Porsche-MenschenHugo Brennfleck und sein Porsche 356 – Guter Jahrgang

Porsche-Menschen: Hugo Brennfleck und sein Porsche 356 – Guter JahrgangFoto: Markus Bolsinger
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Franken im Herbst: Zeit der Weinlese, Zeit der letzten warmen Tage. Hier keltert Hugo Brennfleck edle Tropfen – und fährt mit seinem 356er Cabrio, Baujahr 1953, durchs Land.
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Der Motor surrt leise wie eine müde Mücke im Herbst. Und doch jagt das rote 356er Cabriolet mit Kraft und Tempo nach vorn, als Hugo Brennfleck Gas gibt. Der Wagen kurvt nach links, kurvt nach rechts, weicht einem Kaffeebecher aus, prescht über ein paar gelbe Post-it-Zettel und stoppt schließlich vor einem Aktenordner mit der Aufschrift »Düngen, Pflanzenschutz«. Brennfleck zieht den Zündschlüssel ab, das Surren des Motors erstirbt. Dann nimmt er das rote Cabrio vom Schreibtisch, entfernt den Gummipfropfen der Fernbedienung vom Lenkrad und stellt den Wagen wieder in seine Glasvitrine. »Fährt wie am ersten Tag«, sagt Hugo Brennfleck und lacht.

Links der Main, rechts die Rebhänge. Es geht durchs Sulzfelder Maustal, »beste Lage für Silvanertrauben«. Der Motor brummt wie eine satte Hornisse.

Neun Exemplare des »Porsche Electromatic 7500 FS« hat Brennfleck in seinem Büro hinter Glas geparkt. Raritäten des früheren Nürnberger Blechspielzeug-Herstellers Johann Distler. Allesamt mit Zündschlüssel, Zweiganggetriebe, Drahtspiralen-Fernbedienung und vor allem einem Antrieb ausgestattet, der seiner Zeit weit voraus war: einem Elektromotor, doppelt kugelgelagert und batteriebetrieben. Für den Weinbauern Hugo Brennfleck sind die Mitte der 50-Jahre produzierten Blechmodelle des Porsche 356 Cabrios allerdings nur eine Spielerei. Ein Echo seiner wahren automobilen Leidenschaft.

Bewertung

Die gehört dem echten 356, dem ersten Serienmodell von Porsche, das von 1948 bis in die 60-Jahre gebaut wurde. Davon besitzt Hugo Brennfleck zwei besonders schöne Exemplare. Eins aus dem Jahr 1964, einen 356er SC in Schwarz, den bei Ausfahrten seine Frau fährt. Und ein perfekt restauriertes Modell des Baujahrs 1953 aus der Vor-A-Baureihe von vor 1955. Damit wollte der Weingutbesitzer eigentlich jetzt über die kleinen Landstraßen Unterfrankens kurven, entlang des friedlich mäandernden Mains, durch die reifen Rebhänge des Frühherbstes, durch Dörfer mit jahrhundertealten Fachwerkhäusern hinauf in die Frankenberge zu einem schön gelegenen Wirtshaus … Ein paar dunkle Wolken am Horizont aber verlagerten das Geschehen zunächst auf Brennflecks Schreibtisch. Denn wenn Regen dräut, dann reagiert Hugo Brennfleck sensibel. Beim Wein wie beim Oldtimer. Ein Schauer zur Unzeit, und eine vielversprechende Ernte ist hinüber. Was die sandgraue Lackierung seines seltenen 356er-Modells betrifft, vor allem auch das original erhaltene mahagonibraune Stoffdach des Cabriolets … »Noch nie einen Tropfen Regen abbekommen«, sagt Hugo Brennfleck mit der Gewissheit eines Weingutbesitzers, der die letzten Trauben eines Jahrhundertjahrgangs Minuten vorm ersten Herbststurm gelesen und sicher ins Kelterhaus gebracht hat.

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Kopfsteinpflaster und mittelalterliche Mauern bilden in Unterfranken die ideale Kulisse für einen Oldtimer wie den sandgrauen Porsche 356.

Jetzt scheint die Sonne. Die Straßen sind trocken, es hat letztlich gar nicht geregnet. Der sandgraue 356er rollt langsam aus der Garage. Routiniert manövriert Hugo Brennfleck den Wagen durch die engen Kopfsteingassen seines Heimatdorfes. Sulzfeld ist ein so fotogen wie verträumt wirkendes Dorf am Main, umgeben von 21 Wachtürmen. Die verwinkelten Straßen heißen Klostergasse, Pfarrgasse oder Grabenschütt. Zu Ruhm kam der Ort als Geburtsstätte der Meterbratwurst – der Verzehrrekord soll derzeit bei sechs Metern liegen. Hier nun hat Hugo Brennfleck Ungeheuerliches getan. Der Winzer, Spross einer 400 Jahre alten Weindynastie, baute mitten in das konservierte Mittelalter hinein ein Kelterhaus mit einer archaischen Beton-Architektur, die mehr nach Frank Gehry als nach Franken aussieht. Ein Skandal im Fachwerkidyll – bis Sulzfeld auch wegen Brennflecks Stilbruch beim Wettbewerb »Unser Dorf soll schöner werden« bundesweit den zweiten Platz belegte. Und auch beim Wein denkt Brennfleck weiter als viele. Hat auf aufwendige Handlese umgestellt und keltert so nur beste Trauben. Seine preisgekrönten Weine tragen den Namen Sulzfeld hinaus in die Welt. Der 54-jährige Winzer liefert bis nach Kanada und Japan. Und das ist wirklich beachtlich, galten Frankenweine doch traditionell eher als Schoppen, bei denen der Export nur bis zur übernächsten Gaststätte reichte.

