Joshua Hildebrand
· 04.03.2023
Wachs-, Polymerund Keramikversiegelungen versprechen einen höheren Lackschutz, besseren Glanz und deutlich weniger Pflegeaufwand. Was ist dran? Wir haben ein Selbstexperiment gewagt
Welcher Autofahrer kennt das nicht? Einmal durch die Waschanlage gefahren, schon ist das Auto übersäht von kleinen Kratzern und Hologrammen. Dies lässt sich wohl kaum vermeiden – oder etwa doch? Abhilfe versprechen Lackversiegelungen, die gleich mehrere Vorteile miteinander vereinen sollen: eine höhere Widerstandsfähigkeit, Schutz vor kleinen Kratzern und Wiederverschmutzung sowie eine einfachere Reinigung. Darüber hinaus erstrahlen versiegelte Lacke in einem besseren Glanz. Klingt fast zu schön um wahr zu sein, deshalb wollten wir es genauer wissen und haben uns einen Profi gesucht.
„Ich bin kein Aufbereiter, ich bin Detailer“, mahnt uns Ariel Thiemel. Während Ersterer „nur“ das Fahrzeug reinigt, poliert und leichte Kratzer entfernt, sorgt Letzterer dafür, dass Lacke in Perfektion poliert und versiegelt werden. Der gelernte Kfz-Mechaniker ist bekennender Volkswagen-Fan und Tuner aus Leidenschaft. Saubere, glänzende Autos, wie er uns in seiner Halle erzählt, waren schon immer sein Hobby. So fing er schon früh an, Autos von seinen Freunden zu polieren. Seine Arbeit war so gut, dass Pflegemittelhersteller Sonax auf ihn aufmerksam wurde und Ariel unter seine Fittiche nahm. Es folgten diverse Lehrgänge und Ariel konnte seine Leidenschaft perfektionieren. Bis heute hat er sich zu einem der renommiertesten Detailer der Rhein-Neckar-Region hochgearbeitet und seine pflegende Hand nicht nur auf sündhaft teure Luxuskarossen, sondern auch auf Boliden diverser Stars wie etwa Sänger Ardian Bujupi gelegt.
Die ordentliche Vorarbeit ist sehr wichtig
In seiner „heiligen Halle“ in Schriesheim, in der Nähe von Heidelberg, erklärt uns der Profi an unserem mitgebrachten Auto, was es mit seiner Arbeit und den verschiedenen Versiegelungen auf sich hat. „Ob und welche Lackversiegelung sinnvoll ist, liegt an der Einstellung des Besitzers und wohl auch der Lackqualität des Fahrzeugs.“ Unser Wagen, ein Porsche Cayman GTS 4.0, hat sicherlich einen der schwierigsten zu pflegenden Lacke überhaupt: Schwarz Uni. Obwohl das Auto gerade mal ein Jahr alt ist, zeigt sich dieser sehr in Mitleidenschaft gezogen. „Damit habt ihr mir echt eine Herausforderung auf den Hof gestellt“, lacht Ariel. „Aber, kein Problem“, fügt er hinzu. Witterungen, Waschanlagen und falsche Politurvorgänge können gerade bei einfachen Uni-Lacken hässliche Spuren hinterlassen. Diese zeigen sich in der Regel anfälliger und pflegeintensiver als Metallic-Lacke, die mindestens über eine weitere Lackschicht verfügen. „(…) So oder so empfehle ich dringend eine Versiegelung, denn das macht den Lack haltbarer und das Auto bleibt länger schön“, erklärt uns Detailer.
„Wer sein Auto liebt, wäscht per Hand. Damit tut man seinem Lack etwas Gutes. Die mehrschrittige Vorwäsche ist die Basis eines perfekten Detailings“, weiß der Profi. Denn auch, wenn die Waschanlagenbetreiber mit Textilbürsten werben, kann es bei der Reinigung zu feinen, unschönen Kratzern kommen. Wichtig ist der Einsatz von entmineralisiertem Wasser, damit keine hässlichen Kalkflecken auf dem Auto übrig bleiben. Erst wenn das Auto mit einem saugfähigen Mikrofasertuch getrocknet wurde, kann es so langsam ans Eingemachte gehen ... Damit ist aber noch lange nicht die Versiegelung gemeint. Denn nun folgt erst einmal ein weiterer Zwischenschritt: Wer seinen Lack langfristig mit einer Versiegelung konservieren möchte, muss tatsächlich dafür sorgen, dass der Lack in einem erstklassigen Zustand ist.
