Unbekannt
· 08.11.2014
„Selbst der Vatikan erwartet von uns Beistand“, erklärt Dr. Rüdiger Etzold, der seit 1974 die Ratgeber der legendären Reihe „So wird´s gemacht“ verfasst. Uns gewährte der Schrauber-Papst eine Audienz
Seit 40 Jahren erklärt Dr. Rüdiger Etzold (74) in der Buchreihe "So wird´s gemacht", wie man seinen Wagen selber in Schuss hält und wieder auf Vordermann bringt. Weltweit wurden bis dato sechs Millionen Ratgeber in sieben Sprachen verkauft. Momentan arbeitet der gelernte Kfz-Mechaniker, studierte Ingenieur für Fahrzeugtechnik und einstige stellvertretende Chefredakteur von GUTE FAHRT an Band Nummer 157.
GUTE FAHRT: 40 Jahre "So wird‘s gemacht". Wie feiern Sie dieses Jubiläum?
Rüdiger Etzold: Mit Arbeit, da wir einen neuen Band fertig stellen müssen. Wir warten auf das fünfzigste.
GUTE FAHRT: Der erste Band von 1974 befasst sich mit dem Passat. Die Recherche war doch um einiges einfacher als für aktuelle Fahrzeuge?
Rüdiger Etzold: Absolut. Es war so simpel und übersichtlich, dass man fast nahtlos vom Käfer zum Passat überwechseln konnte, auch wenn der Motor nun vorne saß und wassergekühlt war.
GUTE FAHRT: Was kann man an modernen Fahrzeugen überhaupt noch selber reparieren?
Rüdiger Etzold: (Lacht) Immer wenn ich das höre, denke ich, welch ein Schwachsinn. Wir haben die Internetseite sowirdsgemacht.com, die monatlich über 150.000 Mal aufgerufen wird. Die Leute interessiert das Thema also. Ich kann genau sehen, woher die Schrauber kommen, nämlich aus der ganzen Welt. Selbst der Vatikan erwartet von uns Beistand.
GUTE FAHRT: Etwa beim Papamobil?
Rüdiger Etzold: Das weiß ich nicht, zumindest muss es dort Menschen geben, die ein technisches Interesse haben. Und nicht nur dort, denn aus über 150 Staaten kommen Schrauber auf unsere Internetseite. Auch sehe ich das an den Leserzuschriften: "Wir wollen noch mehr." Grundsätzlich ist es so, dass ein Auto nach wie vor zu über 90 Prozent aus mechanischen Bauteilen besteht. Und die können immer noch relativ einfach ausgewechselt werden.
GUTE FAHRT: In einem Webforum wurden Sie als Schrauber-Papst bezeichnet, tatsächlich sind Sie ein Schrauber-Doktor. Zur Zeiten der Wende haben Sie Ihre Promotion über die Unternehmensgeschichte von Audi abgeschlossen. War die Premium-Positionierung der Marke damals schon absehbar?
Rüdiger Etzold: Audi war noch nicht so "Premium" wie heute, aber die Gene waren vorhanden. Es gab drei technische Features, welche die Wettbewerber damals noch nicht hatten: Allradantrieb, Diesel-Direkteinspitzer und den Aluminiumleichtbau. Dieser technische Vorsprung hat etliche Autofahrer bewogen, die Marke zu wechseln.
GUTE FAHRT: Wie sind Sie darauf gekommen, Do-it-yourself-Ratgeber zu verfassen?
Rüdiger Etzold: Mein Schrauberleben fing mit 14 Jahren an. Meine Eltern besaßen eine NSU Quick und eine Hoffmann Vespa. Die mussten wir permanent zerlegen und reparieren. Was uns damals schon geärgert hat, war, dass es keine schriftlichen Reparaturanleitungen gab. Wir mussten uns alles selbst erarbeiten. Heute kann man im Prinzip ohne schriftliche Unterlagen kaum noch etwas selbst am Auto reparieren.
GUTE FAHRT: Nehmen Sie jedes neue Fahrzeug bis auf die letzte Schraube auseinander? Erhalten Sie Unterstützung von den Herstellern?
Rüdiger Etzold: Generell ist es so: Alle Autos sind ähnlich aufgebaut. Aber man braucht natürlich schon die speziellen Hinweise für das jeweilige Modell. Dafür erhalten wir die Werkstattunterlagen von den Herstellern. Das heißt: Laut EU-Recht müssen sie uns diese zu einem angemessenen Preis überlassen. Die zweite Grundlage für das Erarbeiten unserer Ratgeber ist natürlich das Auto. Manche Arbeitsschritte lassen sich voneinander ableiten, und wir müssen nicht im Vorfeld jede einzelne Schraube lösen. Bei komplexeren Reparaturschritten demontieren wir.
