Joshua Hildebrand
· 13.06.2022
GTS: ein äußerst populäres Kürzel unter den Porsche-Fahrern, das nun auch den neuesten Elfer (992) schmücken darf. Seine 480 PS und 570 Newtonmeter stammen erstmals von einem Biturbo, der Sauger der Vorgänger ist Geschichte. Ändert das seinen Charakter?
Richtig schnell fahren kann man nur mit einem Turbo? Wie Sie meinen. Ferdinand war da jedenfalls anderer Meinung. Seine Maxime lautete: „Jeder Porsche ist renntauglich.“ Ferdinand? Na, Ferdinand Alexander Porsche, der den allerersten GTS konzipierte: genauer gesagt das Mittelmotor-Coupé 904 Carrera GTS, das mit dem Sieg der bekannten Rallye „Targa-Florio“ im Jahr 1964 den Grundstein für die GTS-Modelltradition bei Porsche legte. Die Positionierung zum sportlichen Alleskönner erfolgte jedoch erst 1992 mit dem Transaxle-Modell 928 GTS. Dahingegen jung ist die Kombination GTS und 911: Sie gibt’s erst seit 2009 – mit dem 997.
Der erste GTS mit Turbo
So grooven wir uns in die bewegte Geschichte, dessen Neufassung nun auf dem 992 basiert. In nackten Zahlen bedeutet das 480 PS und 570 Newtonmeter. Das Besondere: Der Sauger bis zum 991.2 GTS ist Geschichte, zum ersten Mal ist der Elfer GTS zwangsbeatmet – und zwar doppelt.
Ein Blick auf das Kombiinstrument verrät: Öl und Kühlwasser haben endlich ihre Betriebstemperatur erreicht, auch die Reifen fühlen sich laut Reifentemperaturanzeige wohl – die hat der GTS nämlich standardmäßig an Bord. Worauf warten wir noch? Vollgas! Menschenskinder, das klingt ganz schön fetzig …
Klar, die Dämmung wurde im Innenraum reduziert, was den emotionalen Fahreindruck akustisch verstärkt. Außerdem hat der GTS die Sport- abgasanlage mit geändertem Endschalldämpfer. Kurzer Stopp, wir drehen am Lenkrad-Rädchen, wechseln somit in den Sport-Plus-Modus mit performance-orientierter Einstellung für Motor, Getriebe, Fahrwerk, Hinterachslenkung (sofern vorhanden) und aktiver Aerodynamik. Zudem wechselt der 8-Gang-Doppelkuppler PDK in die extra applizierte Schaltstrategie „Rundstrecke“.
Der GTS ist heiß – und wir sind es auch. Die Launch Control ist aktiv, die Drehzahlnadel des rot unterlegten Tachos schnellt auf 5.000. Der Blick ist fokussiert, die Hände werden schwitzig. Wir greifen das mit Race-Tex bezogene Lenkrad. Der linke Fuß schnellt vom Bremspedal, der GTS macht einen ordentlichen Ruck nach vorn, dreht den ersten Gang voll aus. Bei Sieben-Drei flutscht der zweite rein. Das geht so schnell, dass man annehmen könnte, mit dem optionalen Handschalter sei man schnell überfordert. Das 8-Gang-PDK aber lässt sich so schnell nicht aus der Ruhe bringen, kommt mit dem bärenstarken Drehmoment zwischen 2.300 und 5.000 Touren problemlos zurecht.
