Saubere Brennstoffe?! – E-Fuels

Saubere Brennstoffe?! – E-FuelsFoto: David Altrath
Vorzeichen: Fast jedes Auto könnte E-Fuels tanken, woran es zurzeit noch mangelt, sind Zapfstellen
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Die Autowelt hält Ausschau nach sauberem Brennstoff. E-Fuels scheinen eine Lösung zu sein. Gegen den synthetischen Sprit gibt es in der Klassiker-Gemeinde aber Vorbehalte – zu Recht?
Vorerst sind in der Porsche-Pilotanlage 130.000 Liter Sprit pro Jahr vorgesehen, bis 2030 sollen es 550 Millionen Liter werden
Foto: Porsche AG

Hustend und sprotzend kämpft sich der sonst so leichtfüßige 911 SCRS die Gerade oberhalb der Kehren von Hochkelberg hoch und mancher in der Fangemeinde des Eifel Rallye Festivals verzieht schmerzhaft das Gesicht. Das war’s, befürchten viele. Einen Tag zuvor stand Fahrer Wolfgang Inhester bei der Willkommensparty auf der Bühne und warb für einen neuen Treibstoff, der die Oldtimer-Gemeinde wie auch den Motorsport in eine unbedrängte Zukunft führen soll. Der frühere Beifahrer von Achim Warmbold ist der Erste, der bei der größten historischen Rallye-Veranstaltung auf deutschem Boden mit E-Fuel an den Start gegangen ist. „Ich bin jetzt der Erste, aber wäre das nicht schön, wenn vielleicht in einem Jahr schon ein Drittel des Feldes mit E-Fuel an den Start gehen würde?“, meint der Deutsche Meister von 1980.

Die deutsche Klassik-Gemeinde spürt den Druck: Veranstalter beklagen zunehmend Widerstand bei der Genehmigung von Strecken, die Behörden lehnen ab. Früher wurden sie als rollendes Kulturgut beklatscht. Heute sind auch die Klassiker in Verruf geraten – etwa durch die Dieselgate-Affäre und die folgende Ablehnung des Automobils durch Teile von Öffentlichkeit, Medien und Politik. Viele sehen in einem nachhaltigen Treibstoff die einzige Lösung, der Oldtimer-Gemeinde langfristig Auslauf zu sichern. Aber es geht die Angst um, dass derartiger Sprit den Motoren schaden könnte. Inhester gibt Entwarnung: „Das Problem in der Eifel war schlicht ein Defekt an der Zündung und hatte nichts mit dem Sprit zu tun. Der Motor verbrennt sogar sauberer mit E-Fuel.“

Bewertung

Die diffuse Furcht vor dem neuen Treibstoff resultiert vor allem aus dem Mangel an Wissen darüber, was E-Fuels eigentlich sind. Häufig werden sie fälschlich als „Biosprit“ deklariert und mit aus Nutzpflanzen gewonnenen Kraftstoffen in einen Topf geworfen. Die hierzulande aus Raps, Rüben oder Getreide gewonnenen Sorten galten nach der Jahrtausendwende als goldener Zukunftsweg. Die EU schrieb 2008 eine Beimischung von mindestens fünf Prozent vor (E5). 2011 steigerte sich der Anteil auf zehn Prozent. In Indonesien mussten Urwälder Platz machen für Palmölplantagen zur Dieselgewinnung. In Brasilien wuchsen Mais, Soja und Zuckerrohr auf früheren Naturflächen. Die Biokraftstoffe der ersten Generation sind nicht zuletzt deshalb ein Auslaufmodell, weil die Anbauflächen in der Nahrungsmittelproduktion fehlen.

