Die Anfrage an das Forum scheint an Harmlosigkeit kaum zu unterbieten. Er wolle, fragt der Besitzer eines goldfarbenen Porsche, nur mal wissen, ob diese Farbe an Wert verlieren werde. Die Reaktionen lassen sich endlos scrollen. Schnell wird klar, dass das Adverb „nur“ auf Autolack bezogen unzulässig ist. Es kommen tröstende Beiträge: „Wenn du 20 Jahre wartest, ist die Farbe egal, außer es ist Pink.“ Gefolgt von der These, dass außergewöhnliche Farben in zunehmendem Alter eher wertsteigernd sind als das gewohnte Schwarz – Stichwort bonbonfarbene 964er. Ein anderer gibt einen Fahndungshinweis nach einem 996 4 S in Meteorgrau. Schnell verzetteln sich die User in einen Schlagabtausch, was nun als geschmackvoll zu gelten hat und was nicht. Porsche-Farben sind auf den ersten Blick ein wunderbar unverf ängliches Thema, auf den zweiten aber ein Thema, um im Nu die ganze Porsche-Community zu mobilisieren.
Echte Stimmungsmacher, acht Jahrzehnte Porsche-Farben sind so, als ob es Konfetti regnen würde. Kaum ein anderer Automobilhersteller treibt es so beharrlich so bunt. Sind es die Farben, sind es die Autos – oder funktionieren sie einfach so gut zusammen? Lack ist in diesem Fall mehr als nur die Schminke des Sportwagens. Er unterstreicht Leistung und Eleganz, multipliziert Ästhetik mit Emotion. Das eine färbt aufs andere ab. Seine Form, die klaren Linien, die kompakte Größe – allein dadurch sorgen klassische Sportwagen für eine bessere Wirkung der Farben. „Mut gehört natürlich dazu“, sagt Daniela Milošević, „den verlangen solche Autos auch.“ Erschrocken ist die Designerin, deren A rbeitsgebiet Colour & Trim lautet, von keiner Lackierung: „Farben sind polarisierend und müssen es sein, gerade die Porsche-Farben. Sie werden schon immer anders registriert als bei anderen Autos. Ein Porsche ist eindeutig, deshalb steht er auch für eindeutige Farben.“ Gefolgt von einem Statement aus der Praxis: „Einem Porsche steht aber auch alles.“
Sie muss es ja wissen. Im Weissacher Studio von Style Porsche kümmert sich Daniela Milošević um die Exterieur-Farben von heute und morgen, grundsätzlich wandert sie aber öfter auch ins Gestern: „ Schon früher waren Farben bei uns sehr wichtig. Die Farben der Klassiker spielen daher in meiner A rbeit eine große Rolle. Ich greife sie gern auf. Immer wieder gucke ich mir die Historie an, lasse mich inspirieren: Was hatten wir? Was können wir daraus entwickeln?“ So entstehen ganz neue, alte Farbtöne. Wiederentdeckungen und Neuinszenierungen, wie bei guten Theaterstücken. Die Geschichte der Sportwagen, ein einziger Farbverlauf.
Autofarben untermalen gleichermaßen den Charakter von Fahrer und Fahrzeug. Eine besondere Ausstrahlung, das gehört zum Zauber der Farben, sind sie doch etwas sehr Persönliches. Eine reine Typfrage: „Tatort“-Kommissar Richy Müller in Schokobraun, Tennis-Idol Martina Navratilova in Silberrosémetallic, Steve McQueen in Schiefergrau. Der Mensch glaubt ja gern, dass er das Auto ausstattet. Manchmal ist es aber v ielleicht auch umgekehrt. Wenn Sie einen Porsche in Burnusbraun entdecken, melden Sie sich ruhig bei uns, denn das gilt als eine der seltensten Farben. Ein bisschen schrill darf es ruhig auch mal sein, es schafft einen ordentlichen Kontrast zur sonstigen Strenge. Wie wäre sonst der Erfolg der Schrei-Farbe Sternrubin zu erklären? Auch so ein unschlagbarer Vorteil der Sportwagen: Sie dürfen in allem ans Limit gehen, das wird regelrecht von ihnen erwartet.
Geträumt wird nie in Schwarz-Weiß. Als Markenkommunikator Jürgen Aigner zum 75. Jubiläum von Porsche das Programm „Dream in full colour“ erdachte, war das ein Aufruf zum Bunt fürs Leben: „Porsche war schon immer bunt. Unver wechselbare Farben, die über Jahrzehnte hinweg zum Einsatz kamen. Sie spiegeln die Innovationskraft und stehen für die Kühnheit von Porsche.“ Historische Farben feiern ihr Comeback: Inzwischen sind über 100 der klassischen Töne auch für aktuelle Fahrzeuge erhältlich, lässt sich ein Taycan in alter gulf blauer Elfer-Herrlichkeit lackieren.