Noch bevor wir diese Zeilen überhaupt fertig geschrieben haben, eilt der Zuffenhausener binnen 3,4 Sekunden auf Tempo 100. Und weil wir zu Beginn dieses Tests nicht auf der Landstraße unterwegs sind, bleibt das Gaspedal natürlich voll durchgedrückt. Weniger als zwölf Sekunden vergehen auf 200 Sachen – Respekt! Ja, das ist mit Verlaub gesagt sauschnell und entspricht genau dem, was Porsche in seinen Daten angibt. Wer genügend Auslauf und Mut hat, kann mit dem GTS sogar über 310 km/h schnell sein! Ein Faszinosum ist die schiere Souveränität des Dreiliter-Sechszylinder-Boxers im Heck, der von zwei Turbos zwangsbeatmet wird. Der dreht so lüstern hoch, dass man aus dem Grinsen gar nicht mehr herauskommt, dazu ist die Kraftentfaltung über das gesamte Drehzahlband gleichmäßig, fast schon Sauger-ähnlich. GTS und Biturbo? Passt gut …
Fahrwerkstechnik vom Turbo
Wir nehmen Kurs auf die Curbs, schmeißen uns wollüstig in die nahende 90-Grad-Rechts, die ordentlich Unruhe ins Auto bringen müsste. Doch der heckgetriebene GTS bleibt ziemlich gelassen, federt maximal ein, schluckt so gut wie alle Störfaktoren einfach weg. Das Heck bleibt spurtreu und neigt nur bei Anwendung der fahrerischen Brechstange zum Übersteuern. Wenn es dann soweit ist, lässt sich instinktiv mit Lastwechseln spielen – auch weil der B6-Biturbo immer genug Drehmoment bietet.
Das narrensichere Fahrverhalten ist auch ein Verdienst des vom 911 Turbo abgeleiteten und speziell auf den GTS abgestimmten Fahrwerk mit Helper-Federn an der Hinterachse. Dadurch sind die Hauptfedern bei allen Fahrzuständen unter Spannung und der Ausfederweg bleibt erhalten. Eine 10-mm-Tieferlegung, speziell abgestimmte Dämpfer, Stabilisatoren und Regelsysteme tun ihr übriges. Damit gemeint sind auch Elektronik-Goodies wie das Porsche Torque Vectoring Plus (PTV Plus) in Verbindung mit der vollvariablen, elektronisch geregelten Hinterachs-Quersperre, welche die Momente blitzschnell zwischen beiden Hinterrädern verteilen kann – so wie es der Fahrer braucht. Und selbst ohne die optionale Hinterachslenkung lassen sich enge Kurven messerscharf sezieren. Und Porsche wird seinem guten Ruf auch bei der Lenkung gerecht: hervorragend mitteilsam, präzise, direkt. Jedoch nicht auf Kosten des Komforts. Porsche hat zudem die Bremsleistung der Serien-Stahlbremse (v/h: 408/380 mm) an die gestiegene Leistung des GTS angepasst. Unser Volle-Hütte- Testwagen verzögert mit aufpreispflichtigen Keramik-Stoppern zu knapp 9.000 Euro, was an den gelben Sätteln erkennbar ist.
Jene sind im Normalbetrieb kaum an ihre Grenzen zu bringen und nur für häufigere Rennstreckenbesuche verpflichtend. Allerdings – Stand Ende März – derzeit nicht verfügbar, weil „bei der PCCB eine starke Nachfrage festzustellen ist, was zu Kapazitätsengpässen geführt hat“, erklärt Porsche auf Nachfragen.
Kein Grund zur Traurigkeit, weil der GTS auch so wunderbar verzögert. Die Bremsleistung ist hüben wie drüben fein dosierbar, der Druckpunkt wandert selbst nach mehreren schnellen Runden nicht – einfach eine solide Sportbremse.
Genug Komfort für Alltag und Langstrecke
Aktuell bietet Porsche von der Ikone 911 über 20 unterschiedliche Ausführungen an, doch gibt es keinen anderen Elfer, der so eine große Spreizung zwischen Komfort und Sportlichkeit zulässt wie der GTS.
