Porsche 911 GT3Beflügelnd

Joshua Hildebrand

 · 19.03.2021

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Foto: Porsche

Start frei für den neuen Porsche 911 GT3! Mit 510 Sauger- PS, neuer Vorderrad­aufhängung und verbesserter Aerodynamik ist er nun noch mehr „Rennwagen für die Straße“ als jemals zuvor

Es gibt Dinge, die passieren nicht so oft – dementsprechend besonders sind sie. Etwa totale Sonnenfinsternisse. Wussten Sie, dass der zeitliche Abstand zwischen zwei solcher Ereignisse an einem Ort locker mehrere hundert Jahre liegen können?

Was das eigentlich mit diesem Porsche hier zu tun hat? Nun ja … 1999 fand hierzulande die letzte total Sonnenfinsternis statt. Genau im selben Jahr erblickte der erste Porsche 911 GT3 das Licht der Welt – ein Zufall?! Damals auf Basis der 996er-Elfers. Mit 3,6 Liter-Boxer, 7.800 Umdrehungen, 360 PS, 6-Gang-Handschaltung. Ohne Rücksitzbank, aber mit Schalensitze brachte er es auf ein Leichtgewicht von 1.350 kg. Der 996 GT3 umrundete die Nordschleife damals als erstes Serienauto in unter acht Minuten. Am Lenkrad war niemand Geringeres als Walter Röhrl. Seither passiert es etwa alle sieben Jahre, dass eine neue Generation von der Leine gelassen wird – etwas ganz Besonderes im 911-Zyklus. Denn kaum ein anderes Zuffenhausen-Modell verkörpert die DNA der Marke so sehr wie der GT3 – ein Zugeständnis an die Wurzeln der Marke. Und deshalb ist sich Porsche sicher: Auch in Zeiten von E-Auto und Co. passt dieser Sportwagen ins Programm. Kaum ein anderer zelebriert hohe Drehzahlen so sehr wie das GT-Modell. Natürlich auch in Generation sieben, die in fast allen Belangen nochmal eine Portion nachgelegt hat. Mit Porsche-Werkspilot Lars Kern am Steuer umrundete der neue GT3 in unter sieben Minuten die Nordschleife, war somit fast eine Minute schneller als vor gut 20 Jahren.

Super-Sauger!

Trotz Euro-6-AP-Hürde bleibt es beim Sechszylinder-Boxermotor mit vier Litern Hubraum, nun jedoch mit OPF. Das Langstreckenrennen-erprobte Triebwerk des 911 GT3 R (ähnlich zum 911 GT3 Cup) leistet in jüngster Ausbaustufe 510 PS und 470 Nm (+ 10 PS, + 10 Nm). Ein Blick aufs Datenblatt offeriert schwindelerregende Drehzahlen: Die Maximal-Leistung liegt bei 8.400 Touren an, das maximale Drehmoment bei 6.100 Umdrehungen.

Dort wo die meisten Brot-und-Butter-Benziner in den Bereich des Begrenzers kommen, legt der Hecktriebler erst richtig los.

Eine der größten Neuerungen sitzt in der Front. Hier verbauten die Schwaben erstmals eine Doppelquerlenkeraufhängung, welche die Radführung im Vergleich zur vorherigen McPherson-Aufhängung präzisieren soll. Hinzu kommt eine ausgefeiltere Aerodynamik inklusive hängendem „Schwanenhals-Heckflügel“, der die Luftverwirbelungen minimieren und die Downforce maximieren soll. Auch der Diffusor trägt Anleihen aus dem Motorsport und stammt in gewissem Maße vom GT-Rennwagen 911 RSR. Beide Bauteile lassen sich sogar manuell verstellen: In der Performance-Position (speziell für Rundstreckenausflüge) kann der aerodynamische Anpressdruck für noch höhere Kurvengeschwindigkeiten signifikant gesteigert werden. Doch bereits in der Normal-Einstellung verspricht Porsche, dass Generation 7 des GT3 deutlich mehr Abtrieb bietet, ohne den Luftwiderstandsbeiwert (cW-Wert) nennenswert zu beeinflussen. Und trotz breiterer Karosserie, größerer Räder und zusätzlicher technischer Features ist das Gewicht des neuen GT3 im Vergleich zum Vorgänger auf vergleichbarem Niveau. Noch höhere Kurvengeschwindigkeiten sollen nicht zuletzt auch aufgrund der erstmals optional erhältlichen Semislicks Michelin Pilot Sport Cup 2 R möglich sein.

