Gute Fahrt
· 02.09.2025
Elektromobilität hat längst auch die Campingwelt erobert – allerdings nicht primär in Form von elektrisch angetriebenen Reisemobilen, sondern als praktische Ergänzung auf zwei Rädern. Mehr als die Hälfte aller 2024 in Deutschland verkauften Fahrräder waren Pedelecs, genauer gesagt rund 2,05 Millionen Stück. Für Reisemobilisten sind E-Bikes besonders attraktiv, da sie den Aktionsradius am Urlaubsort deutlich erweitern und gleichzeitig die Sorge nehmen, aus eigener Kraft nicht mehr zurück zum Stellplatz zu kommen.
Der Markt bietet mittlerweile eine enorme Vielfalt an E-Bikes für jeden Einsatzzweck. Vom kompakten Faltrad, das im kleinsten Stauraum Platz findet, bis zum vollgefederten Offroad-Spezialisten ist alles erhältlich. Besonders wichtig für Camper sind dabei Faktoren wie Gewicht, Packmaß und Robustheit. Schließlich müssen die Räder nicht nur im Fahrbetrieb überzeugen, sondern auch beim Transport im Reisemobil praktikabel sein.
Die aktuellen Modelle profitieren von zahlreichen technischen Weiterentwicklungen. Leistungsfähigere Akkus sorgen für größere Reichweiten, während moderne Motoren immer kompakter und effizienter werden. Gleichzeitig bieten neue Getriebe- und Schaltungssysteme mehr Komfort und weniger Wartungsaufwand. Für Camper ist zudem die Geländetauglichkeit ein wichtiger Aspekt, da Ausflüge vom Stellplatz nicht immer auf asphaltierten Straßen stattfinden.
Wir haben sechs aktuelle E-Bike-Modelle, die sich besonders für den Einsatz im Reisemobil eignen, einem ausführlichen Test unterzogen. Die Preisspanne reicht dabei von 4.149 Euro für das sportliche Centurion Crossfire bis zu stattlichen 8.399 Euro für das Premium-Modell Riese & Müller Delite5 Pinion.
Das Centurion Crossfire R2000 D repräsentiert den aktuellen Trend der Gravelbikes – im Grunde Rennräder mit breiteren Reifen für erhöhte Geländetauglichkeit. Mit seinem Alurahmen und der serienmäßigen Carbongabel wiegt es einsatzbereit nur rund 16 Kilogramm, was für ein E-Bike bemerkenswert wenig ist. Der Bosch-Motor Performance Line SX liefert 55 Newtonmeter Drehmoment und wird von einem im Unterrohr integrierten 400-Wh-Akku gespeist, der für Camper-typische Ausflüge völlig ausreichend dimensioniert ist.
Die Sitzposition auf dem Centurion ist zwar sportlich gestreckt, bleibt aber auch auf längeren Strecken angenehm. Die breiten Maxxis-Reifen sorgen in Kombination mit der Carbongabel für überraschend guten Komfort. Praktisch für Camper: Der vom Bike-Akku gespeiste Scheinwerfer ist serienmäßig verbaut, und mit einem zusätzlichen Akku-Rücklicht sind auch Fahrten bei Dunkelheit problemlos möglich. Wer das Rad ganzjährig nutzen möchte, kann es mit den flexiblen "Speedrocker"-Schutzblechen von SKS ausstatten und erhält so einen allwettertauglichen Begleiter.
Einen völlig anderen Ansatz verfolgt das i:SY P12 ZR Adventure, das sich als kompaktes SUV den E-Bikes positioniert. Mit seinen 20-Zoll-Stollenreifen, der Federgabel und vor allem dem innovativen Pinion MGU E1.12-Antrieb ist es ein technisches Highlight. Dieser Motor kombiniert Antrieb und 12-Gang-Getriebeschaltung in einer Einheit und arbeitet mit einem wartungsarmen Zahnriemenantrieb. Besonders komfortabel: Die Automatikfunktion, bei der man lediglich die gewünschte Trittfrequenz vorgibt und der Motor alles Weitere regelt.
Das i:SY überzeugt zudem mit einer gefederten Sattelstütze und einem besonders reichweitenstarken Akku mit 800 Wh, der auch ausgedehnte Touren ermöglicht. Mit einem Gewicht von 26,1 Kilogramm und einem Preis von 6.199 Euro ist es allerdings weder besonders leicht noch günstig. Dafür bietet es ein zulässiges Gesamtgewicht von 150 Kilogramm, was es auch für Touren mit Gepäck oder schwerere Fahrer geeignet macht.
Das Haibike Alltrail low richtet sich an Camper mit Offroad-Ambitionen und bietet als Besonderheit einen tiefen Durchstieg. Dieser macht nicht nur das Auf- und Absteigen bequemer, sondern erhöht auch die Sicherheit in schwierigem Gelände, wenn man spontan absteigen muss. Mit dem kraftvollen Bosch Performance Line CX-Motor und dem ausdauernden 800-Wh-Akku ist es bestens für anspruchsvolle Touren gerüstet. In der Variante 10.5 verfügt das Alltrail sogar über das ABS-Bremssystem von Bosch, das ein Blockieren des Vorderrads selbst bei Vollbremsungen auf losem Untergrund verhindern soll.
