Florian Neher
· 16.01.2023
Mit dem auf 333 Exemplare limitierten R8 V10 GT RWD feiert Audi den Höhe- und zugleich Endpunkt des grandiosen V10-Saugmotors. Erstmals fallen in der Geschichte des R8 volle 620 PS allein über die Hinterräder her ...
Alles Jammern hilft nichts: Immer strengere Anforderungen an Effizienz und Abgasverhalten machen dem klassischen Verbrennungsmotor langsam den Garaus – die Zukunft des Automobilbaus ist nun mal hybridisch bis vollelektrisch. Insbesondere eine solch großartige Wärmekraftmaschine wie der Audi-V10-Saugmotor steht daher längst auf der Liste der bedrohten Arten.
Statt zu lamentieren, feiert Audi das Auslaufmodell V10 im R8 lieber mit einer furiosen, limitierten Topversion: Nur 333 Exemplare des R8 V10 GT RWD, alle säuberlich unter dem Getriebewählhebel fortlaufend nummeriert, werden von der Audi Sport GmbH in den Böllinger Höfen nahe Heilbronn weit- gehend in Handarbeit zubereitet. R8 GT? Da war doch mal was? Richtig: Anno 2010 lancierte Audi die erste Generation des besonders sportlichen R8-Modells, ebenfalls auf 333 Stück limitiert, jedoch allradgetrieben. Beim Neuen hingegen lässt Audi erstmals (und zugleich letztmals) die ma-ximale Eskalationsstufe des 5,2-Liter-Saugers mit 620 PS und 565 Nm, die bisher aus gutem Grund den Allradversionen vorbehalten war, auf das Heckantriebschassis los. Das macht den V10 GT RWD mit fahrfertigen 1570 Kilogramm zur derzeit leichtesten R8-Version mit dem günstigsten Leistungsgewicht.
Siebenstufige Traktionskontrolle am Volant
Wer ob der Gewalt der 620 PS nun Traktionsprobleme wittert, bekommt von Audi den sogenannten Torque-Rear-Modus buchstäblich an die Hand geliefert: Durch Drehen des Bediensatelliten am Lenkrad lässt sich die Traktionskontrolle in sieben Stufen von
humorlos-sicher (für die öffentliche Straße) bis lustvoll-quer (auf der Rennstrecke) einstellen. Da es sich bei diesem Höhepunkt der R8-Historie, alleine schon aufgrund des Preises von mindestens 225.000 Euro, eher um ein Sammlerstück handelt, konnte Audi im Lastenheft die Alltagstauglichkeit etwas weiter hinten anstellen – zugunsten der Rennstreckenkompetenz. Mit anderen Worten: Kürzere Gesamtübersetzung für noch deftigere Sprints, wiederum schnellere Schaltzeiten des Siebengang-Doppelkupplungsgetriebes, federleichte 20-Zoll-Schmiederäder, die auf Wunsch mit Semi-Slicks (Michelin Sport Cup 2) bespannt werden, Keramikbremse, Schalensitze, Carbon-Stabilisator an der Vorderachse. Auf Wunsch installiert Audi Sport zudem ein Gewindefahrwerk mit verstellbarer Zug- und Druckstufe. Da darf die Aerodynamik freilich nicht zurückstehen: Das im Windkanal entwickelte Carbon-Aerokit besteht aus Frontsplitter, Flics, Seitenschwellerverkleidungen, seitlichen Aero-Elementen am Heckstoßfänger und Diffusor. Den krönenden Abschluss bildet der imposante Heckflügel mit Schwanenhals-Aufhängung – eine Konstruktion direkt aus dem Motorsport, die für eine optimale Unterströmung des Flügels und damit verbesserte aerodynamische Wirksamkeit sorgt.
Mehr Leistung als ein DTM-Rennwagen
Derart gerüstet, könnte man fast in der DTM antreten – ach, nein, dafür hat der R8 V10 GT RWD ja zu viel Leistung, die DTM-Renner begnügen sich mit nur 550 bis 590 PS ...
Also lieber genussvoll am Sonntag in aller Frühe die Hausstrecke unter die Reifen nehmen. Bis das Motoröl seine 80 Grad erreicht hat, weiden sich die Augen am exzellent verarbeiteten schwarzen Interieur samt dem griffigen kleinen Lenkrad und den roten Akzenten, wie etwa den Gurten, Steppnähten oder Fußmatten-Logos. Das schwarz-rote Farbkonzept ist übrigens eine Reminiszenz an den ersten R8 GT von 2010.
Seine Drehfreude und der aberwitzige Klang machen den V10 unsterblich
Das Öl ist warm, der Pilot lässt nun dieses Monument von der Kette, dessen Kraft sich saugertypisch linear entfaltet, zwischen 6400 und 7000 Umdrehungen in 565 Nm gipfelt, um munter weiter bis zu irren 8700 Touren zu jubeln. Die nackten Zahlen – null bis hundert in 3,4, 200 km/h nach 10,1 (!) Sekunden, 320 km/h Spitze – verblassen angesichts der unbedingten Drehfreude und des überirdischen,
immer leicht rohen V10-Gebrülls, das dieses Triebwerk auch akustisch stets unverwechselbar machte. Ende 2023 wird der Audi R8 des Typs 4S auslaufen, ein Nachfolger dürfte vollelektrisch fahren, wesentlich mehr Drehmoment bieten und noch besser beschleunigen. Ob er an die Faszination des ikonischen Verbrenners heranreichen wird, steht allerdings in den Sternen. V10, wir werden dich vermissen!