Gute Nachrichten für Puristen: Neben einem 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe bietet Porsche nach wie vor ein Sechsgang-Schaltgetriebe an. Mit beiden schafft er es auf einen Topspeed von gut 320 km/h, womit er sogar schneller ist als der bisherige GT3 RS. Mit PDK beschleunigt er von null auf 100 km/h in nur 3,4 Sekunden.

Mit Schaltgetriebe wiegt er 1.418 Kilogramm, mit Automatik steigt das Gewicht auf 1.435 Kilogramm – immer noch weniger als das des VW Golf. Weil das Gewicht in direkter Abhängigkeit zur Performance steht, besteht die Fronthaube nun aus kohlefaserverstärktem Kunststoff (CfK) und die Scheiben aus Leichtbauglas. Zudem drehen sich serienmäßig geschmiedete Leichtmetallräder in 20 (vorn) beziehungsweise 21 Zoll (hinten) in den Radhäusern. Gestoppt werden diese über die serienmäßige Stahlbremse mit auf 408 mm vergrößerten Scheiben vorn und 380-mm-Scheiben hinten. Keramikbremsen gibt es selbstverständlich wieder optional. Ganze zehn Kilogramm spart die Leichtbau-Sportabgasanlage, die dank stufenlos elektrisch verstellbaren Abgasklappen den neuen Immissionsvorschriften gerecht wird. Herausgekommen ist laut Porsche dennoch ein „höchst emotionales Sound-Erlebnis“.

Der „Track-Screen“ ist neu

Die Nähe zum Rennsport drückt sich praktisch in allen Details des neuen 911 GT3 aus. Das Cockpit entspricht jenem der aktuellen Modellgeneration und lässt sich auch zukünftig wieder mit einem Clubsport-Paket ausrüsten – sogar aufpreisfrei! Auf Wunsch gibt es dann einen Überrollkäfig aus Stahl, lackiert in Schwarz samt Vorrüstung für einen Batterietrennschalter, einen leichten Motorsport-Handfeuerlöscher sowie 6-Punkt-Gurt für die Fahrerseite. Neu ist der sogenannte Track-Screen: Per Knopfdruck reduziert er die Digitalanzeigen links und rechts des zentralen, bis 10.000 Touren reichenden Drehzahlmessers auf Informationen wie Reifendruckanzeige, Öldruck, Öltemperatur, Füllstand des Kraftstofftanks und Wassertemperatur, die für den Rundstreckeneinsatz wesentlich sind. Hierzu zählt auch ein optischer Schaltassistent mit farbigen Balken sowie einem aus dem Motorsport abgeleiteten Schaltblitz. Apropos schalten: Trotz PDK gibt es nicht den normalen Schaltstick in der Mittelkonsole, sondern einen „echten“ Schalthebel, der dem Fahrer neben den Wippen am Lenkrad auch sequenzielles Schalten (Hebel ziehen und drücken) ermöglicht. Da laut Porsche vor allem GT-Kunden gerne auf Individualisierungen zurückgreifen, bieten die Schwaben das vielseitige Programm von Porsche Exclusive zur Veredelung an. Auf Wunsch lässt sich zum Beispiel der neue Farbton „Sharkblue“ auch auf der Felge oder am Lenkrad bestaunen. Ausstattungsdetails wie die Zifferblätter des Drehzahlmessers und der Sport-Chrono-Uhr sowie Sicherheitsgurte und Zierleisten in Wagen- oder Wunschfarbe runden das Angebot ab. Den ausgefallenen Wünschen sind (fast) keine Grenzen gesetzt. Nicht zu vergessen sind natürlich die GT3-spezifischen Optionen, wie das bereits genannte Clubsport-Paket, ein Carbon-Dach oder Carbon-Spiegel.

Wer noch mit dem Schwanenhals-Flügel hadert, der kann auch auf den unbeflügelten GT3 Touring warten – den hat Porsche ebenfalls in Aussicht gestellt. Der neue 911 GT3 ist ab sofort ab 167.518 Euro erhältlich, die Auslieferungen beginnen im Mai dieses Jahres.