Brennfleck gibt jetzt Gas. Der Motor brummt wie eine satte Hornisse. Links der Main, rechts die Rebhänge. Durchs Sulzfelder Maustal, »beste Lage für Silvaner-trauben«, wie Brennfleck versichert, durch Orte mit Namen wie Marktbreit, Uffenheim, Bullenheim. Es riecht würzig nach Benzin, nach altem Leder. Hugo Brennfleck, ein ruhiger, zurückhaltender Mann, erzählt jetzt. Wie er zu seinem seltenen Vor-A-Modell gekommen ist, wie er den Wagen in den Niederlanden ausfindig machte, erstaunlich gut erhalten, sogar der Vierzylinder-Motor mit 55 PS und 1.500 Kubik noch bestens in Form, wie er den Wagen sanft restaurieren ließ. Im Nachbarort hat ein früherer Porsche-Mitarbeiter als Ruhestandsprojekt eine alte, lange leer stehende VW-Werkstatt zu neuem Leben erweckt und bietet exklusive Spezialbehandlungen für Porsche-Oldtimer an. »Selbst schrauben hat mich nie interessiert«, sagt Brennfleck. Dafür ist er mit den Jahren zum »Selfmade-Experten in Sachen Originalteile« geworden. Hat, dank Internet, Stoßstangenhörner in Mexiko aufgetrieben, für nur 130 Euro. In Texas einen originalen Porsche-Aschenbecher aus den 50-Jahren für 100 Dollar, plus 100 Dollar fürs Verchromen, »der kostet bei uns mindestens 1.500 Euro«. Und schließlich ein altes Radio bei einem Spezialisten in Aachen, dafür musste allerdings eine vierstellige Summe investiert werden.

Neun Porsche 356 in der Glasvitrine und zwei in der Garage – das kann man wohl wahre Liebe nennen.

Seit einer Stunde geht es durch den unterfränkischen Herbst. Das Land strahlt Ruhe und Behaglichkeit aus. Eine Region im Gleichgewicht. Der Main teilt diesen besonders beschaulichen Teil Bayerns sauber in zwei Hälften. Neben Orten wie Unterpleichfeld und Untereisenheim liegt immer auch ein Oberpleichfeld und Obereisenheim. Die Nachbargemeinde von Sommerhausen heißt natürlich Winterhausen. Unterfranken erinnert ans Auenland aus Tolkiens Hobbit-Geschichten. Wegen der grünen Hügel am Fluss. Und auch wegen der Speisekarten der unzähligen Gasthöfe, die etwas von der Gemütlichkeit seiner Bewohner ausstrahlen. Man isst eben gern und viel, Schäufele, Hauswurst oder Sauerbraten. Im Steigerwald, nicht weit von Brennflecks Weingut, bietet ein Wirt eine Spezialitätenplatte namens »Brahaschni« an – selbst eingefleischte Einheimische schaffen den Berg an Bratwurst, Hacksteak und Schnitzel nur in Begleitung von reichlich fränkischem Silvaner. Auch Brennflecks Landpartie wird nun unterbrochen an einem Wirtshaus hoch in den Frankenbergen, mit Weitblick in die Ebene bis nach Bamberg. Grobe Bratwurst, Kraut, scharfer Senf, dazu ein Schoppen Silvaner. Es duftet süß nach Trauben aus den umliegenden Reblagen, die letzten Bienen des Jahres summbrummen in den Hagebuttensträuchern. Das »Fränggisch« von den Nebentischen umweht einen wie eine freundliche Brise.

Das Land strahlt Ruhe und Behaglichkeit aus. Eine Region im Gleichgewicht. Und mittendrin in der unter-fränkischen Harmonie: ein Porsche 356.

Doch am Horizont dräut es wieder dunkel. Herbst ist Herbst, trotz Bilderbuchkulisse. Hugo Brennfleck kontrolliert noch schnell mit einem hölzernen Messstab den Benzinstand im Tank, »Tankuhren gab es beim 356er erst ab 1955«, dann ist er wieder hinterm Lenkrad. Bloß kein Regen. Das Telefon klingelt. »Öchsle 96? Schmeckt nach Paprika? Holen wir morgen rein.« Winzer Brennfleck drückt aufs Gas, weg von den Wolken, erklärt: Seine Sauvignon-Blanc-Ernte steht an. Schmecken die Trauben nach grüner Paprika, sind sie so weit. Dann fallen erste Tropfen. Das Gespräch erstirbt, der Winzer ist nervös, und man weiß nicht: Sorge um die Ernte? Oder den Porsche? Zum Glück ist Sulzfeld schon wieder erreicht, Brennfleck rauscht übers Kopfsteinpflaster, Garagentor auf, Sicherheit.

Während draußen schon wieder die Sonne scheint, stellt Brennfleck im großen Saal des Weinguts eine Flasche Wein auf den Tisch, eine dickbauchige Bocksbeutel-Flasche, typisch fränkisch. Ein trockener Silvaner von goldgelber Farbe, der den Gaumen netzt wie der Morgentau das Rebenlaub im September. Es ist der letztjährige »Anna-Lena«, Bestseller des Weinguts und benannt nach Brennflecks ältester Tochter. Alle Trauben handverlesen. Der Gast trinkt jetzt allerdings allein. Hugo Brennfleck ist in der Garage und poliert mit einem feinen Lederlappen die Karosserie seines 356er.