Farbe nach Wahl heißt das Programm mit den aufregenden Schattierungen. Mal dir dein Traumauto. „Mit fast keinem Ausstattungsdetail setzen Kunden ein so starkes Statement wie mit einer besonderen Farbe“, weiß Boris Apenbrink von Porsche Exclusive. Einer der ausgefallensten Wünsche an die hauseigene Farbmischbank in Zuffenhausen, wo alte Lacke frisch gemischt werden: das Fischsilbergraumetallic eines 356 wiederherzustellen. Denn für den Originallack waren tatsächlich echte Schuppen ver wendet worden. Klassische Porsche-Fahrer sind offenbar nicht besonders schreckhaft.
„Die Herausforderung liegt auch darin, dass die Lacke früher lösemittelhaltig waren“, sagt Dennis Kissling vom Restaurierungs-betrieb Ande Votteler. „Heutzutage arbeitet man aber fast ausschließlich mit Wasserbasis-Lacken. So kann es passieren, dass die Farbe nicht mehr so aussieht wie ursprünglich. Wir arbeiten mit unseren Partnern deshalb kontinuierlich daran, dass wir die Wasserbasis-Lacke so nah wie möglich an die Optik von damals angepasst bekommen.“
Die Farbtöne unserer Autos spiegeln nicht nur unsere eigenen, sondern auch die gesellschaftlichen Stimmungen und Entwicklungen wider. Sie illustrieren ein ganzes Sportwagen-Leben und sie verraten viel über das, was sich Zeitgeist nennt. Das ist leicht in einer bunten Reihe zu beweisen. Hielt sich der 356er in den Anfangsjahren gern noch bedeckt, in Schiefergrau oder Elfenbein, gab es aber auch beim ersten Porsche schon Condorgelb, Signalrot oder Ätnablau. Beim Blättern durch die Porsche-Kartei landen wir mitten beim 914, und die Flower-Power-Beweg ung nimmt sofort Gestalt an: Sonnengelb, Saturngelb, Signalorange, Bahiarot, Phönixrot, Oly mpiablau, Sambesigrün oder Ravennagrün. Und wenn wir noch ein bisschen weiter springen, zum 964, dann sind da bereits 98 Lackierungen im Programm, sogar Veilchenblau und Lindgrün, als sei man zu Tantes Geburtstag eingeladen. Was für eine Zeitreise, Lackkarten sind wie Landkarten des Geschmacks.
Die Porsche-Palette würde sogar ohne Hingucken funktionieren, als Hörspiel. Glauben Sie nicht? Dann lassen Sie sich die folgende Reihung vorlesen: Achatgrau, African-Queen-Gold-Metallic, Albertblau, Amarantrot, Amazonasgrün, Amethystmetallic, Apricotbeige, Aqua Marine, Amulettrot, Arenarot, Arktissilber, Arrowblau, Ascotgrau, Atlasgrau, Aventuragrün, Avussilber, Azzurro California. Wie das klingt – und wie das erst mit offenen Augen an einem Auto aussehen muss. Und das war nur ein Auszug unter A. Für alle Buchstaben gibt es eine Kartei, das X steckt dabei zumindest in URX Blue Metallic und das Y im Geysirgrün. Farben eröffnen Fantasie, das ist mit das Beste an ihnen.
Was für Ferrari das Rot, ist für Porsche das Grün. Eine Herzensangelegenheit, der Familie entsprungen. „Mein Vater verzichtete immer auf auffällige Farben und bevorzugte Grünnuancen wie Oak Green und Brewster Green“, erinnert sich der Aufsichtsratsvorsitzende Wolfgang Porsche, „auch meine Mutter mochte den Elfer besonders in Grün. Ich habe dieses Faible gerne übernommen und konnte mich so mit Begeisterung durch alle Modellgenerationen fahren.“ Dementsprechend wurde der einmillionste Porsche 911 in Irischgrün lackiert, einer Farbe, die es beim Elfer von Anbeginn gab. Grün ist die Farbe für das Unproblematische, sie wurde bisher in weit über 80 Nuancen verewigt. Es besteht keine Gefahr, dass ein Porsche an Farbe verliert.
Was macht für Sie eine Porsche-Farbe aus?
Sie muss ein Statement sein, Stärke zeigen. Das liegt schon in unserer DNA. Farbe ist bei Porsche deshalb besonders wichtig. Ein Sportwagen wird damit auffälliger. Mich fasziniert immer, wie diese Farben auf Autos wirken.
Nehmen Sie deshalb so gern historische Farbtöne auf?
Wenn aus Sternrubin eine Neo-Farbe wird, dann ergänzen wir sie durch das, was heute technisch möglich ist. Ich finde es cool, Farben von gestern auf den Porsche von heute zu bekommen. Wir probieren viel aus, dürfen das aber nicht überladen. Der Kern der Aussage darf nicht verloren gehen, wir verstärken ihn nur.
Holen Sie Ihre Farbideen nur aus alten Farbkarten?
Viele Trends kommen aus der Mode, doch die sind meistens schnelllebig. Diese übertragen sich dann aber auch auf Einrichtungsgegenstände. Die Menschen sehen diese Farben ständig, das Auge gewöhnt sich daran. Ich beobachte so etwas, dann fängt die A rbeit an.
Dürfen Sie eine Lieblingsfarbe haben?
Klar: Grün ist etwas, an dem ich mich nicht sattsehen kann. Aber als Designerin kann ich prinzipiell keine Farbe favorisieren, das würde die Kreativität einschränken.