Das bedeutet, dass keine Insektenrückstände, keine Kratzer oder sonstige Verunreinigungen sowie Beschädigungen am Lack vorhanden sein dürfen. Für die endgültige Lackreinigung nimmt der Detailer deshalb Reinigungsknete, auch Clay genannt, und knetet die Karosserie ab. Erst danach greift der Profi zur Poliermaschine. Bestenfalls kommt ein Exzenterpolierer zum Einsatz, welcher dank orbitaler Bewegungen keine „bösen“ Hologramme hinterlässt. Unabdingbar ist dabei auch der Griff zur richtigen Profi-Politur: Je nach Alter und Härtegrad des Lacks muss sie mehr oder weniger Schleifleistung besitzen.
Grundsätzlich aber gilt: „Wer richtig polieren möchte, muss in mehreren Schritten von grob in Richtung fein polieren.“ Also erst Schleifpolitur, dann Feinschleifpolitur und zum Schluss die Hochglanzpolitur mit niedrigem Schleifgrad. Wie in unserem Fall kann es sein, dass ein Auto auch mehrmals poliert werden muss, damit lästige Hologramme herausgearbeitet werden können – Fleißarbeit. „Eine gute Politur muss gekonnt sein, es gibt viele schwarze Schafe“, erklärt uns der Heidelberger. Oftmals setzen Aufbereiter silikonhaltige Politur ein, die auf den ersten Blick zwar gut aussieht, aber den Lack nur kurzzeitig abdeckt. Wie in unserem Fall zeigt sich das anhand einer fettigen Oberfläche. Eigentlich Pfusch, denn so sieht das Fahrzeug bereits nach einer Fahrzeugwäsche wieder „alt“ aus.
Keramikversiegelungen halten am längsten
Nach einer erfolgreichen Lackpolitur möchte man das perfekte Erscheinungsbild des Lacks so lange wie möglich erhalten und ihn vor Witterungseinflüssen schützen. Dies geht am besten mit einer Versiegelung, logisch! Doch die Frage ist: Welche Versiegelungsart schützt das Fahrzeug am besten? Klassisches Wachs, eine Polymerversiegelung oder doch eine Keramikversiegelung? Unter Wachsversiegelung versteht man Mischungen, die polierbar und wasserabweisend sind und dem Lack Glanz verleihen. In der Autopflege wird
Wachs schon lange eingesetzt, um Weichheit, Glätte und Versiegelung des Lacks zu erhalten. Sie zeichnen sich daneben durch eine Intensivierung der Farbe aus und lassen sich spielend einfach auf Lackoberflächen auftragen. Dennoch zählt Wachs zur Gattung der temporären Versiegelungen, da sie sich im Laufe von mehreren Wochen abwaschen und erneuert werden müssen. Schutz für mehrere Monate bieten hingegen sogenannte Polymerversiegelungen. Ein Polymer ist eine chemische Verbindung, die aus miteinander verketteten gleichen Einheiten besteht. Sie werden in Pflegemitteln verwendet, um mechanisch widerstandsfähige, langlebige Schutzfilme zu erzeugen. Im Gegensatz zu Wachsversiegelungen bilden sie einen geschlosseneren Film auf dem Lack, fühlen sich aber nicht ganz so glatt an. Die Haltbarkeit wird dadurch erhöht und kann sogar mehrere Monate betragen.
Die Königin unter den Versiegelungen ist allerdings die Keramikversiegelung, welche maximale Haltbarkeit und Glätte bietet. Die Basis der Flüssigkeit besteht aus Siliziumdioxid, das für eine harte, unsichtbare Schutzschicht sorgt. Im Gegensatz zu den beiden vorherigen Arten von Versiegelungen, die man auch als passive j Im Vergleich zu Schwarz-Metallic wirkt Schwarz Uni richtig tief-schwarz. Mit einer Versiegelung verstärkt sich der Effekt h k Unser Wagen erhält ein Lackschutz-Zertifikat sowie eine mehrjährige Garantie auf die Versiegelung. Den Zustand dieser sollte man einmal im Jahr überprüfen lassen Versiegelungen bezeichnen könnte, sind Langzeitversiegelungen aktive Versiegelungen. Nach dem Auftrag finden nämlich chemische Prozesse auf und im Lack statt. Es entsteht dadurch ein vollkommen geschlossener Film, der sich zusätzlich in der obersten Lackschicht verankert und so für eine außergewöhnliche Haltbarkeit sorgt, die mehrere Jahre betragen kann.