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Biosprit der zweiten Generation wird daher aus Pflanzenabfällen oder Algen gewonnen und könnte theoretisch rund zehn Prozent des Bedarfs decken. E-Fuels dagegen sind rein synthetisch hergestellte Kraftstoffe. Die wichtigsten Rohstoffe sind Wasserstoff und Kohlendioxid. Weil Wasserstoff in der Natur kaum ungebunden vorkommt, muss er durch Elektrolyse gewonnen werden, also die Aufspaltung von Wasser zu Wasserstoff und Sauerstoff mit elektrischem Strom (daher E-Fuel). Für den Verbrennungsvorgang selbst ist die Herstellungsmethode völlig unerheblich. „Den Kohlenwasserstoffketten ist es egal, ob sie aus der Fabrik oder aus dem Bohrloch kommen“, sagt ein Ingenieur. Wer bisher problemlos an der Tankstelle E10 einfüllen konnte, kann auch E-Fuel tanken. Motoren, die E10 nicht vertragen, lassen sich mit entsprechenden Additiven schützen.

E-Fuels sind Designer-Kraftstoffe

Der im Labor entwickelte Designer-Sprit liegt bei 92 bis 95 Oktan. Die Beimischung von Biosprit der zweiten Generation erhöht die Oktanzahl zur Verbesserung der Klopffestigkeit bis auf 98 (Super Plus) oder bei Hochleistungsmotoren noch weiter. Diese „Oktan-Booster“ bestehen aus Ethanol, einer Alkoholverbindung mit zwei Nachteilen: Sie ist flüchtig und verdampft leicht, womit gerade bei Autos mit langen Standzeiten wie Klassikern die Benzinqualität sinkt. Außerdem ist Ethanol hygroskopisch, zieht also Wasser an, das einige Aluminiumoder Messinglegierungen korrodieren lässt und manche Kunststoffverbindungen wie zum Beispiel bei Dichtungen beschädigen kann. Im Prinzip lässt sich E-Fuel mit ausgesuchten Kohlenwasserstoffen auch ohne Booster auf über 98 Oktan bringen. Das synthetische Benzin zersetzt sich auch nicht. „Das ist gerade für Museen sehr interessant“, verspricht Aleksandar Musikic vom Unternehmen P1.

Mit 30 Mitarbeitern ist das Start-up aus Berlin im Ölgeschäft ein Zwerg, will aber zum Riesen wachsen und hat sich dafür ein extremes Erprobungsfeld ausgesucht. Seit 2022 rüstet P1 die Rallye-Weltmeisterschaft mit fossilfreiem Benzin aus. Nennenswerte Motorschäden hatte in den bisherigen rund zwei Jahren lediglich Škoda. Andrea Hlaváček, bei den Tschechen für Rennmotorenentwicklung und Qualitätssicherung verantwortlich, versichert aber: „Das hatte nichts mit dem Benzin zu tun, sondern mit Luftverunreinigungen im Ansaugtrakt.“

Das technische Datenblatt von herkömmlichem Super Plus nach der EU-Norm EN228 ist mit dem von E-Fuel mit 98 Oktan völlig identisch. Aber im Gegensatz zu aus Rohöl gewonnenem Benzin „aromatenfrei“ – sprich: ohne natürliche Verunreinigungen. Gewöhnlicher Sprit hat eine gelbliche Farbe, synthetisch hergestelltes E-Fuel ist eine klare Flüssigkeit. Der erfreuliche Nebeneffekt ist eine sauberere Verbrennung. Allerdings ist der Treibstoff etwas dünnflüssiger. Als Jochen Mass im Vorjahr mit einem Mercedes 300 SL mit E-Fuel die Mille Miglia bestritt, fanden sich leichte Spritrückstände im Ölkreislauf der Benzinpumpe. Der Flügeltürer überstand das Experiment aber ebenso klaglos wie Porsches allererster Prototyp. Der 356 Typ 1 rollte bei der Porsche Rennsport Reunion in Laguna Seca problemlos mit E-Fuel. Die Porsche-Ingenieure haben auch schon in diversen anderen Modellen den Saft aus dem Labor erprobt.

