Ein Elfer unter Strom? Für die Fangemeinde des Carrera ein unverzeihlicher Frevel. Mit Argusaugen werden schließlich bei jedem Modellwechsel, bei jedem noch so kleinen Facelift die Veränderungen betrachtet und oftmals zunächst heftig kritisiert. Und jetzt wagen es die Ingenieure in Zuffenhausen sogar, den 911, der intern 992.2 genannt wird, auf der Elektrowelle mitschwimmen zu lassen. Im ersten Moment dürfte die Empörung unter den Elfer-Jüngern ungeahnte Dimensionen erreichen.
Spätestens aber auf den ersten Kilometern mit dem T-Hybrid, der ausschließlich in der besonders sportlichen Version GTS zum Einsatz kommt, wird sich die Schnappatmung legen. Oder jetzt erst richtig einsetzen – denn mit den elektrischen Helferlein katapultiert sich der T-Hybrid auf eine neue Ebene, sozusagen in die nächste Galaxie. Schon bislang war der GTS mit seinen 480 PS (353 kW) alles andere als schwächlich. Doch mit der Modellpflege ist die Leistung jetzt auf 541 PS (398 kW) und der Hubraum des Sechszylinder-Boxermotors von 3,0 auf 3,6 Liter gewachsen. Das Drehmoment beträgt satte 610 Newtonmeter.
ELEKTRISCH, ABER NICHT LAUTLOS: DAS TRIEBWERK DES T-HYBRID ERWACHT MIT SONOREM KLANG
Von wegen elektrisch und damit lautlos – mit tiefem, sonorem Klang erwacht das Triebwerk kurz nach Mitternacht unter einem sternenklaren Himmel. Von der Elektrifizierung ist beim Anlassen der Maschine nicht einmal etwas zu erahnen. Der Zündschlüssel ist übrigens passé, wird jetzt von einem Starterknopf ersetzt, der traditionell aber weiterhin auf der linken Seite des Lenkrads liegt. Wir sind so früh unterwegs, weil für die erste Ausfahrt mit dem 911 Targa GTS die Autobahn möglichst leer sein sollte und wir später die Strahlen des Sonnenaufgangs einfangen möchten. Treffpunkt ist der Tetraeder auf der 80 Meter aufragenden Halde an der Beckstraße in Bottrop. Die in der Nacht zum Teil illuminierte, knapp 60 Meter hohe spektakuläre Skulptur auf dem Plateau, von der man weit ins Ruhrgebiet blickt, ist nicht nur ein beliebtes Ausflugsziel. Das Kunstobjekt aus Beton und Stahl mit seinen frei schwebenden Treppen ist auch ein idealer Platz, um den Elfer ins richtige Licht zu setzen. Denn hier oben herrscht – gerade um diese Uhrzeit – eine besondere Atmosphäre. Irgendwie näher an den Sternen.
Die Dunkelheit durchschneidet der mit Matrix-LED-Scheinwerfern ausgestattete Porsche jetzt auf dem Weg nach Bottrop mit unfassbarer Performance. Schon ein sanfter Druck aufs Gaspedal reicht aus, um den über alle vier Räder angetriebenen T-Hybrid geradezu explosionsartig vorwärtszutreiben. Es vergehen nur ein paar Atemzüge, um das Tempo von 100 auf 200 Kilometer pro Stunde zu erhöhen. Der Magen klebt derweil an der Wirbelsäule und löst sich danach keineswegs. Denn die Beschleunigungsorgie – ja, eine solche ist es tatsächlich – setzt sich ohne die geringste Unterbrechung fort. Bei 270 signalisiert ein Warnhinweis, dass der Luftdruck der Reifen für ein noch höheres Tempo nicht ausreicht. Die von Porsche angegebene Spitzengeschwindigkeit von 312 Kilometern pro Stunde haben wir demzufolge nicht erreicht. Auch mit dem Vorgänger wäre die zu schaffen gewesen. Doch beim Sprint aus dem Stand auf Tempo 100 hängt der T-Hybrid mit drei Sekunden laut Datenblatt den bisherigen GTS um 0,4 Sekunden ab. In diesem Bereich sind das Welten.