Dies merken wir als wir uns zur Ruhe setzen: Wir switchen in den Comfort-Modus und lernen die äußerst sanfte Seite des Sportcoupés kennen. Dann federt das PASM schön flauschig, die Klappenabgasanlage schließt konsequenter ihre Klappen, die Lenkung wird leichtgängiger. Und der Boxermotor verbraucht weniger – logisch. Auch wenn der Verbrauch bei Porsche-Fahrern vermutlich eher eine untergeordente Rolle spielt, sind wir erstaunt, dass man den GTS tatsächlich mit 10 Litern fahren kann – umgerechnet in die Porsche-Währung ein echter Hit. Der GTS kann aber auch anders: 16 Liter und mehr sind bei Vollgasfahrten gar kein Problem. Für solche Fälle bietet Porsche aber zum Glück die Option zur Vergrößerung des Kraftstofftanks von 64 Liter auf 90 Liter (190 Euro) an. Einen GTS-Käufer, der fürs Auto mindestens 144.000 Euro über die Ladentheke schiebt, werden aktuelle Benzinpreise aber wohl eher nur bedingt interessieren. Außerdem ist der Porsche 992 Gran Turismo Sport fast ein Schnapper, wenn man bedenkt, dass das Turbo-Modell 50.000 Euro (!) mehr kostet, aber nicht viel mehr kann. Jene Einsparung könnte man locker in Extras wie das Leichtbaupaket (8.401 Euro) investieren. Damit ließe sich das nicht so geringe Gewicht von 1.545 kg um 25 Kilos zu senken. Viel wichtiger ist jedoch, dass es zahlreiche Sport- Extras wie Vollschalensitze und Hinterachslenkung parat hält.
Elfer voll auf die Zwölf
Optisch sieht er richtig schmatzig aus: Im Sinne der Historie unterstreichen Änderungen im Exterieur den Performance-Anspruch. Ein differenziertes Bug- und Heckteil im Stile des Sport-Design-Pakets sowie Aero- optimierungen, dazu schwarz akzentuierte Anbauteile und ein schwarzer GTS-Aufkleber an der Flanke zeigen seine Gesinnung. Vom Turbo S stammen übrigens die 20, beziehungsweise 21 Zoll großen (v/h), schwarzen Leichtmetallräder mit Zentralverschluss. Abgedunkelte LED-Hauptscheinwerfer und Rückleuchten setzen sich von der karminrot lackierten Karosserie (2.713 Euro) ab. Der Innenraum ist GTS-typisch von sportlicher Chicness geprägt, welche serienmäßig durch das alcantara-
ähnliche Race-Tex entsteht und mit Interieurpaketen weiter verfeinert werden kann. So ist unser Testwagen mit dem GTS-Interieurpaket in Rot veredelt, was mit der Zwangsoption des Carbon-Pakets zusammen 6.760 Euro kostet. Die Kopfstützen ziert ein gestickter schwarzer GTS-Schriftzug. Zudem sind das Sport Chrono-Paket mit Mode-Schalter und die Porsche Track Precision App bereits serienmäßig an Bord. Der GTS besitzt darüber hinaus bereits die sechste, erst kürzlich eingeführte Generation des Porsche Communication Managements (PCM) mit Streaming- Diensten wie Apple Music, Android Auto ist zum ersten Mal auch eingebunden. Genauso up to date zeigt sich der GTS bei den Assistenzen, die es in vielfältiger Zahl zu konfigurieren gibt. Sie gipfeln auf Wunsch im teilautonomen System nach Level 2 (InnoDrive).
Das alles zeigt erneut, auf welchen Porsche-Kundenkreis der GTS abzielt: auf jene, die eigentlich jeden Tag einen wahren Sportwagen fahren wollen, aber auf ein gewisses Maß Komfort, Luxus und Assistenz nicht verzichten möchten. Und dafür ist er perfekt. Wieder einmal.
Test kompakt
Der 992 GTS ist der perfekte Sportwagen für jeden Tag und verglichen mit anderen potenten Carreras fast schon ein preislicher Schnapper. Kein Elfer meistert die hohe Spreizung aus Sportyness und luxuriöser Alltagstauglichkeit besser als der Gran Turismo Sport – das war schon immer so und beweist natürlich der Neue wieder. Das liegt auch daran, dass er sich beim Fahrwerk am Turbo-Modell bedient. Noch sportlicher sind nur die GT-Modelle.