Die wichtigsten Rohstoffe für E-Fuels sind Wasserstoff und Kohlendioxid

Vorerst sind in der Porsche-Pilotanlage 130.000 Liter Sprit pro Jahr vorgesehen, bis 2030 sollen es 550 Millionen Liter werdenFoto: Porsche AGVorerst sind in der Porsche-Pilotanlage 130.000 Liter Sprit pro Jahr vorgesehen, bis 2030 sollen es 550 Millionen Liter werden

Porsche setzt sich für E-Fuels ein

Für Porsche ist das Thema essenziell. Porsche-Chef Oliver Blume hat sich als erster Vorstandschef der deutschen Autoindustrie aus der Deckung gewagt und seinen Glauben an eine Zukunft von synthetischem Benzin bekundet. Kritiker verunglimpfen die neue Technologie als Fata Morgana und weisen darauf hin, dass dieser CO 2 -freie Wundersprit nirgends erhältlich ist. Tatsächlich ist die Anlage von Porsche-Partner HIF in Südchile keine echte Produktionsstätte, sondern eine Versuchsanlage. Ein noch ungelöstes Problem der jungen Technologie ist die Gewinnung des Kohlendioxids. Das fällt hoch konzentriert als Abfallprodukt industrieller Prozesse wie der Düngemittelherstellung an. Das Herausfiltern des Treibhausgases aus der Umgebungsluft wäre eine attraktivere Lösung, ist aber bisher noch zu energieintensiv.

Porsche-Ingenieure haben schon in verschiedenen Modellen E-Fuels erprobt

„Wir stehen ja noch ganz am Anfang“, sagt Christian Nikolai beruhigend. Der Essener arbeitet für Fuelmotion, eine Firma, die den Handel mit E-Fuels vorantreibt. Bisher verfügt man mit etwa 1.200 Litern auf Lager über eine eher homöopathische Menge, aus der sich auch Wolfgang Inhester bedienen durfte. Fuelmotion bezieht seinen Kraftstoff vom arabischen Ölkonzern Aramco. Die Saudis bauen gerade eine Versuchsanlage im spanischen Bilbao auf, in Arabien entsteht eine deutlich größere Produktion, die im kommenden Jahr betriebsbereit sein soll. Der Kritik über den Mangel an verfügbarem E-Fuel begegnet ein Aramco-Manager gelassen: „Wir können in fünf Jahren fossilfreies Benzin in industriellem Maßstab herstellen, wenn es die Politik denn wünscht.“

Die steht aber in Brüssel im Allgemeinen und in Deutschland im Besonderen noch auf der Bremse. Auch wenn der Anteil erneuerbarer Energie stetig wächst, ist die zur Verfügung stehende Menge – nicht zuletzt durch die vorangetriebene Elektrifizierung von Autos oder Heizungen – noch viel zu gering. Und so geht es in den Debatten oft nur vordergründig um Sinn und Unsinn weiterer alternativer Antriebsformen. „Was wir zurzeit erleben, sind vor allem Verteilungskämpfe“, sagt Toyotas Verwaltungsratspräsident Akio Toyoda.

Ein wichtiger Kritikpunkt an der neuen Technik ist der Preis. Weil der Energieaufwand im Vergleich zur Gewinnung rein elektrischer Energie fünfmal höher ist, machte der frühere VW-Konzernchef Herbert Diess gern die Milchmädchenrechnung auf, dass damit auch die Kosten fünfmal höher lägen. Tatsächlich liegt der Preis an der einzigen deutschen E-Fuel-Tankstelle in Berlin bei etwa fünf Euro pro Liter. Betreiber ist P1, wo man eine eigene Produktion in Deutschland aufbauen will, die 2025 in Betrieb gehen soll. Das Unternehmen hat schon angeboten, die Fahrdienstflotte des Deutschen Bundestags mit fossilfreiem Sprit zu versorgen.

Wirtschaftsminister Christian Lindner, bekennender Porsche-Fahrer und E-Fuels-Befürworter, stellt Steuervorteile in Aussicht. Schließlich ist der Benzinpreis maßgeblich eine Frage der Besteuerung. In der Ölindustrie räumt man ein, dass nennenswerte Mengen wohl erst ab 2030 zur Verfügung stehen. Was die reinen Produktionskosten angeht, kalkuliert man bei Aramco mit 80 Cent pro Liter – gerade mal 20 Cent mehr als bei herkömmlichem Rohöl.