Diesen immensen Leistungssprung haben die Entwickler mit dem Performance-Hybrid-Antrieb erreicht. Diese besonders leichte Antriebseinheit setzt sich aus einem elektrischen Abgasturbolader (eTurbo), einer kompakten und leichten Hochvolt-Boost-Batterie, einer effizienten Leistungselektronik, dem neu entwickelten 3,6-Liter-Boxermotor sowie einem verstärkten Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe mit einer integrierten E-Maschine zusammen. Der eTurbo umfasst einen Elektromotor, der zwischen Verdichter- und Turbinenrad sitzt. Er ist direkt mit der Welle des Laders verbunden und kann sie unabhängig von der Motordrehzahl oder dem Lastzustand des Antriebs blitzartig auf Drehzahl bringen. Der volle Ladedruck steht jederzeit und vor allem spürbar zur Verfügung.
Gleichwohl fungiert der E-Turbolader unter Last als Generator, der bis zu elf kW elektrische Leistung erzielen kann. Mit diesem Strom wird der E-Motor im Doppelkupplungsgetriebe versorgt. Diese permanenterregte Synchronmaschine mit einer Leistung von 40 kW (55 PS) und einem Drehmoment von 150 Newtonmetern ist – wie beispielsweise auch im Panamera – komplett in das Getriebegehäuse integriert. Im Generator-Modus fließen bis zu 40 kW in die mit etwa 27 Kilogramm extrem leichte und aus Gründen der Gewichtsverteilung unter der Fronthaube platzierte Hochvoltbatterie. Die hat eine Bruttokapazität von gerade einmal 1,9 kWh. Größenmäßig ist der Akku mit einer herkömmlichen 12-Volt-Starterbatterie vergleichbar. Für den T-Hybrid hat Porsche auch diese speziell neu entwickelt. Sie wiegt lediglich sieben Kilogramm und ist nur 90 Millimeter hoch. Das alles macht sich beim Fahren nachdrücklich bemerkbar. Dabei sind es keinesfalls nur das Leistungsangebot und der E-Turbolader, die die starke Performance ermöglichen. Überragend, wie immer bei Porsche Modellen, ist auch die Abstimmung des Fahrwerks. Dank der serienmäßigen Hinterradlenkung bietet der GTS E-Hybrid ein Höchstmaß an Agilität.
Das stellt der Porsche dann auf der Rückfahrt bei strahlendem Sonnenschein und offenem Targadach zunächst auf der Landstraße mit vielen Richtungswechseln, später auf lang gezogenen Autobahnkurven eindrucksvoll unter Beweis. Der Elfer lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen, reagiert wunderbar direkt auf jede Lenkbewegung und bleibt konsequent in der Spur. Besser geht’s nicht – denn auch schlechte Fahrbahnabschnitte werden für die Insassen keine Marterstrecken.
Und der Verbrauch? Mit der Bezeichnung Hybrid ist fast zwangsläufig der Hinweis auf ein Plus an Sparsamkeit verbunden. Beim Vergleich des bisherigen GTS mit der Neuauflage trifft das aufgrund des Leistungszuwachses mit etwas gutem Willen sogar zu.
EIN LEUCHTEN IN DER DUNKELHEIT: MIT DEM 911 GTS KOMMT MAN DEN STERNEN NÄHER
Laut Porsche liegt der WLTP-Wert wie beim GTS Vorgänger bei 10,5 Litern für die 100-Kilometer-Distanz. Das tatsächlich in der Praxis zu erfahren, fällt allerdings schwer. Denn der 911 hängt dermaßen großartig am Gas, dass der rechte Fuß immer mal wieder gern ein wenig stärker aufs Pedal drückt.
Doch selbst bei wirklich schneller Fahrt, wie wir es in der Nacht erlebt haben, sind die 13,6 Liter im Durchschnitt noch durchaus akzeptabel. Unterm Strich zeigte der Bordcomputer nach knapp 1.000 gefahrenen Kilometern einen Wert von 11,1 Litern an – für einen Sportwagen mit diesem Leistungsangebot keineswegs galaktische Dimensionen. Die tun sich eher beim Blick in die Preisliste des 911 Targa 4 GTS als T-Hybrid auf. Mindestens 192.900 Euro müssen investiert werden, um diesen Porsche zu besitzen. Die Individualausstattung des Testwagens schlägt mit weiteren 30.000 Euro zu Buche. Aber dafür fährt man auch in anderen Sphären.