Allerdings ist der Auftrag in der Regel aufwendig und mit einiger Vorkenntnis und Erfahrung bei der Lackvorbereitung verbunden. Da wir den Profi bei uns haben, ent- scheiden wir uns für die mehrschichtige Keramik. Vorher muss der Lack jedoch mit lackverträglichem Lösungsmittel von den Emulsionsresten der Polituren befreit werden. Erst dann kann der „Basecoat“ als Basisversiegelung auf den Lack aufgetragen werden. Dieser muss einige Stunden aushärten, da in dieser Zeit der Vernetzungsprozess mit der Lackoberfläche erfolgt. Als nächster Arbeitsschritt kommt der „Glosscoat“ an die Reihe, die zweite Versiegelungsstufe. Dieser wird mit einem speziellen Applikationsschwamm schrittweise auf einzelne Teilbereiche des Fahrzeugs aufgetragen – eine Fleißarbeit, die einige Zeit in Anspruch nimmt. Ist dieser Schritt abgeschlossen, heißt es warten. Denn bis die Versiegelung ausgehärtet ist, dauert es gut zwölf Stunden. Danach sollte das Auto sieben Tage lang nicht gewaschen werden, erst danach kann die Versiegelung ihre Wirkung vollständig entfalten.
Das Teure an einer Versiegelung ist deshalb auch nicht unbedingt das Produkt selbst, sondern die Arbeitszeit, die in der Behandlung steckt. „Angebote um die 500 Euro sind zumeist unseriös, je nach Fahrzeug kostet eine Keramikversiegelung um die 1.500 Euro“, so Ariel. Letztlich lässt sich jedes Fahrzeug versiegeln, auch Wohnmobile oder -anhänger. Hier kann der Preis je nach zu behandelnder Fläche das Doppelte bis Vierfache betragen. Trotzdem handelt es sich um eine lohnenswerte Investition, da man vor allem bei der Keramikversiegelung einen langjährigen Lackschutz erhält.
In unserem Fall bietet die dreischichtige Sonax-Keramikversiegelung „Ceramic Coating CC Evo“ eine Haltbarkeit von zwölf bis 36 Monaten und eine Waschbeständigkeit von über 50 Fahrzeug- wäschen. Dazu kommen eine erhöhte Chemikalienbeständigkeit und eine verbesserte UV-Beständigkeit, auch wenn moderne 2-Schicht-Lacksysteme eigentlich keinen zusätzlichen UV-Schutz benötigen. Wichtigste Eigenschaft von Versiegelungen ist ein gewisser Selbstreinigungseffekt sowie der Schutz vor schädlichen biologischen Einflüssen wie Insektenschmutz, Vogelkot und Baumharzflecken. Dennoch darf ein Coating nicht als zweite Lackschicht verstanden werden. Sie stellen nur eine temporäre Barriere dar, welche die chemische Reaktion von Enzymen mit dem Lack verlangsamt, aber nicht verhindert.
Betroffene Stellen sollten nach wie vor schnellstmöglich gereinigt werden. Es schützt auch nicht vor Steinschlägen oder äußerer Gewalteinwirkung, kann das Entstehen feiner Mikrokratzer (etwa von Waschanlagen) allerdings minimieren und teilweise auch verhindern.
Wer es nicht tut, ist selbst schuld
Wer sorgsam mit seinem Auto und dem Lack umgeht – Stichwort: Handwäsche –, wird gewiss lange und große Freude mit seiner Versiegelung haben. Da der Lack einfach länger aussieht wie neu. Das durften wir am eigenen Leib erfahren: Unser in Mitleidenschaft gezogener Porsche-Lack strahlt nach der Behand- lung wie am ersten Tag, das Uni-Schwarz hat deutlich an optischer Tiefe gewonnen und sieht nun wieder aus wie frisch vom Band. Dies spürt man auch beim Handauflegen: Der Lack fühlt sich nicht mehr rau, sondern samtig-weich an – toll! Außerdem perlt Wasser nun deutlich ab und Schmutz bleibt viel schwerer an der Karosserie haften als zuvor. Folglich braucht’s jetzt auch deutlich weniger Waschvorgänge und das Fahrzeug erhält eine kleine Wertsteigerung. Schon gewusst? Die Versiegelung lässt sich im Falle eines Schadens bei der Versicherung geltend gemacht werden. Im Übrigen lassen sich auch Felgen und Folien versiegeln. Na, wenn das mal nicht nachhaltig ist!
Danke an: Fresh Cars Schriesheim