglich eine Leistung von 11 kW. Das bedeutet Ladezeiten von neun bis zehn Stunden an der heimischen Wallbox. Wie bei Porsche üblich, gibt es zwei Ladebuchsen. Hinten links kann sowohl mit Wechsel- als auch mit Gleichstrom, hinten rechts nur mit Gleichstrom geladen werden. Das Navigationssystem berücksichtigt bei der Routenberechnung sowohl den Fahrstil als auch das Streckenprofil, um die Ladepunkte optimal zu planen. Über die Rekuperation beim Bremsen können bis zu 240 kW zurückgewonnen werden. Ist die Schub-Rekuperation aktiviert, wird ähnlich wie bei einer Motorbremse moderat verzögert. Porsche aber setzt eher aufs Segeln. Geht der Fuß vom Beschleunigungspedal, wird der Antrieb komplett abgeschaltet – und der Wagen gleitet ohne Stromverbrauch möglichst weit.
Bei unseren Testfahrten auf öffentlichen Straßen haben wir mit dem Macan 4 21,4 kW und beim Turbo 24,7 kW Verbrauch – nach durchaus ambitioniertem Ausfahren auf den Bergstrecken – auf dem Bordcomputer abgelesen. Gute Werte angesichts der Leistung, aber nicht herausragend. Der aerodynamische Feinschliff mit variablen Kühlluftklappen, geschlossenem Unterboden und einem adaptiven Heckspoiler ergibt einen cW-Wert von 0,25. Das wirkt sich positiv auf die Reichweite aus.
Optisch unterscheidet sich der E-Version erst auf den zweiten Blick vom Verbrenner. Die Abmessungen sind nahezu identisch: 4,78 Meter lang und mit Außenspiegeln 2,10 Meter breit. Allerdings liegt der Macan E näher am Boden und misst nun eine Höhe von 1,62 Metern. Trotz der unverkennbaren Ähnlichkeit sind alle Bauteile des Macan E neu. Sie unterscheiden sich im Bug und im Heck. Beiden Versionen gemein sind rahmenlose Türen. Im Innenraum verbaut Porsche beim Macan das bekannte Porsche Driver Experience Bedien- und Infotainmentsystem: So liegt ein 12,6 Zoll großes, volldigitales Curved Display direkt in der Blickachse des Fahrers. Über die Lenkradbedienung lässt sich die Darstellung des Kombiinstruments sowie des erstmals verfügbaren, optionalen AR-Headup-Displays individualisieren. In der realen Umgebung werden farbige AR-Inhalte präzise projiziert. Zum Beispiel werden Navigationspfeile direkt in die richtige Abbiegespur eingeblendet.
DAS ACTIVE-RIDE-FAHRWERK LÖST DEN ZIELKONFLIKT VON DYNAMIK UND KOMFORT AUF
Der zentrale Bildschirm ist ein 10,9 Zoll großes Touchdisplay. Im neuen Porsche App Center können Passagiere direkt auf Apps von Drittanbietern zugreifen. Auf Wunsch bietet Porsche ein ebenfalls 10,9 Zoll großes Beifahrer-Display an. Aufgrund einer Folientechnik ist dieses Display vom Fahrersitz aus nicht einsehbar. Die Sprachbedienung funktioniert ebenso einwandfrei wie die Smartphone-Integration von Apple CarPlay oder Android Auto. Das Handy lässt sich blitzschnell verbinden – allerdings nur im Stand. Hier greifen die EU-Vorgaben. Das gilt ebenfalls für die Warnhinweise bei Tempoüberschreitung oder Spurwechsel, ohne den Blinker zu setzen. Im Macan E werden Digital und Analog vernünftig gemischt: So gibt es weiterhin einen manuell zu bedienenden Lautstärkeregler fürs Infotainmentsystem und eine Schalterleiste für die Klimaautomatik. Das ganz große Gepäck ist auch dieses Mal im Macan nicht vorgesehen. Der Kofferraum hat ein Fassungsvermögen von 540 Litern beim Macan 4 (der Turbo hat 480 Liter), das sich auf bis zu 1.348 Liter bzw. 1.288 Liter erweitern lässt, wenn die hinteren Lehnen vorgeklappt werden. Der Frunk fasst 84 Liter und öffnet sich durch eine Wischgeste über einen Sensor unterhalb des Porsche Wappens. Für die Fahrzeugklasse ganz ordentlich.
Mit einer Vielzahl von Assistenzsystemen, 13 Serien- und 59 Sonderfarben, acht Raddesigns und acht unterschiedlichen Innenraumfarben rundet Porsche das fahrtechnisch überaus attraktive (Fahr!-)Angebot des Macan E ab. Eine Attraktivität, die allerdings auch ihren gehörigen Preis hat. Bei 84.100 Euro startet der Macan E, der Turbo steht ab 114.600 Euro in der Preisliste.