GUTE FAHRT: Welches Modell ist momentan dran?
Rüdiger Etzold: Wir haben gerade das Buch für den Golf 7 fertig gestellt. Es ist übrigens unser erster Band mit vierfarbigen Abbildungen. Als nächstes kommt der Passat B7.
GUTE FAHRT: Welcher Band ist der Bestseller?
Rüdiger Etzold: Aufgrund seiner langen Laufzeit ist es der Golf 1, der ja zehn Jahre am Markt war. Von dem Band 10 haben wir über 300.000 Exemplare verkauft. Interessant ist die Geschichte über den Käfer-Band: 1974 kam der Golf auf den Markt, der Käfer war praktisch abgemeldet. Dennoch bat mich der Verlag Ende der Siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts: "Mach noch mal ein Käfer-Buch." Ich habe das zunächst abgelehnt, weil ja kaum noch neue VW Käfer gekauft wurden. In diesen Tagen erscheint die 27. Auflage. Wir haben über 120.000 Käfer-Bücher verkauft und verkaufen jedes Jahr immer noch ein paar Tausend, obwohl es in Deutschland nur noch rund 35.000 Käfer gibt.
GUTE FAHRT: Für welches Modell aus dem VW Konzern haben Sie besonders gern einen Ratgeber verfasst?
Rüdiger Etzold: Das ist zwangsläufig der Käfer, weil ich eben auch als Lehrling auf Käfer gelernt habe. Ich kann die meisten Arbeiten am Käfer auch noch ohne Anleitung durchführen. Aber schon die Radschrauben werden ja heutzutage mit einem Drehmomentschlüssel angezogen. Und die Anzugswerte, die habe ich nicht im Kopf, die stehen im Buch.
GUTE FAHRT: Sie waren 1969 als GF-Redakteur an der Entwicklung des "GF Flohs" beteiligt. Wäre es denkbar, heute wieder einen straßentauglichen Wagen in der Garage zu entwickeln?
Rüdiger Etzold: Absolut unmöglich, allein schon wegen der Sicherheitsvorschriften. Es war ja damals so, dass ich einen Artikel über die Buggy-Szene in Amerika geschrieben hatte. Den letzten Satz des Artikels hat mein Chefredakteur Hermann Rest geändert und geschrieben: "Den nächsten Buggy bauen wir." Wir wollten ja nicht wortbrüchig werden, und da ich Fahrzeugtechnik studiert hatte, brachte ich gewisse Grundvoraussetzungen für die fachliche Umsetzung mit.
GUTE FAHRT: Welche Fahrzeuge fahren Sie privat?
Rüdiger Etzold: Mein Lieblingsauto ist der Karmann Ghia. Mehr eingesetzt werden natürlich unser Audi A2 und der Audi A4 Avant. Und dann fahre ich noch ein offenes Auto, einen Porsche 911. Den habe ich erst seit wenigen Tagen. Ich dachte, ich müsste noch mal Porsche fahren.
GUTE FAHRT: E-Antrieb, Hybrid, selbst fahrende Autos: Wie sehen Sie die automobile Zukunft?
Rüdiger Etzold: Langfristig werden sich viele Menschen den Unterhalt eines Autos nicht mehr leisten können. Nehmen wir beispielsweise ein Hybridauto. Das ist technisch wesentlich aufwendiger als ein Sportflugzeug. Wenn in der elektronischen Steuerung ein Defekt auftritt, dann lässt selbst der gelbe Engel vom ADAC die Flügel hängen. Mithin: die Reparaturkosten dieser High-Tech-Geräte können sich viele nicht leisten. Und selbst Hand anlegen, geht nicht mehr. Zudem: Wenn der Akku schlapp macht, fällt der Marktwert des Fahrzeugs dramatisch.
GUTE FAHRT: Wird es Ratgeber für E-Modelle geben?
Rüdiger Etzold: Mit Sicherheit nicht. Entweder der Motor dreht sich oder er dreht sich nicht. Und wenn er sich nicht dreht, dann liegt das an der Elektronik, und die durchschaut noch nicht einmal jedes Prüfprogramm. Da kann auch der Schrauber-Papst nicht mehr helfen.
GUTE FAHRT: Was halten Sie von Technikforen im Web?
Rüdiger Etzold: Wer heute eine Frage oder ein Problem hat, fragt nicht mehr seinen Nachbarn, sondern Google. Die Qualität der Antworten ist recht unterschiedlich; dafür sind sie kostenlos. Und dieses "Umsonst-Internet" lässt sich wohl nicht mehr umkehren und macht sich zwangsläufig auch beim Buchverkauf bemerkbar. Aber dennoch gibt es jeden Tag noch sehr viele Schrauber, die sich ein Buch zum Auto leisten und gemäß dem Motto handeln: "Schauen wir mal bei Etzold nach."