Arne Olerth
· 02.03.2023
Ein neues Showfahrzeug von Audi ist ein Grenzgänger zwischen den Welten, ist eine Mischung aus Offroader und Coupé. Seine Bedienung verknüpft die reale mit der virtuellen Welt
Mit einem spektakulären Showfahrzeug macht Audi Appetit auf die Zukunft: Der Activesphere Concept vereint als Crossover die scheinbaren Gegensätze eines Rugged SUVs (RUV), also einem für derbes Gelände tauglichen Offroader, mit einem eleganten, viertürigen Coupé. Auf Knopfdruck wandelt sich der Grenzgänger gar zum Pick-up. Doch das ist noch nicht alles: Sein innovatives Bedienkonzept verbindet die reale mit der virtuellen Welt, setzt voll auf Augmented Reality. Pilotiertes Fahren beherrscht der Activesphere zudem genauso wie die klassische Form, die in Anbetracht von etwa 440 PS und Quattro-Allradantrieb ausgesprochen lustvoll ausfallen dürfte.
Mit dem elektrischen Crossover komplettiert Audi seine Sphere-Familie, mit der Audi einen Ausblick auf seine Mobilitätsangebote von morgen geben möchte. Los ging es 2021 mit dem Audi Skysphere Concept, einem radikalen Premium-Roadster mit verstellbarem Radstand und sehr geringen Ambitionen auf eine Serienfertigung. Anders bei der folgenden Studie Audi Grandsphere Concept, mit der Audi Hinweise auf eine kommende Limousine der Oberklasse ausspielte. 2022 folgte der Audi Urbansphere Concept, der gezielt für den Einsatz in den Megacities Chinas konzipiert wurde. Damit war der Reigen der Konzeptfahrzeuge komplett – eigentlich. Denn Gael Buzyn und sein Team vom Audi Design-Studio in Malibu ersannen danach den Activesphere. Audi-Designgrande Marc Lichte war begeistert, es gab grünes Licht zur Erweiterung der Sphere-Familie zum Quartett.
On- oder offroad, selbst oder pilotiert fahren?
Der Activesphere trägt dem aktiven Lifestyle der Kalifornier Rechnung, die zum Sporteln raus in die Natur fahren, etwa um mit dem Mountainbike entlegene Trails in den Sierra Mountains zu erkunden. Perfektes Transportmittel hierzu: ein R UV. Zum Dinner im Edelrestaurant freilich eignet sich die Limousine besser. Der Activesphere beherrscht beide Spielarten perfekt, wandelt sich ganz einfach auf Knopfdruck. Mit fast fünf Metern Aubaulänge (4,98 m), 2,07 Metern Breite und 1,60 Metern Höhe zielt das viertürige Coupé klar auf die Oberklasse. Knapp drei Meter Radstand (2,97 m) sorgen für fürstliche Platzverhältnisse im Innern sowie knappe Überhänge außen. Auf diesen Eckdaten formte das Designteam ein wahrhaft betörendes Automobil. Es lebt von seinen Gegensätzen, die in dieser Ausprägung bisher kaum zu sehen waren: Unten betonen großvolumige 22-Zoll-Reifen mit konturiertem Profil im Verbund mit der hohen Bodenfreiheit (208 mm) die Offroad-Attitüden, oben setzt der sportlich-elegante Aufbau einen Kontrapunkt.
Schnörkellos geformt, zieht er mit einem flachen Glashaus, einer wunderschön nach hinten abfallenden Dachlinie und muskulös ausgestellten Radhäusern die Blicke auf sich. „Die von mir gestalteten Audis leben von Muskeln, der Activesphere zeigt dabei ein ganz neues Level“, schwärmt Marc Lichte und ergänzt: „Das ist ein Audi Allroad Quattro 2.0.“ Doch im Gegensatz zu den erfolgreichen Crossovern der A4- und A6-Familie ist der Activesphere kein Kombi, sondern ein „Active Sportback“. Active bezieht sich auf den sport- lichen Lifestyle der Passagiere, den der Activesphere perfekt ergänzt. Etwa durch den Transport ihrer E-Bikes: Dazu fährt die Heckscheibe flach über dem Dach nach oben, der senkrechte Heckabschluss kippt nach hinten. So entsteht eine ebene Ladefläche zur Aufnahme zweier Fahrräder. Auch Ski lassen sich leicht via ausfahrbarer Dachhalterung transportieren.
Ausgerüstet mit einem Luftfahrwerk kann der Crossover um vier Zentimeter abgesenkt werden – zugunsten eines noch aktiveren Handlings. Für den Geländeeinsatz wiederum lässt er sich um ebenfalls vier Zentif meter anheben. Dabei fahren die vertikalen Metallstreben an Schwellern und Schürzen auseinander und sorgen so für einen fast schon martialischen Look. Die Türen öffnen gegenläufig, B-Säulen gibt es nicht. Vier Reisende finden ausgesprochen komfortabel Platz. Auffallend: der hohe Anteil an Glasflächen. Diese erlauben nicht nur im Dach ganz neue Aussichten, sondern auch in den unteren Teilen der Türen. Besonders spektakulär aber ist der gläserne Kühlergrill.
Wählt man den pilotierten Modus, faltet sich der Armaturenträger in den Boden, zusammen mit Lenkrad und Pedalen und gibt die Aussicht aus der Schnauze des Activesphere frei. Cool. Doch dem setzt das neuartige Bedienkonzept noch einen drauf: Dabei spannt sich via VR-Brille eine dreidimensionale, virtuelle Bedienebene in der realen Welt auf. Audi spricht von „Mixed Reality“. Anstelle eines kleinen Geländemodells etwa füllt die Navi-Kartendarstellung den gesamten Vorderwagen – rein virtuell natürlich. Bedienelemente lassen sich nach Gusto im Raum verschieben. Ferner kann man die Brille auch auf dem Trail oder der Skipiste nutzen, etwa zur Navigation oder Pulsüberwachung. Von den physischen Anzeigen verbleiben gerade einmal eine für die Geschwindigkeit und eine für den Füllstand des Akkus – zusammen gerade so groß wie ein Füllfederhalter. Das technische Rüstzeug des Activesphere Concept ist die Premium Plattform Electric (PPE), die Audi zusammen mit Porsche entwickelt. Sie zeichnet sich neben der 800-Volt-Technologie und ultraschnellen Ladezeiten auch durch ihre Skalierbarkeit aus. Der 100-kWh-Akku etwa sorgt für mehr als 600 Kilometer Reichweite und ist über die gesamte Breite zwischen den Achsen platziert, kann dadurch flach ausfallen. Je eine E-Maschine an der Vorder- und Hinterachse sichern dem Activesphere eine Systemleistung von 325 kW und 720 Nm Drehmoment.
Im Gegensatz zum Activesphere Concept werden die ersten PPE-Modelle zeitnah in Serie gehen. „Wir stehen vor der größten Produktoffensive Audis. In den nächsten beiden Jahren werden zwei Dutzend Modellneuheiten vorgestellt werden – sowohl mit Elektroals auch mit Verbrennungsmotor. Der Activesphere Concept gibt einen konkreten Ausblick auf die Zeit danach.“ Wenn das kein guten Aussichten sind.