Tack. Pause. Tack. Pause. Tack. Der beigegraue Elfer gibt dieses typische Geräusch beim Abkühlen von sich, als wolle er von seiner gerade zurückliegenden Ausfahrt durch Stuttgart berichten. Der farblich passende Boho-Teppich, die Kakteen und das Sonnensegel auf dem Vorplatz der Garage erinnern eher an Kalifornien. Im Innern der Halle entführen die Bilder an der Backsteinwand die eigenen Gedanken dorthin: Fotos vom „Luftgekühlt“-Event in den Universal Studios Hollywood, gegenüber Aufnahmen aus Venice Beach. Klar, dass auch eine „Luftgekühlt“-Cap nicht fehlen darf. Sie gehört Bastian Schramm. Genauso wie der Porsche, der auch Minuten später noch leise tackt. Der Elfer hat in der ehemaligen Schmiede direkt unter einem Traumfänger – ein Überbleibsel der Vormieter – sein Zuhause gefunden. Schramm selbst ist nicht esoterisch. Sein Elfer ist aber ein Projekt, das beim einen oder anderen Träume weckt. Der Leiter Marketing Porsche Deutschland kuratierte all das, was ihm am Porsche 911 über die Jahrzehnte am besten gefallen hat. „Die Begriffe Restomod oder Backdate passen nicht ganz dazu. Und ich mag sie auch nicht besonders“, sagt er.
Vor zehn Jahren kaufte er über einen Klassik-Händler das 3.2-Liter-G-Modell, Baujahr 1986, aus Japan mit 58.000 Kilometern. Ein „ungeliebtes Kind“ mit schlechtem Lack, dafür aber verdammt schnell. Heute sind es exakt 122.222 Kilometer. Betrachtet man die Bilder des ursprünglich schwarzen Coupés, wirkt es, als sei das Auto einmal durch den Atari-Retro-Computer gebeamt worden, an dem Schramm ab und zu Pac-Man spielt. Bei einer Ausfahrt durch den Schwarzwald mit Michael Mauer und Curves-Herausgeber Stefan Bogner neckte Bogner ihn damit, dass sein Auto ja wohl nicht sehr vorzeigbar sei. „Sosehr ich die Patina meines Boliden mochte und sie mich veranlasste, bei jedem Wetter zu fahren, war Stefans Kommentar nicht ohne Wirkung.“ Zunächst fällt er fast rückwärts um, als er den Kostenvoranschlag des Lackierers bekommt. Dann denkt er sich: „Okay, das machen wir jetzt gleich richtig.“
Richtig bedeutet: auf die Optik des F-Modells zurückzugehen und die Karosserie aus GFK-Leichtbauteilen fertigen zu lassen. Das Heck ziert ein Entenbürzel, wie man es vom Carrera RS 2.7 kennt. „Insgesamt kommt er dem S/T am nächsten – auch wenn der kein Bürzel hatte“, sagt Schramm. Schließlich stand der S/T damals für die perfekte Symbiose aus Technik und Leichtbau. Die Kunststoffverglasung hilft zusätzlich dabei, das Auto unter 1.100 Kilogramm zu drücken – bei 260 PS. Unter dem GFK-Kleid sitzt nach wie vor der Originalmotor – etwas optimiert. Auch die Bremsen entsprechen noch der ursprünglichen Version. Generell kamen nur Porsche-Originalteile zum Einsatz.
„Manche haben mich für verrückt erklärt, weil ich einerseits auf Leichtbau gesetzt habe, andererseits aber noch ein Schiebedach drin habe“, sagt Schramm. „Für mich gewinnt aber die emotionale Geschwindigkeit im Vergleich zur gemessenen Geschwindigkeit.“ Etwa in den Momenten, in denen sich der 46-Jährige einen Alpenpass hochschraubt und sich die Sonnenstrahlen durchs Schiebedach winden.
Heute haben wir keine Gipfel erklommen, sondern uns durch den Stuttgarter Stadtverkehr geschummelt. Man merkt schnell: Der Elfer meistert auch das. Doch technische Finessen wie das Sperrdifferenzial, die Turbo-Spurstangen oder der eingebaute Überrollkäfig, der für mehr Steifigkeit sorgen soll, sind beim Spurwechsel-Pingpong auf der dreispurigen Bundesstraße nicht in ihrem Element. Schramm schaltet hoch, bremst, wieder einen Gang runter. Das 915-Getriebe ist umstritten, seiner Meinung nach mit etwas Feingefühl aber zu handeln und im Extrembereich mit Zwischengas top. Eben wie ein echtes altes Auto. Der Schaltknauf aus Schichtholz fällt direkt ins Auge. „Er entspricht der Version, die früher im 917 in Le Mans verbaut war“, sagt er. „Es war ein Geschenk eines Ingenieurs, der bei den legendären Rennen mit dem 917 dabei war. Er hat ihn beim gleichen Schreiner fertigen lassen wie damals.“ Mit Le Mans verbindet ihn viel. Auf dem Nummernschild prangt die Zahl 919. Mit diesem Auto erlebte er als Motorsport-Marketing-Verantwortlicher die Rückkehr von Porsche in die Top-Klasse als Werksteam. Die 77 klebt als Startnummer auf der Flanke, weil es Schramms Geburtsjahr ist und zugleich die Startnummer bedeutender Projekte war, die er begleitet hat – etwa die Saison in der FIA Sportwagen-Weltmeisterschaft mit Schauspieler Patrick Dempsey.
Wie wichtig ihm Details sind, zeigen auch die Lederriemen, die die Türgriffe ersetzen. Es sind alte Zurrgurte von Pferden der Schweizer Armee, die er auf dem Flohmarkt gefunden hat. Um den Rückspiegel baumelt eine Kette mit Christophorus-Anhänger. Über der Mittelkonsole geben schwarze Prägebänder den Schaltern die Namen Aircon, Cibie, Light, Lock und Joker. Sie sind ebenfalls eine Reminiszenz an das Cockpit in historischen Rennwagen. Das komplette Interieur hat Schramm selbst gestaltet und umgebaut. „Ich gebe nur einen Tipp an alle weiter, die das auch machen wollen: Finger weg von der Elektrik“, sagt er und lacht. Was sich in seinem Schrauber-Dasein ebenfalls als unpraktisch erwiesen hat: den Plattenspieler, der die Werkstatt schmückt, bedienen zu wollen, wenn man gerade unter dem Auto liegt.
Eine der größten Herausforderungen war die Farbe. Ausgerechnet bei einem Trip durch die Wüste entdeckte Schramm einen Toyota Landcruiser, der in einem speziellen Farbton lackiert war. Der sollte es für seinen Elfer sein. Das erwies sich als nicht so einfach. Über 25 Lackfrösche mussten daran glauben, ehe man die Nuance traf, die ihm vorschwebte. Seit Oktober 2023 steht der beigegraue Elfer fertig in seiner außergewöhnlichen Garage. Inzwischen ist es still geworden. Aber es wird nicht mehr lange dauern, bis Schramm ihn wieder in die Berge entführt. Spätestens zum Kaffee-Stopp erklingt wieder dieses Geräusch. Tack. Pause. Tack. Pause. Tack.