Für Camper mit knappem Stauraum oder Reisende mit kompakten Campervans sind Falträder oft die erste Wahl. Das Brompton Electric P Line ist hier der Klassiker schlechthin und kann auf ein Drittel seiner Länge und weniger als die Hälfte seiner Höhe zusammengefaltet werden. Seit 1980 wird es in fast unveränderter Form gebaut und ist mittlerweile auch mit Elektroantrieb erhältlich. Dieser besteht aus einem Williams-Radnabenmotor im Vorderrad und einem 300-Wh-Akku, der in einer kleinen Tasche am Lenker untergebracht ist.
Mit seinen schmalen 16-Zoll-Rädern ist das Brompton zwar nicht der Stabilitätsweltmeister, dafür aber äußerst wendig und agil. Trotz des faltbaren Stahlrahmens zeigt es sich erstaunlich verwindungssteif. Die Viergang-Nabenschaltung, die integrierte Beleuchtung und die Schutzbleche machen es zum idealen Stadtrad für Ausflüge vom Stellplatz zum nächsten Café oder Supermarkt. Mit einem Gewicht von nur 15,8 Kilogramm ist es zudem das leichteste Modell im Test und lässt sich problemlos verstauen und transportieren.
Das Tern Vektron ist ein weiterer Dauerbrenner den E-Falträdern und rollt nun in der vierten Generation an den Start. Neu ist der Zahnriemenantrieb, der den Bosch-Motor mit einer Shimano-Nexus-Fünfgang-Nabe verbindet. Diese Kombination macht das Fahrrad besonders wartungsarm und alltagstauglich – ein wichtiger Aspekt für Reisemobilisten, die unterwegs nicht auf Fahrradwerkstätten angewiesen sein möchten.
Besonders praktisch ist das werkzeuglos verstellbare Cockpit des Vektron, das sich schnell an unterschiedlich große Fahrer anpassen lässt. Im Fahrbetrieb zeigt sich das Tern agil, dank des verwindungssteifen Rahmens aber auch stabil. Die breiten Schwalbe-Reifen auf den 20-Zoll-Rädern sorgen für angemessenen Komfort auf unterschiedlichen Untergründen. Mit einem Gewicht von 24,5 Kilogramm ist das Vektron zwar deutlich schwerer als das Brompton, bietet dafür aber auch mehr Stabilität und Komfort. Kompakt gefaltet findet es problemlos in jedem Campervan Platz.
Wer beim E-Bike keine Kompromisse eingehen möchte und bereit ist, dafür tiefer in die Tasche zu greifen, findet im Riese & Müller Delite5 Pinion den Rolls-Royce den E-Bikes für Camper. Mit einem Preis von 8.399 Euro ist es zwar das mit Abstand teuerste Modell im Test, bietet dafür aber auch maximalen Komfort und Ausstattung.
Das vollgefederte Delite5 Pinion ist mit der gleichen innovativen Pinion-Motor-Getriebe-Einheit MGU E1.12 ausgestattet wie das i:SY P12 ZR Adventure. Diese kombiniert einen leistungsstarken Elektromotor mit einer integrierten 12-Gang-Getriebeschaltung und arbeitet mit einem wartungsarmen Zahnriemenantrieb. Die Vollfederung macht das Delite zu einem wahren Komfortwunder, das selbst auf schlechten Wegen oder Feldwegen ein sanftes Fahrgefühl vermittelt.
Mit einem Gewicht von 34,5 Kilogramm ist das Delite5 Pinion allerdings auch das schwerste Modell im Test und erfordert beim Verladen ins Reisemobil einiges an Muskelkraft. Wer zwei Bikes dieser Kategorie transportieren möchte, sollte über ein entsprechend großzügiges Stauraumangebot verfügen. Das zulässige Gesamtgewicht von 160 Kilogramm macht es jedoch auch für schwerere Fahrer oder den Transport von Gepäck geeignet.
Für Camper, die Wert auf maximale Sicherheit legen, bietet Riese & Müller auch eine Variante des Delite mit Bosch-Motor und ABS-Bremssystem an. Dieses verhindert ein Blockieren des Vorderrads selbst bei Vollbremsungen und kann gerade auf rutschigem Untergrund oder bei Nässe einen entscheidenden Sicherheitsvorteil bieten.
Alle getesteten Modelle zeigen, dass E-Bikes für Camper längst keine Nischenprodukte mehr sind, sondern ausgereifte Mobilitätslösungen für unterschiedlichste Ansprüche. Von sportlich-leicht bis komfortabel-vollgefedert, von kompakt-faltbar bis offroad-tauglich – für jeden Einsatzzweck und jeden Stauraum gibt es passende Lösungen. Angesichts der aktuellen Marktsituation mit leicht gedämpfter Nachfrage ist jetzt ein guter Zeitpunkt, um sich nach einem passenden Modell umzusehen. Die Händler haben reichlich Auswahl in ihren Verkaufsräumen, und technisch sind die aktuellen Modelle auf einem sehr hohen Niveau.
Im Überblick